Bei Altverfahren ist zwölf Jahre nach Insolvenzeröffnung über den Antrag auf Restschuldbefreiung zu entscheiden
BGH 18.7.2013, IX ZB 11/13Der Schuldner hatte im Februar 1999 das Insolvenzverfahren über sein Vermögen und die Gewährung einer Restschuldbefreiung beantragt. Das Insolvenzgericht eröffnete durch Beschluss aus März 1999 das Insolvenzverfahren und bestellte einen Insolvenzverwalter. Das Insolvenzverfahren dauert noch an.
Im Oktober 2010 hatte der Schuldner beantragt, ihm vorzeitig die Restschuldbefreiung zu erteilen. Diesen lehnte das Insolvenzgericht ab. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hob das LG den Beschluss auf und forderte weitere Ermittlungen ein. Nach deren Durchführung lehnte das Insolvenzgericht im November 2011 den schuldnerischen Antrag erneut ab. Auch gegen diesen Beschluss legte der Schuldner sofortige Beschwerde ein. Das LG wies das Rechtsmittel zurück. Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners hob der BGH den Beschluss auf und wies die Sache zur erneuten Entscheidung an das LG zurück.
Gründe:
Es ist fast 12 Jahre nach Einführung des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 2001 geboten, die Schuldner, über deren Vermögen vor dem 1.12.2001 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, unabhängig vom Verfahrensstand vorzeitig in den Genuss der Restschuldbefreiung kommen zu lassen. Art. 103a EGInsO ist im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG verfassungskonform dahin auszulegen, dass diesen Schuldnern gem. § 300 InsO in entsprechender Anwendung der BGH-Rechtsprechung vom 3.12.2009 (Az.: IX ZB 247/08), 16.2.2012 (IX ZB 209/11), 11.10.2012 (IX ZB 230/09) und 11.4.2013 (IX ZB 94/12) die Restschuldbefreiung zu erteilen ist, unabhängig davon, ob das vor dem 1.12.2001 eröffnete Insolvenzverfahren noch läuft oder der Schuldner sich zwischenzeitlich in der Wohlverhaltensperiode befindet.
Für den Gesetzgeber lag es außerhalb jeder Vorstellung, dass ein Insolvenzverfahren sich - wie vorliegend - über vierzehn Jahre hinziehen kann. Die Änderung des § 287 Abs. 2 InsO wurde 2001 erst durch den Rechtsausschuss des Bundestages vorgeschlagen. Erklärtes Ziel war die Verkürzung der Wohlverhaltensperiode, weil ein durchschnittlicher Schuldner nicht in der Lage sei, über einen so erheblichen Zeitraum sein Leben an den Pfändungsfreigrenzen auszurichten. Mit der Festlegung des Beginns der Laufzeit der Abtretung auf die Verfahrenseröffnung sollte die für den Schuldner unbefriedigende Situation beseitigt werden, dass sich in Einzelfällen das Insolvenzverfahren über einen Zeitraum von "zwei" Jahren erstreckte, ohne dass nennenswerte Vermögenswerte des Schuldners feststellbar wären oder er für diese Verfahrensverzögerung verantwortlich wäre.
Es kann auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten fortan nicht mehr hingenommen werden, dass Schuldner in Altverfahren erst nach mehr als 12 Jahren die Restschuldbefreiung erreichen und über diese lange Zeit alles, was sie oberhalb der Pfändungsfreibeträge erwirtschaften, an den Insolvenzverwalter oder Treuhänder abgeben müssen. Somit ist einem Altschuldner fortan 12 Jahre nach Insolvenzeröffnung gemäß § 300 InsO nach Anhörung der Insolvenzgläubiger, des Insolvenzverwalters oder des Treuhänders und des Schuldners die Restschuldbefreiung zu erteilen, sofern - sollte das Insolvenzverfahren noch nicht aufgehoben oder eingestellt sein - ihm die Restschuldbefreiung nicht nach § 290 InsO oder - sollte er sich bereits in der Wohlverhaltensperiode befinden - nach §§ 295 ff InsO zu versagen ist.
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