Banken können Veröffentlichung des Beschlusses der Kommission zum EURIBOR-Kartell nicht verhindern
EuG 25.10.2018, T-419/18 u.a.Die EU-Kommission verhängte mit Beschluss vom 7.12.2016, der bisher nicht veröffentlicht wurde, Geldbußen i.H.v. 485 Mio. € gegen Crédit agricole, JPMorgan Chase und eine andere Bank wegen Beteiligung an einem Kartell, das Euro-Zinsderivate (EURIBOR) betraf. Die Banken hätten Absprachen über Faktoren der Preisfestsetzung für die Derivate getroffen und sensible Informationen ausgetauscht und damit gegen die Unionsvorschriften über wettbewerbswidrige Handlungen verstoßen. Crédit agricole und JPMorgan Chase fochten diesen Beschluss beim EuG an. Dieses Verfahren läuft (Rechtssachen T-113/17 und T-106/17).
Daneben traten Crédit agricole und JPMorgan Chase mit der Kommission in Erörterungen über die Veröffentlichung dieses Beschlusses ein, um zu klären, welche vertraulichen Informationen nicht in dem veröffentlichten Beschluss erscheinen sollten. Crédit agricole machte u.a. geltend, dass die Kommission die gesamte Schilderung ihrer Zuwiderhandlung unkenntlich machen müsse, bis der Unionsrichter über ihre Klage in der Rechtssache T-113/17 entschieden habe. JPMorgan Chase vertrat die Auffassung, dass die Kommission jegliche Veröffentlichung des Beschlusses unterlassen müsse, bis der Unionsrichter über ihre Klage in der Rechtssache T-106/17 entschieden habe. Im April 2018 lehnte die Kommission die Anträge auf vertrauliche Behandlung im Wesentlichen ab.
Crédit agricole und JPMorgan Chase erhoben gegen diese Beschlüsse Nichtigkeitsklagen beim EuG (T-419/18 und T-420/18) und beantragten gleichzeitig, im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Vollstreckung dieser Beschlüsse auszusetzen und im Wesentlichen den Beschluss der Kommission, mit dem das Kartell festgestellt wird, bis zum Abschluss des Verfahrens der Nichtigkeitsklage gegen diesen Beschluss nicht zu veröffentlichen.
Der Präsident des EuG wies die Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz zurück.
Die Gründe:
Einstweilige Anordnungen können nur erlassen werden, wenn das Vorbringen der Antragsteller nicht als einer ernsthaften Grundlage entbehrend erscheint. Beim vorläufigen Schutz vertraulicher Informationen genügt es nicht, zu behaupten, dass diese Informationen vertraulich seien. Vielmehr ist festzustellen, ob dem ersten Anschein nach davon ausgegangen werden kann, dass die Informationen tatsächlich vertraulich sind.
Das Interesse eines Unternehmens, gegen das die Kommission eine Geldbuße wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht verhängt hat, daran, dass die Einzelheiten der ihm zur Last gelegten Zuwiderhandlung der Öffentlichkeit nicht preisgegeben werden, verdient angesichts des Interesses der Öffentlichkeit, möglichst umfassende Kenntnis von den Gründen jedes Handelns der Kommission zu erhalten, keinen besonderen Schutz. Die Notwendigkeit, einen Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung festgestellt wird, zu veröffentlichen, um den durch diese Zuwiderhandlung Geschädigten Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihnen ermöglichen, eine Entschädigung zu erwirken, ist mit der Notwendigkeit, das Berufs- oder Geschäftsgeheimnis zu wahren, in Ausgleich zu bringen.
Das Vorbringen der Antragsteller, der Grundsatz der Unschuldsvermutung stehe jeglicher Veröffentlichung des Beschlusses, mit dem die Zuwiderhandlung festgestellt werde, entgegen oder verlange die Unkenntlichmachung der gesamten Schilderung der Zuwiderhandlung, kann dem ersten Anschein nach keinen Erfolg haben. Die Handlungen der Unionsorgane genießen nämlich eine Vermutung der Rechtmäßigkeit und erzeugen Rechtswirkungen, solange sie nicht widerrufen, aufgehoben oder für ungültig erklärt wurden. Demnach war vorliegend festzustellen, dass die Anträge der Banken auf vertrauliche Behandlung dem ersten Anschein nach unbegründet sind, und die Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz daher zurückzuweisen.
Linkhinweis:
- Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung T-419/18 klicken Sie bitte hier.
- Für den Volltext der Entscheidung T-420/18 klicken Sie bitte hier.