17.05.2018

Autobahnbau: Vergütung des Auftragnehmers bei einvernehmlicher Vertragsbeendigung

Im Falle der einvernehmlichen Vertragsbeendigung richtet sich die vom Auftragnehmer zu beanspruchende Vergütung nach § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002), sofern sich die Parteien über die Folgen der Vertragsbeendigung nicht anderweitig geeinigt haben. Eine Anpassung der vereinbarten Vergütung nach § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) kommt nur in Betracht, wenn es ohne Eingriff in den ursprünglichen Leistungsbestand zu einer reinen Mengenänderung bei den Vordersätzen der bei Vertragsschluss festgelegten Leistungen kommt.

BGH 26.4.2018, VII ZR 82/17
Der Sachverhalt:
Die Beklagte führte im Jahr 2004 eine öffentliche Ausschreibung betreffend den grundhaften Ausbau der Bundesautobahn A 19 für Leistungen der Verkehrsführung und Verkehrssicherung durch, an dem sich die Klägerin mit einem Angebot zu einem Gesamtpreis von rd. 1,1 Mio. € netto beteiligte. Darin bot die Klägerin entsprechend der Ausschreibung unter Einbeziehung der VOB/B (2002) die Vorhaltung einer Stahlgleitwand von 14,8 km für 588 Tage zu einem Einheitspreis von 1.184 €/Tag netto an. In der Ausschreibung war als Frist für die Ausführung der Leistungen der Zeitraum von September 2004 bis April 2006 angegeben, vorbehaltlich der Zuschlagserteilung des Bauhauptloses. Die am 2.9.2004 endende Binde- und Zuschlagsfrist wurde auf Bitten der Beklagten mit Zustimmung der Klägerin mehrfach verlängert. Am 30.3.2006 erteilte die Beklagte der Klägerin den Zuschlag für die angebotenen Arbeiten über rd. 1,2 Mio. € brutto nach Abzug eines Nachlasses von 5 %.

Wegen der Dauer des Vergabeverfahrens hatte die Klägerin im Jahr 2005 begonnen, die zur Ausführung vorgesehene und von ihr vorgehaltene Stahlgleitwand sukzessive auf anderen Baustellen einzusetzen. Bei Zuschlagserteilung musste die Klägerin daher die benötigte Stahlgleitwand bei einem Nachunternehmer anmieten. Die Klägerin machte Mehrkosten für die Vorhaltung der Stahlgleitwand wegen der mehrfachen Verlängerung der Zuschlagsfrist i.H.v. rd. 430.000 € geltend. Diese Forderung ist Gegenstand des Parallelverfahrens VII ZR 81/17. Die Stahlgleitwand wurde auf Weisung der Beklagten nur an 333 Tagen eingesetzt, da diese die Baumaßnahme erheblich beschleunigte. Die Klägerin beansprucht für die infolge vorzeitiger Vertragsbeendigung nicht erbrachten Leistungen auf der Grundlage eines vorgerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens und unter Berücksichtigung eines Nachlasses von 5 % eine Vergütung i.H.v. insgesamt rd. 95.000 €.

Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr statt. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin nach teilweiser einvernehmlicher Aufhebung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags vom 30.3.2006 nach § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002) ein Vergütungsanspruch wegen nicht erbrachter Leistungen i.H.v. rd. 95.000 € zusteht.

Zutreffend hat das OLG angenommen, dass der Vertrag vom 30.3.2006 durch die Beschleunigungsmaßnahmen der Beklagten, die dazu geführt haben, dass die Vorhaltung der Stahlgleitwand nur an 333 Tagen statt wie im Leistungsverzeichnis angegeben 588 Tagen erforderlich war, teilweise einvernehmlich vorzeitig beendet worden ist. Ausgehend von der Annahme, dass die Klägerin nach dem Vertrag eine Stahlgleitwand jedenfalls für eine Bauzeit von 588 Tagen zur Verfügung halten musste, stellt die Anforderung der Stahlgleitwand durch die Beklagte während eines Zeitraums von lediglich 333 Tagen eine Verkürzung der ursprünglich vereinbarten Vertragslaufzeit dar, die einer Teilkündigung des Vertrags gleichzustellen ist.

Im Falle der einvernehmlichen Vertragsbeendigung richtet sich die vom Auftragnehmer zu beanspruchende Vergütung nach § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002), der inhaltlich weitgehend dem § 649 S. 2 BGB entspricht, sofern sich die Parteien über die Folgen der Vertragsbeendigung nicht anderweitig geeinigt haben. Feststellungen zu einer solchen Vereinbarung hat das OLG nicht getroffen. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002) verdrängt als speziellere Regelung den § 2 Nr. 3 VOB/B (2002). Eine Anpassung der vereinbarten Vergütung nach § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) kommt nur in Betracht, wenn es ohne Eingriff in den ursprünglichen Leistungsbestand zu einer reinen Mengenänderung bei den Vordersätzen der bei Vertragsschluss festgelegten Leistungen kommt. Diese Voraussetzung ist, wie dargestellt, nicht erfüllt.

Der Klägerin steht danach gem. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2002) die vereinbarte Vergütung zu; sie muss sich jedoch anrechnen lassen, was sie infolge der teilweisen Aufhebung des Vertrags an Kosten erspart oder durch anderweitige Verwendung ihrer Arbeitskraft und ihres Betriebs erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Das OLG hält in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Klägerin einen Betrag i.H.v. rd. 95.000 € für gerechtfertigt. Dies begegnet revisionsrechtlich keinen Bedenken. Darüber hinaus kann die Klägerin von der Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Verzugs gem. § 280 Abs. 1, § 286 BGB Ersatz der durch die vorgerichtliche Beauftragung ihrer Prozessbevollmächtigten entstandenen Rechtsverfolgungskosten in der geltend gemachten Höhe verlangen.

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