22.03.2024

Befugnis zur Urteilsbekanntmachung nach § 19c MarkenG

Die Vorschrift des § 19c Satz 1 MarkenG gewährt der obsiegenden Partei nicht nur bei Unterlassungsklagen, sondern auch bei Klagen auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung einen Anspruch auf Urteilsbekanntmachung. Der Begriff des "berechtigten Interesses" gem. § 19c Satz 1 MarkenG ist unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass die der obsiegenden Partei zu Gebote stehende Befugnis zur Urteilsbekanntmachung unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit steht.

BGH v. 22.2.2024 - I ZR 217/22
Der Sachverhalt:
Die in Frankreich ansässige Klägerin verfügt seit dem Jahr 2001 über eine ausschließliche Lizenz an der 2007 angemeldeten und 2008 eingetragenen Unionswortmarke Nr. 005875554 PIERRE CARDIN, die für Waren der Klasse 25, darunter Bekleidung und Socken, Schutz beansprucht. Die Klägerin ist seit Juli 2015 als exklusive Lizenznehmerin im Register eingetragen. Inhaber der Klagemarke war bis zu seinem Tod der Modeschöpfer Pierre Cardin. Er hat der Klägerin die mit der Klage geltend gemachten markenrechtlichen Ansprüche abgetreten und ihrer klageweisen Geltendmachung zugestimmt. Die Beklagte betreibt rd. 300 Kaufhausfilialen. Die Klägerin ließ im September 2013, im August 2014 und im März 2016 in den Filialen der Beklagten Testkäufe von Socken mit der Kennzeichnung PIERRE CARDIN durchführen. Wegen des im Jahr 2013 durchgeführten Testkaufs mahnte die Klägerin die Beklagte im Dezember 2016 anwaltlich ab, die daraufhin eine Unterlassungserklärung abgab. Die Markeninhaberin reichte bezogen auf den Erwerbsvorgang von 2013 einen Güteantrag bei einer Streitbeilegungsstelle ein, der dort im Februar 2017 einging. Diese teilte im Dezember 2018 das Scheitern des Schlichtungsverfahrens mit.

Die Klägerin macht mit ihrer Klage geltend, es handele sich bei den von der Beklagten verkauften Socken um Ware, hinsichtlich derer das Recht aus der Klagemarke nicht erschöpft gewesen sei. Die Beklagte trat dem entgegen. Die Klägerin beantragte, die Beklagte zu verurteilen, Auskunft unter Rechnungslegung zu erteilen, u.a. über die Herkunft und den Vertriebsweg der Socken (Klageantrag I), alle in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen Socken mit der Kennzeichnung PIERRE CARDIN, die nicht mit Zustimmung des Markeninhabers oder der Klägerin in Verkehr gebracht worden sind, zur Vernichtung herauszugeben (Klageantrag II), Socken, die mit der Kennzeichnung PIERRE CARDIN versehen sind und nicht mit Zustimmung des Markeninhabers oder der Klägerin in den Verkehr gebracht worden sind, aus den Vertriebswegen zurückzurufen sowie aus den Vertriebswegen zu entfernen (Klageantrag III) und die Schadensersatzpflicht der Beklagten festzustellen (Klageantrag IV und Hilfsantrag V).

Außerdem beantragte die Klägerin mit dem Klageantrag VI, ihr die Befugnis zuzusprechen, das Urteil auf Kosten der Beklagten bekannt zu machen, indem die Bezeichnung der Parteien und der Tenor sowie der zusammenfassend erläuternde Hinweis, dass die Beklagte mit der Benutzung des Kennzeichens PIERRE CARDIN für Socken die Markenrechte des Markeninhabers und der Klägerin verletzt hat, in einer halbseitigen Anzeige in der Fachzeitschrift "TextilWirtschaft" und/oder weiteren Medien veröffentlicht werden.

Das LG gab der Klage teilweise statt und wies sie im Übrigen ab. Auf die Berufungen beider Parteien änderte das OLG das Urteil des LG ab. Es verurteilte die Beklagte zu näher bezeichneter Auskunft und Rechnungslegung, stellte ihre Schadensersatzpflicht fest und wies die Klage im Übrigen ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Urteil des OLG insoweit auf, als hinsichtlich des mit dem Klageantrag VI geltend gemachten Antrags auf Urteilsbekanntmachung zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist, und verwies die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden, soweit die Klägerin beantragt, ihr die Befugnis zuzusprechen, das der Klage stattgebende Urteil auf Kosten der Beklagten bekannt zu machen.

Die Klägerin hat Klage auf der Grundlage des MarkenG erhoben und im vorliegenden Rechtsstreit gegen die Beklagte ein - teilweise - obsiegendes Urteil erstritten. Die zu veröffentlichende Entscheidung muss nach dem Wortlaut des § 19c MarkenG ein obsiegendes Urteil sein. Eine solche Entscheidung liegt zugunsten der Klägerin mit dem Berufungsurteil vor. Dieses Urteil ist nach einer aufgrund des MarkenG erhobenen Klage ergangen.

Da die Vorschrift des § 19c Satz 1 MarkenG - anders als § 12 Abs. 2 Satz 1 und 2 UWG - nicht nur von einer Klage auf Unterlassung spricht, ist sie auch auf die vorliegend erhobene Klage auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung anwendbar. Die Klage ist auch aufgrund des MarkenG erhoben. Der deutsche Gesetzgeber hat in § 19c Satz 1 MarkenG - in ausdrücklicher Anlehnung an § 12 Abs. 3 UWG a.F. (jetzt § 12 Abs. 2 UWG) ebenso wie in § 140e Satz 1 PatG, § 24e Satz 1 GebrMG, § 47 Abs. 1 Satz 1 GeschmMG (jetzt DesignG), § 37e Satz 1 SortSchG und § 103 Satz 1 UrhG - die Urteilsbekanntmachung von einem berechtigten Interesse der obsiegenden Partei abhängig gemacht.

Das OLG hat im Ausgangspunkt mit Recht angenommen, dass der Begriff des "berechtigten Interesses" gem. § 19c Satz 1 MarkenG unionsrechtskonform dahin auszulegen ist, dass die der obsiegenden Partei zu Gebote stehende Befugnis zur Urteilsbekanntmachung unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit steht. In die Verhältnismäßigkeitsprüfung ist der Zeitablauf seit den markenrechtsverletzenden Handlungen einzustellen, weil Zweck der Urteilsbekanntmachung auch die Beseitigung fortwirkender Störungen ist. Hierfür ist auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen Daneben sind weitere Umstände zu berücksichtigen wie die durch den Vertrieb markenrechtsverletzender Ware verursachte Marktverwirrung, Art und Umfang der Verletzung, die öffentlichkeitswirksame Werbung für markenrechtsverletzende Produkte, die Art des Vertriebs, die Bekanntheit der Marke und der Grad des Verschuldens des Verletzers.

Schließlich hat das OLG nicht berücksichtigt, dass bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der begehrten Urteilsbekanntmachung gem. § 19c Satz 1 MarkenG nicht allein auf die Interessen der Parteien des Rechtsstreits abzustellen ist. Nach Erwägungsgrund 27 der Richtlinie 2004/48/EG sollten die Entscheidungen in Verfahren wegen Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums veröffentlicht werden, um künftige Verletzer abzuschrecken und zur Sensibilisierung der breiten Öffentlichkeit beizutragen. Deshalb sind im Rahmen einer unionsrechtskonformen Anwendung von § 19c MarkenG generalpräventive Aspekte in die Verhältnismäßigkeitsprüfung einzubeziehen.

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