Ausschließliches Wiederholen der bereits in erster Instanz vorgetragenen rechtlichen Argumente führt nicht zur Unzulässigkeit der Berufung
BGH 8.5.2018, I ZB 57/17Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen einer Werbung für Matratzen auf Unterlassung, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Auskunft in Anspruch. Das LG wies die Klage als unzulässig ab, weil die Klägerin ihre ladungsfähige Anschrift nicht substantiiert dargelegt habe. Das OLG verwarf die Berufung der Klägerin gem. § 522 Abs. 1 ZPO.
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin hob der BGH den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Entgegen der Ansicht des OLG genügt die Berufungsbegründung der Klägerin den Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO.
Es bestehen grundsätzlich keine besonderen formalen Anforderungen für die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit ergeben. Insbesondere ist es ohne Bedeutung, ob die Ausführungen des Berufungsklägers schlüssig, hinreichend substantiiert und rechtlich haltbar sind. Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, lediglich auf das Vorbringen in der ersten Instanz zu verweisen. Erforderlich ist eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger weshalb bekämpft.
Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung der Klägerin. Sie setzt sich mit den die Klageabweisung als unzulässig tragenden Erwägungen des LG in ausreichender Weise auseinander. Die Berufung wendet sich mit ihren Ausführungen in zulässiger Weise gegen die die Zurückweisung der Klage als unzulässig tragende Beurteilung des LG, die Klägerin habe eine ladungsfähige Anschrift nicht dargelegt. Die Klägerin hat sich dabei weder auf formelhafte, austauschbare Wendungen noch auf einen bloßen Verweis auf erstinstanzlichen Vortrag beschränkt. Sie hat das Urteil des LG auch nicht pauschal als rechtsfehlerhaft bezeichnet. Damit erfüllt die Berufungsbegründung der Klägerin die Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO.
Eine weitergehende, substantiierte Auseinandersetzung mit den Rechtsausführungen, die das LG nahezu vollständig aus einem Schriftsatz der Beklagten im Parallelverfahren beim LG Köln übernommen hat, wäre in der Berufungsbegründung zwar zweckmäßig gewesen, stellt jedoch keinen für die Zulässigkeit der Berufung zwingenden Inhalt der Berufungsbegründung gem. § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO dar. Insbesondere führt das Festhalten an einer im Urteil erster Instanz zurückgewiesenen Rechtsansicht auch dann nicht zur Unzulässigkeit der Berufung, wenn in der Berufungsbegründung lediglich bereits in erster Instanz vorgetragene rechtliche Argumente wiederholt werden. Ein unzulässiger Verweis nur auf das Vorbringen erster Instanz liegt darin nicht.
Sinn der Berufung ist es gerade, dem Berufungskläger die Überprüfung der Rechtsansicht der ersten Instanz zu ermöglichen. Aus dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz ist das verfassungsrechtliche Gebot abzuleiten, dass formelle Anforderungen an die Einlegung eines Rechtsmittels im Zivilprozess nicht weiter gehen dürfen, als es durch ihren Zweck geboten ist. Das gilt auch für die Prüfung der Anforderungen an die Zulässigkeit der Berufung gem. § 522 ZPO.
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