Bach-Blüten-Produkte: Vom Arzneimittel zum Lebensmittel
BGH 21.9.2017, I ZR 29/13Die Beklagte vertreibt in Deutschland über Apotheken Bach-Blüten-Produkte, darunter sog. "Rescue"-Produkte in Pipettenfläschchen mit einem Inhalt von 10 oder 20 ml und als Spray. Diese tragen die Bezeichnung "Spirituose" und haben einen Alkoholgehalt von 27%. Die Produktverpackungen enthalten die folgenden Hinweise zur Dosierung: "Original Rescue Tropfen - 4 Tropfen in ein Wasserglas geben und über den Tag verteilt trinken oder bei Bedarf 4 Tropfen unverdünnt zu sich nehmen. Rescue Night Spray - 2 Sprühstösse auf die Zunge geben."
Die Klägerinnen vertreiben auf dem deutschen Markt ebenfalls Bach-Blüten-Produkte. Mit der Klage erstrebten sie in erster Linie ein generelles Verbot des Vertriebs von Bach-Blüten-Produkten durch die Beklagte ohne arzneimittelrechtliche Zulassung oder Registrierung. Außerdem waren sie hinsichtlich einer Vielzahl von Werbeaussagen der Ansicht, die Beklagte werbe in wettbewerbswidriger Weise für alkoholhaltige Getränke mit Hinweisen auf eine gesundheitsfördernde oder gesundheitlich unbedenkliche Wirkung. Die Beklagte hielt dagegen, sie habe unter den angegriffenen Bezeichnungen das unveränderte Produkt schon vor dem 1.1.2005 in den Verkehr gebracht.
Das LG verurteilte die Beklagte gemäß ihrem Anerkenntnis zur Unterlassung einzelner Werbeaussagen mit der Bezeichnung "Bach-Blüten". Das OLG verurteilte die Beklagte zudem, es zu unterlassen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr als Spirituosen gekennzeichnete Produkte unter der Bezeichnung "Rescue Tropfen" und/oder "Rescue Night Spray" zu bewerben und/oder zu vertreiben. Auf die Revision der Beklagten setzte der BGH das Verfahren zunächst aus und legte dem EuGH mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vor.
Der EuGH hat zu der Frage, ob die Bestimmung des Art. 28 Abs. 2 Halbs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 auch dann gilt, wenn das betreffende Produkt unter seinem Markennamen vor dem 1.1.2005 nicht als Lebensmittel, sondern als Arzneimittel vermarktet wurde, wie folgt beantwortet: Art. 28 Abs. 2 Halbs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 ist dahin auszulegen, dass diese Bestimmung auf ein mit einer Handelsmarke oder einem Markennamen versehenes Lebensmittel anwendbar ist, das vor dem 1.1.2005 als Arzneimittel und danach mit den gleichen materiellen Eigenschaften und unter derselben Handelsmarke oder demselben Markennamen als Lebensmittel vermarktet wurde.
Der BGH hob das Berufungsurteil daraufhin auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Nach der vom EuGH auf die Vorlagefrage 3 gegebenen Antwort kommt in Betracht, dass der noch streitgegenständliche Hilfsantrag im Hinblick auf die Regelung des Art. 28 Abs. 2 Halbs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 unbegründet ist. Danach dürfen Produkte mit bereits vor dem 1.1.2005 bestehenden Handelsmarken oder Markennamen auch dann bis zum 19.1.2022 weiterhin in den Verkehr gebracht werden, wenn sie dieser Verordnung nicht entsprechen.
Die Revision weist hierzu auf von der Beklagten in der Berufungsinstanz gehaltenen Vortrag hin, wonach die Unionsmarke "Rescue" bereits vor dem 1.1.2005 zur Kennzeichnung von Produkten benutzt wurde, die nachfolgend nicht verändert, sondern nur ab dem Jahr 2007 nicht mehr wie bis dahin - als Arzneimittel, sondern als Lebensmittel eingeordnet und vermarktet wurden. Das OLG hat hierzu keine Feststellungen getroffen. Für die Revisionsinstanz ist daher davon auszugehen, dass der von der Revision angeführte Vortrag der Beklagten zutrifft.
Nach den Ausführungen der Revision zu dem Produkt "Rescue Night Spray", das erst nach dem Stichtag 1.1.2005 auf den Markt gekommen ist, sind die materiellen Eigenschaften dieses Erzeugnisses gegenüber dem Produkt "Rescue Tropfen" unverändert geblieben. Es handele sich nur um eine andere Darreichungsform mit geringfügig abweichender Rezeptur der gleichen materiellen Eigenschaften und praktisch identischem Anwendungsbereich und Einsatzzweck. Sollte dies der Fall sein, wären Änderungen der Aufmachung des Produkts und der Darreichungsform unter Beibehaltung seiner materiellen Eigenschaften irrelevant im Hinblick auf die Anwendung der Übergangsregelung des Art. 28 Abs. 2 Halbs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, wenn ein von der Beklagten nunmehr als Lebensmittel vermarktetes Produkt mit den gleichen materiellen Eigenschaften und unter derselben Handelsmarke oder demselben Markennamen vor dem 1. Januar 2005 als Arzneimittel vertrieben worden ist.
In der wiedereröffneten Berufungsinstanz wird das OLG die gebotenen Feststellungen nachzuholen haben. Sollte sich dabei ergeben, dass der von der Beklagten dazu gehaltene Vortrag zutrifft und mögliche Änderungen der Darreichungsform zu keiner Änderung der Eigenschaften des Produkts geführt haben, wird es die Klage hinsichtlich des noch streitgegenständlichen Hilfsantrags abzuweisen haben. Anderenfalls wird es den weiteren im Vorlagebeschluss des Senats angeführten Fragen nachzugehen haben. Sollte sich bis zum Schluss der Berufungsverhandlung keine Klärung der vom EuGH unbeantwortet gelassenen Vorlagefragen 1 und 2 ergeben haben, wird das OLG wegen dieser Fragen seinerseits eine Vorlage an den EuGH nach Art. 267 Abs. 2 AEUV zu erwägen haben. Sollte es davon absehen, wird es ggf. die Revision zulassen müssen.
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