Ausschluss von öffentlichen Aufträgen wegen mangelhafter Ausführung eines früheren Auftrags
EuGH v. 18.12.2024 - T-776/22
Der Sachverhalt:
2009 leitete die EU-Kommission ein Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Bauauftrags für die Modernisierung einer Anlage ein. Sie vergab diesen Auftrag an zwei Gesellschaften, darunter die Klägerin (TP), die zuvor untereinander eine Konsortialvereinbarung geschlossen hatten. Nach Abschluss der Arbeiten stellte die Kommission einige Mängel der Anlage fest und übermittelte den beiden Gesellschaften eine Mitteilung über die vorzeitige Beendigung des Vertrags. Des Weiteren leitete sie ein Schiedsverfahren unter der Schirmherrschaft der Internationalen Handelskammer (ICC) ein. Das Schiedsgericht verurteilte die beiden Gesellschaften, gesamtschuldnerisch einen Betrag an die EU zu zahlen, der den für die Reparatur der Anlage erforderlichen Kosten entspricht. Außerdem stufte es das Verhalten des Konsortiums als grob fahrlässig ein.
Im Oktober 2022 erließ die Kommission einen Beschluss, mit dem die Klägerin für die Dauer von zwei Jahren von der Teilnahme an Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge und zur Gewährung von Finanzhilfen ausgeschlossen wurde. Insoweit sieht die Haushaltsordnung 20181 vor, dass der zuständige Anweisungsbefugte eine Person oder Stelle u.a. dann ausschließen kann, wenn sie bei der Umsetzung einer aus dem Haushalt der Union finanzierten rechtlichen Verpflichtung erhebliche Mängel bei der Erfüllung der Hauptauflagen erkennen ließ. Für die Feststellung, dass eine solche Pflichtverletzung vorliegt, stützte sich die Kommission auf die gesamtschuldnerische Haftung der Klägerin als Mitglied des Konsortiums. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage auf Nichtigerklärung dieses Beschlusses.
Das EuG gab der Klage statt.
Die Gründe:
Der Beschluss der Kommission wird für nichtig erklärt.
Es gibt keinen Automatismus zwischen der Feststellung einer Verletzung vertraglicher Verpflichtungen und dem Erlass einer Ausschlussmaßnahme durch den zuständigen Anweisungsbefugten. Der zuständige Anweisungsbefugte muss, bevor er eine Ausschlussmaßnahme gegen eine betroffene Person oder Stelle erlässt, ihr Verhalten anhand aller relevanten Gesichtspunkte konkret und individualisiert beurteilen. Da sich die Kommission vorliegend darauf beschränkt hat, die gesamtschuldnerische Haftung der Klägerin als Konsortiumsmitglied zugrunde zu legen, ohne ihr individuelles Verhalten zu berücksichtigen, war der Beschluss der Kommission für nichtig zu erklären.
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EuGH PM Nr. 199 vom 18.12.2024
2009 leitete die EU-Kommission ein Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Bauauftrags für die Modernisierung einer Anlage ein. Sie vergab diesen Auftrag an zwei Gesellschaften, darunter die Klägerin (TP), die zuvor untereinander eine Konsortialvereinbarung geschlossen hatten. Nach Abschluss der Arbeiten stellte die Kommission einige Mängel der Anlage fest und übermittelte den beiden Gesellschaften eine Mitteilung über die vorzeitige Beendigung des Vertrags. Des Weiteren leitete sie ein Schiedsverfahren unter der Schirmherrschaft der Internationalen Handelskammer (ICC) ein. Das Schiedsgericht verurteilte die beiden Gesellschaften, gesamtschuldnerisch einen Betrag an die EU zu zahlen, der den für die Reparatur der Anlage erforderlichen Kosten entspricht. Außerdem stufte es das Verhalten des Konsortiums als grob fahrlässig ein.
Im Oktober 2022 erließ die Kommission einen Beschluss, mit dem die Klägerin für die Dauer von zwei Jahren von der Teilnahme an Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge und zur Gewährung von Finanzhilfen ausgeschlossen wurde. Insoweit sieht die Haushaltsordnung 20181 vor, dass der zuständige Anweisungsbefugte eine Person oder Stelle u.a. dann ausschließen kann, wenn sie bei der Umsetzung einer aus dem Haushalt der Union finanzierten rechtlichen Verpflichtung erhebliche Mängel bei der Erfüllung der Hauptauflagen erkennen ließ. Für die Feststellung, dass eine solche Pflichtverletzung vorliegt, stützte sich die Kommission auf die gesamtschuldnerische Haftung der Klägerin als Mitglied des Konsortiums. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage auf Nichtigerklärung dieses Beschlusses.
Das EuG gab der Klage statt.
Die Gründe:
Der Beschluss der Kommission wird für nichtig erklärt.
Es gibt keinen Automatismus zwischen der Feststellung einer Verletzung vertraglicher Verpflichtungen und dem Erlass einer Ausschlussmaßnahme durch den zuständigen Anweisungsbefugten. Der zuständige Anweisungsbefugte muss, bevor er eine Ausschlussmaßnahme gegen eine betroffene Person oder Stelle erlässt, ihr Verhalten anhand aller relevanten Gesichtspunkte konkret und individualisiert beurteilen. Da sich die Kommission vorliegend darauf beschränkt hat, die gesamtschuldnerische Haftung der Klägerin als Konsortiumsmitglied zugrunde zu legen, ohne ihr individuelles Verhalten zu berücksichtigen, war der Beschluss der Kommission für nichtig zu erklären.
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