Äußerung bestimmter Passagen des Gedichtes "Schmähkritik" vorläufig untersagt
LG Hamburg 17.5.2016, 324 O 255/16Der Antragsteller ist der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Der Antragsgegner ist der Fernsehmoderator Jan Böhmermann. Gegenstand des Antrages war die als Gedicht unter dem Titel "Schmähkritik" dargebotenen Äußerungen Böhmermanns aus der Sendung "Neo Magazin Royale" vom 31.3.2016. Der Antragsteller verlangte im Wege der einstweiligen Verfügung Unterlassung der Äußerungen.
Das LG gab dem Antrag teilweise statt und untersagte dem Antragsgegner die Äußerung bestimmter Passagen des Gedichtes. Im Übrigen wurde der Antrag abgewiesen. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig.
Die Gründe:
Der Entscheidung lagt eine Abwägung zwischen der Kunst- und Meinungsfreiheit einerseits und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Antragstellers zugrunde. Als Satire vermittelt das Gedicht im vorliegenden Fall ein Zerrbild von der Wirklichkeit, mit der sich der Antragsgegner mithilfe des Gedichtes auseinandersetzt. Bei dieser Kunstform, der Übertreibungen und Verzerrungen wesenseigen sind, muss für die rechtliche Beurteilung zwischen dem Aussagegehalt und dem vom Verfasser gewählten satirischen Gewand, der Einkleidung, unterschieden werden. Zudem sind die konkrete Präsentation und der Zusammenhang zu berücksichtigen, in den das Gedicht gestellt wurde. In Form von Satire geäußerte Kritik am Verhalten Dritter findet nämlich ihre Grenze, wo es sich um eine reine Schmähung oder eine Formalbeleidigung handelt bzw. die Menschenwürde angetastet wird.
Diese Grenze war durch bestimmte Passagen des Gedichtes im vorliegenden Fall, die als schmähend und ehrverletzend anzusehen waren, überschritten worden. Zwar gilt für die Einkleidung eines satirischen Beitrages ein großzügiger Maßstab, doch berechtigt dieser nicht zur völligen Missachtung der Rechte des Antragstellers. Durch das Aufgreifen rassistisch einzuordnender Vorurteile und einer religiösen Verunglimpfung sowie angesichts der sexuellen Bezüge des Gedichtes überschritten die fraglichen Zeilen das vom Antragsteller hinzunehmende Maß.
Die übrigen Teile setzten sich hingegen in zulässiger Weise satirisch mit aktuellen Vorgängen in der Türkei auseinander. Der Antragsgegner trägt insofern als Staatsoberhaupt politische Verantwortung und muss sich aufgrund seines öffentlichen Wirkens selbst harsche Kritik an seiner Politik gefallen lassen. Außerdem muss der Antragsteller hinnehmen, dass der Antragsgegner sich in satirischer Form über den Umgang des Antragstellers mit der Meinungsfreiheit lustig macht.