Bargeschäft: Schädigendes Verhalten des Schuldners gegenüber den übrigen Gläubigern
BGH v. 5.12.2024 - IX ZR 122/23Der Kläger ist Verwalter in dem am 1.11.2019 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. GmbH & Co. KG (Schuldnerin). Der Beklagte ist einer von drei Kommanditisten der Schuldnerin mit einer Einlage von jeweils 500 €. Die Schuldnerin war als Dienstleisterin für Bauvorhaben ausführende Projektgesellschaften tätig. Sie arbeitete von Anfang an nicht rentabel. Die fälligen Verbindlichkeiten überstiegen jeweils die liquiden Mittel. Der Beklagte übernahm aufgrund einer Vereinbarung mit der Schuldnerin seit Beginn des Jahres 2017 die gesamte Bauleitung und Baubetreuung für die von der Schuldnerin zu betreuenden Bauvorhaben. Die Leistungen wurden im auf die Leistungserbringung folgenden Monat abgerechnet und bezahlt.
Am 31.1.2019 stellte die H. GmbH & Co. KG (H) der Schuldnerin eine Rechnung für Materiallieferungen, die sich unter Berücksichtigung von Abschlagszahlungen auf eine Restforderung von rd. 42.000 € belief, sowie eine weitere Rechnung über rd. 2.300 €. H mahnte die Forderungen wiederholt an und kündigte mit Schreiben vom 17.5.2019 die Erhebung einer Zahlungsklage an. Mit Schreiben vom 29.5.2019 wies der Geschäftsführer der Schuldnerin die Gesellschafter, darunter den Beklagten, darauf hin, dass es wegen Verzögerungen im Baufortschritt umfassender Vereinbarungen der Schuldnerin und ihrer Projektgesellschaften mit allen Gläubigern der Gesellschaften hinsichtlich der Bestandsverbindlichkeiten sowie hinsichtlich der Sicherstellung der Liquidität der Gesellschaften bedürfe. Für die Schuldnerin bestehe ein kurzfristiger Liquiditätsbedarf von 600.000 €, darunter 275.000 € zur quotalen Bedienung von Bestandsverbindlichkeiten, der voraussichtlich nicht durch Zuflüsse aus Bauvorhaben gedeckt sein werde. Die Kommanditisten wurden aufgefordert, bis spätestens 11.7.2019 jeweils 200.000 € einzuzahlen, um einen geordneten Geschäftsbetrieb gewährleisten zu können. Bis zur Bereitstellung der Liquidität bzw. zur Gesellschafterversammlung am 11.7.2019 würden weder Zahlungen an einzelne Gläubiger geleistet noch neue Verbindlichkeiten begründet. Der Beklagte entsprach der Zahlungsaufforderung nicht.
Der Beklagte stellte der Schuldnerin für die von ihm im Monat April 2019 erbrachten Leistungen am 3.5.2019 insgesamt rd. 31.000 € und für die im Monat Mai 2019 erbrachten Leistungen am 4.6.2019 weitere rd. 32.000 € in Rechnung. Die Schuldnerin nahm - entgegen ihrer Ankündigung - am 31.5.2019 und am 21.6.2019 Zahlungen von rd. 128.000 € und rd. 61.000 € vor, mit denen sie u.a. die beiden Rechnungen des Beklagten vollständig bezahlte. Zudem zahlte die Schuldnerin am 12.6.2019 an H auf deren erste Rechnung 20.000 €; die zweite Rechnung beglich sie vollständig. Zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags standen von den Forderungen der H noch rd. 25.000 € offen. Der Kläger begehrt - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - im Wege der Anfechtung Erstattung der beiden Zahlungen an den Beklagten. Er behauptet, die Schuldnerin sei spätestens im März 2019 zahlungsunfähig gewesen und habe mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt, welchen der Beklagte gekannt habe. Die Zahlungen seien wegen der dauerhaft unrentablen Wirtschaftsweise der Schuldnerin anfechtbar. Der Kläger ist weiter der Ansicht, dass die Zahlungen an den Beklagten unlauter gewesen seien. Dies sei dem Beklagten bekannt gewesen.
Das LG gab der Klage bis auf einen geringen Teil der Nebenforderungen statt. Auf die Berufung des Beklagten wies das OLG die Klage hinsichtlich der Zahlungen vom 31.5.2019 und vom 21.6.2019 ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das OLG hat zutreffend angenommen, dass eine Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO ausscheidet, weil es sich um ein Bargeschäft gem. § 142 Abs. 1 InsO handelt.
Das OLG verneint rechtsfehlerfrei eine Anfechtung des Bargeschäfts nach § 133 Abs. 1 InsO. Zwar hat die Schuldnerin die Zahlungen mit dem dem Beklagten bekannten Vorsatz, ihre Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen. Hiergegen erheben die Parteien keine Einwände. Es fehlt jedoch an der nach § 142 Abs. 1 InsO für eine Anfechtung eines Bargeschäfts nach § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen Unlauterkeit des schuldnerischen Handelns.
Gem. § 142 Abs. 1 InsO ist ein Bargeschäft nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 bis 3 InsO gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte. In der Literatur ist umstritten, unter welchen Voraussetzungen ein unlauteres Handeln des Schuldners anzunehmen ist. Einigkeit besteht nur insoweit, dass Handlungen, die einer gezielten Benachteiligung von Gläubigern dienen, unlauter sind (z.B. Vermögensverschleuderung für flüchtige Luxusgüter ohne Nutzen für die Gläubiger oder Abstoßung von notwendigem Betriebsvermögen, um den Gegenwert den Gläubigern zu entziehen). Umstritten ist, ob unterhalb dieser Schwelle Unlauterkeit zu bejahen ist.
Teilweise wird die Auffassung vertreten, das neue Tatbestandsmerkmal habe gegenüber der früheren Rechtslage keine sachliche Änderung mit sich gebracht. Andere nehmen Unlauterkeit nur an, wenn der Schuldner hinsichtlich des Benachteiligungsvorsatzes mit dolus directus - und nicht nur mit dolus eventualis - handelt. Wieder andere bejahen Unlauterkeit, wenn Schuldner und Empfänger wissen, dass die Zahlung zu einer Insolvenzverschleppung führt und dadurch andere Gläubiger Quotennachteile erleiden.
Richtigerweise handelt der Schuldner bei einem Bargeschäft dann unlauter, wenn es sich weniger um die Abwicklung von Bargeschäften handelt als vielmehr um ein die übrigen Gläubiger gezielt schädigendes Verhalten. Dies kommt in Betracht, wenn zusätzlich zu den Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO das Bargeschäft zu einer gezielten Benachteiligung anderer Gläubiger führt oder dazu genutzt wird, den Empfänger gegenüber anderen Gläubigern gezielt zu bevorzugen.
Unlauteres Handeln liegt nicht schon deshalb vor, wenn der Schuldner, der zur Fortführung des Geschäftsbetriebs erforderliche Geschäfte tätigt, positiv erkennt, dass die Betriebsfortführung dauerhaft verlustträchtig ist. Der Gesetzgeber will einer Gesellschaft in der Krise die weitere Teilnahme am Rechtsverkehr ermöglichen. Die Geschäftspartner sind hierzu aber nur bereit, wenn die Leistung des Schuldners anfechtungsfest ist. Daher kommt der bloßen Fortsetzung eines verlustträchtigen Betriebs ohne Hinzutreten weiterer Umstände kein über eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung hinausgehender Unwertgehalt zu.
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Thole in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 11. Aufl. 2023
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