Auslegung eines Verzichts auf die Einrede der Verjährung hinsichtlich der Vergütungspflicht nach § 54a Abs. 1 UrhG für PCs
BGH v. 17.12.2020 - I ZR 239/19
Der Sachverhalt:
Die Klägerin zu 1) ist die deutsche Verwertungsgesellschaft zur Wahrnehmung der Urheberrechte an Sprachwerken. Die Klägerin zu 2) ist die deutsche Verwertungsgesellschaft zur Wahrnehmung der Urheberrechte von bildenden Künstlern, Fotografen und anderen Bildurhebern.
Die Beklagte hat von 2001 bis 2007 in Deutschland Personal Computer (PCs) veräußert oder auf sonstige Weise in Verkehr gebracht.
Es stellte sich die Frage, wie ein erklärter Verzicht auf die Einrede der Verjährung der Beklagten auszulegen ist. Diese hatte nach entsprechender Aufforderung eine Erklärung abgegeben, "hinsichtlich einer Vergütungspflicht nach § 54a Abs. 1 UrhG für PCs" - die seinerzeit höchstrichterlich noch nicht geklärt war - auf die Einrede der Verjährung zu verzichten.
Die Klägerinnen klagten auf Auskunft über die von der Beklagten in den Jahren 2001 bis 2007 veräußerten oder in Verkehr gebrachten PCs und die Feststellung einer Vergütungspflicht für die PC's.
Das OLG wies die Klage ab. Die von den Klägerinnen geltend gemachten Vergütungsansprüche seien verjährt. Die Beklagte habe mit ihrer Verzichtserklärung nicht auf die Geltendmachung der Verjährungseinrede ggü. den hier geltend gemachten Ansprüchen nach §§ 54, 54g UrhG aF verzichtet. Nach ihrem Wortlaut habe sich die Verzichtserklärung lediglich auf die von der Klägerin zu 1) angestrebte "Vergütungspflicht nach § 54a Abs. 1 UrhG" bezogen.
Die Revision vor dem BGH hatte Erfolg.
Die Gründe:
Mit der vom OLG gegebenen Begründung können die von den Klägerinnen geltend gemachten Ansprüche gem. §§ 54, 54g UrhG a.F. nicht als verjährt angesehen werden.
Das OLG hat bei seiner Auslegung des Verjährungsverzichts der Beklagten, dem es eine Beschränkung auf Ansprüche nach § 54a Abs. 1 UrhG a.F. entnommen hat, gegen den Grundsatz der nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung verstoßen.
Bei der Betrachtung des Wortlauts der Verzichtserklärung der Beklagten ist mit der Nennung der Vorschrift des § 54a Abs. 1 UrhG zwar eine Abweichung von der von den Klägerinnen vorformulierten Erklärung zu verzeichnen, die sich ohne Nennung einer bestimmten Anspruchsgrundlage allgemein auf die Vergütungspflicht von PCs bezog. Allerdings hatten auch die Klägerinnen im Anschreiben die Vorschrift des § 54a Abs. 1 UrhG genannt.
Die Auslegung des OLG geht fehl, soweit es aus der Nennung einer spezifischen Anspruchsgrundlage vor dem Hintergrund des seinerzeitigen Stands von Rechtsprechung und Literatur zur Frage der Vergütungspflicht von PCs darauf geschlossen hat, der Verzicht habe sich allein auf Ansprüche nach dieser Vorschrift und nicht auf Vergütungsansprüche nach anderen urheberrechtlichen Anspruchsnormen bezogen.
Der Auslegung des OLG liegt eine unzutreffende Würdigung des seinerzeitigen Stands von Rechtsprechung und Literatur zugrunde. Es trifft zwar zu, dass vor dem Urteil des BGH "PC I" v. 2.10.2008 - I ZR 18/06 - höchstrichterlich nicht geklärt war, ob PCs als nach § 54a Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F. vergütungspflichtige Geräte anzusehen waren.
Unzutreffend ist jedoch die weitere Annahme des OLG, im Zeitpunkt des Verjährungsverzichts im Jahr 2006 habe ein "allgemein geltendes Verständnis" des § 54a Abs. 1 UrhG a.F. geherrscht, das eine Vergütungspflicht von PCs für die Vervielfältigung stehenden Texts und stehender Bilder nach § 54a Abs. 1 UrhG a.F. ausgeschlossen habe.
Dem bei der Beurteilung der seinerzeitigen Interessenlage zu berücksichtigenden Aufforderungsschreiben der Klägerin zu 1) vom 22. September 2006 ist zu entnehmen, dass diese mit ihrem Rechtsstandpunkt, PCs unterlägen der Vergütungspflicht nach § 54a Abs. 1 UrhG a.F., vor dem LG München I und dem OLG München obsiegt hatte, so dass es an einem "allgemein geltenden Verständnis" dieser Norm im vom OLG zugrunde gelegten Sinn gerade fehlte.
Vor diesem Hintergrund kann der Erwähnung des § 54a Abs. 1 UrhG a.F. im Verjährungsverzicht der Beklagten keine Beschränkung der Verzichtserklärung auf urheberrechtliche Vergütungsansprüche nach dieser Vorschrift entnommen werden.
Den Parteien war im Jahr 2006 die Rechtsprechung der Instanzgerichte bekannt, die die Vergütungspflicht für PCs aus § 54a Abs.1 UrhG a.F. hergeleitet hatten. Darüber hinaus fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass aus Sicht der Parteien Anlass für eine Beschränkung des Verjährungsverzichts auf eine bestimmte Anspruchsgrundlage bestanden hätte.
