20.09.2017

Banken müssen Verbraucher über besondere Risiken eines Fremdwährungsdarlehens aufklären

Vergibt ein Kreditinstitut einen Kredit, der auf eine Fremdwährung lautet, muss es dem Kreditnehmer Informationen zur Verfügung stellen, die ausreichen, um ihn in die Lage zu versetzen, eine umsichtige und besonnene Entscheidung zu treffen. Der Gewerbetreibende muss dem betroffenen Verbraucher somit alle relevanten Informationen übermitteln, die es diesem ermöglichen, die wirtschaftlichen Folgen einer Klausel für seine finanziellen Verpflichtungen einzuschätzen.

EuGH 20.9.2017, C-186/16
Der Sachverhalt:
In den Jahren 2007 und 2008 nahmen die Kläger, die ihr Einkommen damals in Rumänischen Lei (RON) bezogen, bei der beklagten rumänischen Bank Kredite auf, die auf Schweizer Franken (CHF) lauteten, u.a. um Immobilien zu erwerben und andere Kredite zu refinanzieren. Nach den zwischen den Parteien geschlossenen Kreditverträgen waren die Kreditnehmer verpflichtet, die Kreditraten in CHF zurückzuzahlen, und übernahmen das Risiko, das mit möglichen Schwankungen des Wechselkurses des RON gegenüber dem CHF verbunden war.

Im Anschluss änderte sich der betreffende Wechselkurs erheblich zum Nachteil der Kläger. Diese wandten sich an rumänische Gerichte und beantragten die Feststellung, dass die Klausel, nach der der Kredit ohne Rücksicht auf den möglichen Verlust, der den Kreditnehmern wegen des Wechselkursrisikos entstehen kann, in CHF zurückzuzahlen ist, eine missbräuchliche Klausel darstellt, die sie, wie es eine Unionsrichtlinie (Richtlinie 93/13/EWG) vorsieht, nicht bindet. Die Kläger machen u.a. geltend, die Bank habe ihr Produkt bei Vertragsschluss verzerrt dargestellt und ausschließlich die Vorteile, die die Kreditnehmer daraus ziehen könnten, hervorgehoben, ohne auf die potenziellen Risiken hinzuweisen.

In diesem Zusammenhang befragt das mit der Sache befasste Gericht in Rumänien den EuGH zum Umfang der Pflicht der Banken, die Kunden über das mit Fremdwährungskrediten verbundene Wechselkursrisiko aufzuklären.

Die Gründe:
Das Erfordernis der klaren und verständlichen Abfassung einer Vertragsklausel gebietet es, dass der Vertrag die konkrete Funktionsweise des Verfahrens, auf das die betreffende Klausel Bezug nimmt, in transparenter Weise darstellt. Unter Umständen muss er auch über das Verhältnis zwischen diesem Verfahren und dem durch andere Klauseln vorgeschriebenen Verfahren aufklären, damit der Verbraucher in der Lage ist, die sich für ihn daraus ergebenden wirtschaftlichen Folgen auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien einzuschätzen. Diese Frage hat das rumänische Gericht anhand aller relevanten Tatsachen zu prüfen, wozu auch die Werbung und die vom Kreditgeber im Rahmen der Aushandlung eines Kreditvertrags bereitgestellten Informationen zählen.

Der nationale Richter hat insbesondere zu prüfen, ob dem Verbraucher sämtliche Tatsachen mitgeteilt wurden, die sich auf den Umfang seiner Verpflichtung auswirken könnten und ihm erlauben, die Gesamtkosten seines Kredits einzuschätzen. Die Finanzinstitute sind insoweit verpflichtet, Kreditnehmern Informationen zur Verfügung zu stellen, die ausreichen, um die Kreditnehmer in die Lage zu versetzen, umsichtige und besonnene Entscheidungen zu treffen. Somit müssen diese Informationen nicht nur die Möglichkeit einer Auf- oder Abwertung der Kreditwährung umfassen, sondern auch die Auswirkungen von Kursschwankungen und der Erhöhung des Zinssatzes der Kreditwährung auf die Ratenzahlungen.

So muss zum der Kreditnehmer klar darüber informiert werden, dass er sich durch den Abschluss eines auf eine ausländische Währung lautenden Kreditvertrags einem Wechselkursrisiko aussetzt, das er im Fall einer Abwertung der Währung, in der er sein Einkommen erhält, eventuell schwer wird tragen können. Darüber hinaus muss das Kreditinstitut die möglichen Änderungen der Wechselkurse und die Risiken des Abschlusses eines Fremdwährungskredits insbesondere dann darlegen, wenn der den Kredit aufnehmende Verbraucher sein Einkommen nicht in dieser Währung erhält.

Im Übrigen hat der nationale Richter in dem Fall, dass das Kreditinstitut seinen Pflichten nicht nachgekommen ist und die Missbräuchlichkeit der streitigen Klausel folglich geprüft werden kann, zum einen die mögliche Missachtung des Gebots von Treu und Glauben durch die Bank, zum anderen das Vorliegen eines erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses zwischen den Vertragsparteien zu bewerten. Für diese Bewertung ist auf den Zeitpunkt des Abschlusses des betreffenden Vertrags abzustellen. Dabei sind u. a. die Expertise und die Fachkenntnisse der Bank zu den möglichen Wechselkursschwankungen und den mit der Aufnahme eines Fremdwährungskredits verbundenen Risiken zu berücksichtigen. Hierzu weist der Gerichtshof darauf hin, dass eine Vertragsklausel ein Missverhältnis zwischen den Parteien bewirken kann, das sich erst im Laufe der Vertragserfüllung herausstellt.

Linkhinweis:

Für die auf den Webseiten des EuGH veröffentlichte Pressemitteilung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 103 vom 20.9.2017
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