Behörden dürfen vor - nicht gesundheitsschädlichen - ungenießbaren Lebensmitteln warnen
EuGH 11.4.2013, C-636/11Am 16. und 18.1.2006 führte das Veterinäramt Passau amtliche Kontrollen in mehreren Betriebsstätten des auf dem Gebiet der Verarbeitung und des Vertriebs von Wildfleisch tätigen Unternehmens Berger Wild GmbH durch. Die durchgeführten Analysen ergaben, dass die fraglichen Lebensmittel für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet waren. Die bayerischen Behörden teilten dem Unternehmen mit, dass sie beabsichtigten, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, wenn nicht das Unternehmen selbst dies effektiv und rechtzeitig tue.
Das Unternehmen widersprach dem, weil es der Ansicht war, dass bei den Lebensmitteln sensorische Abweichungen auftreten könnten, sie aber keine Gesundheitsgefahr darstellten. Es bot an, eine "Produktwarnung" herauszugeben, in der seine Kunden gebeten würden, die betroffenen Produkte an den üblichen Verkaufsstellen umzutauschen. In drei Pressemitteilungen vom 24., 25. und 27.1.2006 informierte der Verbraucherschutzminister des Freistaats Bayern über den Rückruf der fraglichen Produkte. Er gab bekannt, dass die Untersuchungen ergeben hätten, dass genommene Proben ranzig, stickig, muffig oder sauer gerochen hätten und in manchen Fällen der Fäulnisprozess bereits eingesetzt habe.
Weiter teilte er mit, dass dem Unternehmen, da in bestimmten Betriebsstätten ekelerregende hygienische Zustände vorgefunden worden seien, vorübergehend verboten worden sei, die in diesen Betriebsstätten hergestellten oder behandelten Produkte in den Verkehr zu bringen. In einer Rede vor dem Bayerischen Landtag am 31.1.2006 erklärte der bayerische Verbraucherschutzminister, dass die Berger Wild GmbH am selben Tag Insolvenz angemeldet habe und keine Ware mehr vertreiben könne, so dass eine Gesundheitsgefährdung durch neu in den Verkehr gebrachte Produkte auszuschließen sei.
Berger Wild sah sich durch die Pressemitteilungen der Behörden des Freistaat Bayerns massiv geschädigt und reichte Schadensersatzklage gegen den Freistaat Bayern ein. Das LG setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vor. Das LG möchte insbes. wissen, ob das Unionsrecht der deutschen Regelung entgegensteht, nach der die Behörden die betreffenden Informationen bekanntgeben konnten.
Die Gründe:
Das Unionsrecht steht einer nationalen Regelung wie der in Rede stehenden deutschen Regelung nicht entgegen, nach der eine Information der Öffentlichkeit über nicht gesundheitsschädliche, aber für den Verzehr durch den Menschen ungeeignete Lebensmittel unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels und des Unternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht wurde, zulässig ist. Zu beachten sind dabei die Anforderungen der Geheimhaltungspflicht.
Ein Lebensmittel, das für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet ist, gilt nach der Verordnung über die Lebensmittelsicherheit als "nicht sicher". Auch wenn ein Lebensmittel nicht gesundheitsschädlich ist, genügt es nämlich, soweit es als für den Verzehr durch den Menschen inakzeptabel anzusehen ist, gleichwohl nicht den Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit gemäß dieser Verordnung. Ein solches für den Verzehr durch den Menschen ungeeignetes Lebensmittel kann daher die Verbraucherinteressen beeinträchtigen, deren Schutz zu den Zielen gehört, die mit dem Lebensmittelrecht verfolgt werden. Die nationalen Behörden können daher die Verbraucher darüber informieren, wobei die Anforderungen an die Geheimhaltung zu beachten sind.
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