BGH online
Die Klägerin zu 1) ist die deutsche Verwertungsgesellschaft zur Wahrnehmung der Urheberrechte an Sprachwerken. Die Klägerin zu 2) ist die deutsche Verwertungsgesellschaft zur Wahrnehmung der Urheberrechte von bildenden Künstlern, Fotografen und anderen Bildurhebern.
Die Beklagte hat von 2001 bis 2007 in Deutschland Personal Computer (PCs) veräußert oder auf sonstige Weise in Verkehr gebracht.
Es stellte sich die Frage, wie ein erklärter Verzicht auf die Einrede der Verjährung der Beklagten auszulegen ist. Diese hatte nach entsprechender Aufforderung eine Erklärung abgegeben, "hinsichtlich einer Vergütungspflicht nach § 54a Abs. 1 UrhG für PCs" - die seinerzeit höchstrichterlich noch nicht geklärt war - auf die Einrede der Verjährung zu verzichten.
Die Klägerinnen klagten auf Auskunft über die von der Beklagten in den Jahren 2001 bis 2007 veräußerten oder in Verkehr gebrachten PCs und die Feststellung einer Vergütungspflicht für die PC's.
Das OLG wies die Klage ab. Die von den Klägerinnen geltend gemachten Vergütungsansprüche seien verjährt. Die Beklagte habe mit ihrer Verzichtserklärung nicht auf die Geltendmachung der Verjährungseinrede ggü. den hier geltend gemachten Ansprüchen nach §§ 54, 54g UrhG aF verzichtet. Nach ihrem Wortlaut habe sich die Verzichtserklärung lediglich auf die von der Klägerin zu 1) angestrebte "Vergütungspflicht nach § 54a Abs. 1 UrhG" bezogen.
Die Revision vor dem BGH hatte Erfolg.
Die Gründe:
Mit der vom OLG gegebenen Begründung können die von den Klägerinnen geltend gemachten Ansprüche gem. §§ 54, 54g UrhG a.F. nicht als verjährt angesehen werden.
Das OLG hat bei seiner Auslegung des Verjährungsverzichts der Beklagten, dem es eine Beschränkung auf Ansprüche nach § 54a Abs. 1 UrhG a.F. entnommen hat, gegen den Grundsatz der nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung verstoßen.
Bei der Betrachtung des Wortlauts der Verzichtserklärung der Beklagten ist mit der Nennung der Vorschrift des § 54a Abs. 1 UrhG zwar eine Abweichung von der von den Klägerinnen vorformulierten Erklärung zu verzeichnen, die sich ohne Nennung einer bestimmten Anspruchsgrundlage allgemein auf die Vergütungspflicht von PCs bezog. Allerdings hatten auch die Klägerinnen im Anschreiben die Vorschrift des § 54a Abs. 1 UrhG genannt.
Die Auslegung des OLG geht fehl, soweit es aus der Nennung einer spezifischen Anspruchsgrundlage vor dem Hintergrund des seinerzeitigen Stands von Rechtsprechung und Literatur zur Frage der Vergütungspflicht von PCs darauf geschlossen hat, der Verzicht habe sich allein auf Ansprüche nach dieser Vorschrift und nicht auf Vergütungsansprüche nach anderen urheberrechtlichen Anspruchsnormen bezogen.
Der Auslegung des OLG liegt eine unzutreffende Würdigung des seinerzeitigen Stands von Rechtsprechung und Literatur zugrunde. Es trifft zwar zu, dass vor dem Urteil des BGH "PC I" v. 2.10.2008 - I ZR 18/06 - höchstrichterlich nicht geklärt war, ob PCs als nach § 54a Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F. vergütungspflichtige Geräte anzusehen waren.
Unzutreffend ist jedoch die weitere Annahme des OLG, im Zeitpunkt des Verjährungsverzichts im Jahr 2006 habe ein "allgemein geltendes Verständnis" des § 54a Abs. 1 UrhG a.F. geherrscht, das eine Vergütungspflicht von PCs für die Vervielfältigung stehenden Texts und stehender Bilder nach § 54a Abs. 1 UrhG a.F. ausgeschlossen habe.
Dem bei der Beurteilung der seinerzeitigen Interessenlage zu berücksichtigenden Aufforderungsschreiben der Klägerin zu 1) vom 22. September 2006 ist zu entnehmen, dass diese mit ihrem Rechtsstandpunkt, PCs unterlägen der Vergütungspflicht nach § 54a Abs. 1 UrhG a.F., vor dem LG München I und dem OLG München obsiegt hatte, so dass es an einem "allgemein geltenden Verständnis" dieser Norm im vom OLG zugrunde gelegten Sinn gerade fehlte.
Vor diesem Hintergrund kann der Erwähnung des § 54a Abs. 1 UrhG a.F. im Verjährungsverzicht der Beklagten keine Beschränkung der Verzichtserklärung auf urheberrechtliche Vergütungsansprüche nach dieser Vorschrift entnommen werden.
Den Parteien war im Jahr 2006 die Rechtsprechung der Instanzgerichte bekannt, die die Vergütungspflicht für PCs aus § 54a Abs.1 UrhG a.F. hergeleitet hatten. Darüber hinaus fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass aus Sicht der Parteien Anlass für eine Beschränkung des Verjährungsverzichts auf eine bestimmte Anspruchsgrundlage bestanden hätte.