Beabsichtigte Übernahme der ProSiebenSAT.1 Media AG durch Axel Springer AG war medienrechtlich unbedenklich
BVerwG 29.1.2014, 6 C 2.13Jede geplante Veränderung von Beteiligungsverhältnissen an einem Fernsehveranstalter muss durch die zuständige Landesmedienanstalt als unbedenklich bestätigt werden. Die Bestätigung darf nicht erteilt werden, wenn das Unternehmen durch die Veränderung der Beteiligungsverhältnisse eine vorherrschende Meinungsmacht erlangt. Erreichen die einem Unternehmen zurechenbaren Programme im Durchschnitt einen Zuschaueranteil von 30 Prozent, so wird nach dem Rundfunkstaatsvertrag vermutet, dass vorherrschende Meinungsmacht gegeben ist.
Gleiches gilt bei Erreichen eines Zuschaueranteils von 25 Prozent, sofern das Unternehmen auf einem medienrelevanten verwandten Markt eine marktbeherrschende Stellung hat oder eine Gesamtbeurteilung seiner Aktivitäten im Fernsehen und auf medienrelevanten verwandten Märkten ergibt, dass der dadurch erzielte Meinungseinfluss dem eines Unternehmens mit einem Zuschaueranteil von 30 Prozent im Fernsehen entspricht. Bei der Berechnung des maßgeblichen Zuschaueranteils sind vom tatsächlichen Zuschaueranteil bis zu 5 Prozentpunkte abzuziehen, wenn in einem Vollprogramm sog. Fensterprogramme zur aktuellen und authentischen Darstellung der Ereignisse des politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens in dem jeweiligen Land oder Sendezeiten für Dritte aufgenommen sind.
Für die (abschließende) Prüfung der Frage, ob die Veränderung von Beteiligungsverhältnissen als unbedenklich bestätigt werden kann, ist die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) zuständig.
Der Sachverhalt:
Die klagende Axel Springer AG beabsichtigte, sämtliche von einer Holding gehaltenen Anteile an der ProSiebenSAT.1 Media AG zu übernehmen und für im Streubesitz befindliche stimmrechtslose Vorzugsaktien ein öffentliches Übernahmeangebot abzugeben. Die ProSiebenSAT.1 Media AG war ihrerseits Alleingesellschafterin von fünf Rundfunkveranstaltern (SAT 1, ProSieben, Kabel 1, 9Live, und N24). Die Klägerin zeigte im August 2005 gemeinsam mit betroffenen Fernsehveranstaltern bei der beklagten Bayerischen Landeszentrale für neue Medien und bei der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) die geplante Beteiligungsveränderung an.
Die KEK fasste im Januar 2006 den Beschluss, dass die geplante Veränderung der Beteiligungsverhältnisse nicht als unbedenklich bestätigt werden könne, weil sie angesichts der Stellung der Klägerin auf medienrelevanten verwandten Märkten, insbes. ihrer starken Position im Pressebereich, eine vorherrschende Meinungsmacht begründen würde, die derjenigen eines Fernsehveranstalters mit einem Zuschaueranteil von 42 Prozent entspräche. Nachdem sich die beabsichtigte Übernahme zerschlagen hatte und die Anteile inzwischen an ein anderes Unternehmen veräußert worden waren, beantragte die Klägerin in dem von ihr anhängig gemachten verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur noch die Feststellung, dass die Verweigerung der medienrechtlichen Unbedenklichkeitsbestätigung rechtswidrig gewesen ist.
Der VGH München gab der Klage statt. Vorherrschende Meinungsmacht dürfe nicht nur bei Vorliegen der im Rundfunkstaatsvertrag geregelten Vermutungstatbestände angenommen werden, es sei insbes. nicht zwingend erforderlich, dass die dort genannten Schwellenwerte für den Zuschaueranteil erreicht würden. Die Vorschrift enthalte vielmehr Regelbeispiele, die es nicht ausschlössen, bei Vorliegen gewichtiger Gründe eine vorherrschende Meinungsmacht auch dann anzunehmen, wenn die Schwellenwerte nicht ganz erreicht würden.
Der VGH ging von einem tatsächlichen Zuschaueranteil von 22,06 Prozent der Sendergruppe aus und nahm an, damit sei der Schwellenwert von 25 Prozent für eine zu vermutende vorherrschende Meinungsmacht um mehr als 10 Prozent und daher so deutlich verfehlt, dass die Aktivitäten der Klägerin auf anderen medienrelevanten Märkten nicht geeignet seien, gleichwohl eine vorherrschende Meinungsmacht anzunehmen. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BVerwG keinen Erfolg.
Die Gründe:
Soweit die Veränderung der Beteiligung an einem Fernsehveranstalter der Bestätigung medienrechtlicher Unbedenklichkeit bedarf, geht es nach den Vorstellungen des Gesetzgebers, wie sie in den Vermutungsregeln des Rundfunkstaatsvertrages ihren Ausdruck gefunden haben, um die Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht auf dem Fernsehmarkt.
Eine starke Stellung auf dem Fernsehmarkt, wie sie nach der Wertung des Gesetzgebers in entsprechenden Zuschaueranteilen ihren Ausdruck findet, kann zwar durch eine ebenfalls starke Stellung des Anteilsinhabers auf medienrelevanten verwandten Märkten verstärkt werden. Je weiter der Schwellenwert von 25 Prozent Zuschaueranteil unterschritten wird, desto mehr entfernt sich die Rechtsanwendung von den Wertungen, die der Gesetzgeber in den Vermutungsregeln zum Ausdruck gebracht hat, und desto stärker gerät die Prüfung der Unbedenklichkeit zu einer allgemeinen, statt spezifisch fernsehbezogenen Medienkonzentrationskontrolle.
Hier lag im Zeitpunkt der Entscheidung der KEK der Zuschaueranteil der von dem beabsichtigten Erwerb betroffenen Fernsehveranstalter unter 20 Prozent, weil von dem tatsächlichen Zuschaueranteil von 22,06 Prozent weitere fünf Prozentpunkte für sog. Fensterprogramme und Sendezeiten Dritter abzuziehen sind. Jedenfalls dann, wenn der Schwellenwert von 25 Prozent so deutlich unterschritten wird, kann eine vorherrschende Meinungsmacht im Fernsehen auch unter Einbeziehung von Aktivitäten auf medienrelevanten verwandten Märkten grundsätzlich nicht mehr angenommen werden.
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