19.10.2016

Austauschbares Verschleißteil - Wann kann die Verletzung des Streitpatents verneint werden?

Die Orientierung der Überlegungen des Fachmanns, mit denen er ein im Sinn des Merkmals der Erfindung gleichwirkendes Austauschmittel als gleichwirkend auffinden kann, am Patentanspruch und damit die Verletzung des Patents (hier: Austauschbares Verschleißteil) mit äquivalenten Mitteln kann regelmäßig nicht mit der Begründung verneint werden, der Patentinhaber habe sich mit der konkreten Formulierung des Merkmals auf eine dessen Wortsinn entsprechende Ausgestaltung festgelegt. Dies findet in der BGH-Rechtsprechung keine Grundlage und ist auch sachlich nicht zu rechtfertigen.

BGH 23.8.2016, X ZR 76/14
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Klagepatents, das unter Inanspruchnahme der Priorität zweier britischer Patentanmeldungen aus dem Jahr 2000 am 31.1.2001 angemeldet wurde. Das Klagepatent betrifft ein austauschbares Verschleißteil zur Montage an der vorderen Kante eines Arbeitswerkzeuges, das etwa als Pflug zur Bodenbearbeitung eingesetzt wird. Die Beklagte bietet in Deutschland unter der Bezeichnung "Euroshare M7" austauschbare Verschleißteile für Landmaschinen an. Diese werden an einem mitgelieferten Adapter montiert, der seinerseits mit Bolzen an dem Arbeitswerkzeug befestigt wird.

Die Klägerin hatte die Beklagte wegen unmittelbarer Verletzung des Klagepatents auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung und die Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz in Anspruch genommen. LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Eine Verletzung des Streitpatents kann nur dann verneint werden, wenn die Überlegungen des Fachmanns, mit welchen er diese Ausgestaltung als gleichwirkend zu erkennen vermöchte, nicht am Sinn (Sinngehalt) der im Patentanspruch bezeichneten technischen Lehre orientiert wären und diese Ausgestaltung folglich aus fachmännischer Sicht nicht als gleichwertig (äquivalent) angesehen werden könnte. Dies hatte das Berufungsgericht zwar angenommen; seine hierfür gegebene Begründung war jedoch nicht frei von Rechtsfehlern.

Für die Beurteilung der Frage, ob die Überlegungen des Fachmanns, die ihm die Ersetzung eines wortsinngemäßen Merkmals durch ein abgewandeltes, aber im Zusammenhang der technischen Lehre des Patents gleichwirkendes Mittel erlauben, am Patentanspruch orientiert sind, kommt es im Zweifel weniger auf die räumlich-körperliche Ausgestaltung des Mittels als solche als vielmehr auf deren Funktion im Kontext der patentgemäßen Lehre an. Dies führt zu dem zentralen Argument des Berufungsgerichts, die Patentinhaberin habe sich mit der Aufnahme der V-Form in den Patentanspruch (bewusst) gerade auf diese Form des Querschnitts der Führungsanordnungen festgelegt oder beschränkt. Damit kann der Ausschluss der von der angegriffenen Ausführungsform verwirklichten Ausgestaltung des Querschnitts der Führungsanordnungen aus dem Schutzbereich des Klagepatents jedoch nicht begründet werden.

Die Revision rügte zu Recht, dass diese Begründung letztlich darauf hinausläuft, gleichwirkende Ausführungsformen (ähnlich den foreseeable equivalents des amerikanischen Patentrechts) immer dann aus dem Schutzbereich auszuschließen, wenn der Patentinhaber erkannt hat (oder hätte erkennen können), dass für ein im Anspruch benanntes Lösungselement Austauschmittel denkbar sind, und es versäumt hat, auf eine Fassung des Patents hinzuwirken, bei der die Austauschmittel vom Wortsinn des Patentanspruchs umfasst worden wären. Dies findet in der BGH-Rechtsprechung keine Grundlage und ist auch sachlich nicht zu rechtfertigen.

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