Bei Barabhebung am Geldautomaten der kontoführenden Bank ist für das Vorliegen einer Verfügung i.S.v. § 850k Abs. 1 ZPO der Zeitpunkt der Abhebung maßgeblich
BGH 17.10.2017, XI ZR 419/15Die Klägerin nimmt die beklagte Sparkasse auf Auszahlung, hilfsweise auf Wiedergutschrift eines von ihrem Girokonto abgebuchten Betrags in Anspruch. Die Klägerin unterhielt im Jahr 2014 bei der Beklagten ein Girokonto in Form eines Pfändungsschutzkontos i.S.d. § 850k ZPO. Darüber hinaus hatte die Beklagte der Klägerin eine Bankkarte ausgegeben. Da das Girokonto der Klägerin Ende April 2014 noch ein Guthaben von 355,74 € aufwies, wurde dieses Guthaben gem. § 850k Abs. 1 S. 3 ZPO in den Monat Mai 2014 übertragen. Im Verlauf des Monats Mai 2014 tätigte die Klägerin zunächst nur Verfügungen i.H.v. insgesamt 239,69 €, während ihrem Konto Zahlungseingänge i.H.v. insgesamt 832,06 € gutgeschrieben wurden.
Am 31.5.Mai 2014, einem Samstag, hob die Klägerin mittels ihrer Bankkarte an einem Geldautomaten der Beklagten 500 € von ihrem Girokonto ab. Der später erstellte Kontoauszug wies eine Wertstellung dieser Barabhebung für Samstag, den 31.5.2014, 11.57 Uhr aus. Unter dem 11.6.2014 überwies die Beklagte vom Konto der Klägerin einen Betrag i.H.v. 116,05 € (= 355,74 € abzgl. 239,69 €) an einen pfändenden Gläubiger der Klägerin. Die Klägerin forderte die Beklagte nachfolgend erfolglos zur Rückgewähr des Betrages auf.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage Zahlung von 116,05 € nebst Verzugszinsen, hilfsweise die Korrektur des Saldos ihres Girokontos um diesen Betrag, sowie die Zahlung nicht anrechenbarer vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Rechtshängigkeitszinsen. Sie meint, im Rahmen von § 850k Abs. 1 S. 1 und 3 ZPO sei die Wertstellung maßgeblich, so dass sie noch im Mai über den streitigen Betrag verfügt habe. Die Beklagte beruft sich demgegenüber darauf, dass der am Samstag erteilte Zahlungsauftrag der Klägerin gem. § 675n Abs. 1 S. 2 BGB erst am Montag, dem 2.6.2014, dem nächsten Bankgeschäftstag, wirksam geworden und auch erst an diesem Tag bei der Beklagten gebucht worden sei.
Das AG wies die Klage ab. Das LG gab ihr teilweise statt und verurteilte die Beklagte zur Wiedergutschrift von 116,05 € auf dem Girokonto der Klägerin sowie zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.Hv. 48,73 € nebst Rechtshängigkeitszinsen; im Übrigen wies es die Klage ab. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das LG hat im Ergebnis zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Wiedergutschrift des ihrem Konto am 11.6.2014 belasteten Betrags bejaht.
Im Fall eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs, der zur Belastung des Zahlungskontos des Zahlers geführt hat, ist der Zahlungsdienstleister aber nach § 675u Satz 1 und 2 Halbsatz 2 BGB verpflichtet, das Zahlungskonto wie-der auf den Stand zu bringen, auf dem es sich ohne die Belastung durch den nicht autorisierten Zahlungsvorgang befunden hätte. Der Anspruch der Klägerin aus § 675u Satz 2 BGB ist nicht gemäß § 676c Nr. 2 BGB ausgeschlossen. Diese Vorschrift erfasst die Auskehr von gepfändetem Guthaben an einen Pfändungsgläubiger Vorliegend war der überwiesene Betrag aber nicht gemäß § 850k Abs. 1 ZPO von der Pfändung durch den Gläubiger erfasst.
Das Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto ist gem. § 850k Abs. 1 S. 1 ZPO in der Weise geschützt, dass der Schuldner jeweils bis zum Ende des Kalendermonats über Guthaben in Höhe des mtl. Freibetrags verfügen kann und das Guthaben insoweit nicht von der Pfändung erfasst wird. Soweit der Schuldner in dem betreffenden Kalendermonat nicht über Guthaben in Höhe des mtl. Freibetrags verfügt hat, wird dieses Guthaben nach § 850k Abs. 1 S. 3 ZPO im folgenden Kalendermonat zusätzlich zu dem (neu) geschützten Guthaben für diesen Kalendermonat nicht von der Pfändung erfasst. Wird ein übertragenes Guthaben allerdings auch im Folgemonat nicht verbraucht, gebührt es dem Gläubiger. Vorliegend hat die Klägerin noch im Monat Mai vollständig über den aus dem Monat April übertragenen Betrag verfügt, indem sie am 31.5.2014 an einem Geldautomaten der Beklagten 500 € abgehoben hat.
Im Fall einer Barabhebung an einem Geldautomaten der kontoführenden Bank ist für das Vorliegen einer Verfügung i.S.v. § 850k Abs. 1 ZPO der Zeitpunkt der Abhebung des Geldes als solcher maßgeblich, auch wenn die Buchung auf dem Konto erst an einem nachfolgenden Tag erfolgt. Der Zahlungsauftrag (§ 675f Abs. 3 S. 2 BGB) der Klägerin, den diese mit der Eingabe des gewünschten Geldbetrags und der PIN an dem Geldautomaten erteilt hat, ist der Beklagten gem. § 675n Abs. 1 S. 1 BGB nicht erst am Montag, dem 2.6.2014, sondern schon am Samstag, dem 31.5.2014, zugegangen und damit schon an diesem Tag wirksam geworden. Die Regelung des § 675n Abs. 1 S. 2 BGB, nach der der Zahlungsauftrag als am darauf folgenden Geschäftstag zugegangen gilt, wenn der Zeitpunkt des Zugangs nicht auf einen Geschäftstag des Zahlungsdienstleisters des Zahlers fällt, ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Denn für die hier in Rede stehende Barabhebung an einem Geldautomaten des kontoführenden Kreditinstituts war der Samstag ein Geschäftstag der Beklagten.
Danach sind für die hier in Rede stehende Geldabhebung am Bankautomaten des kontoführenden Kreditinstituts alle Tage, an denen der jeweilige Bankautomat betrieben wird, Geschäftstage im Sinne von § 675n Abs. 1 S. 4 BGB, auch Samstage, Sonntage und Feiertage. Im Übrigen ist das LG auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin mit der am 31.5. getätigten Abhebung i.H.v. 500 € primär über den noch verbliebenen Restbetrag des aus dem Monat April übertragenen Guthabens (116,05 €) und nur in der diesen Betrag übersteigenden Höhe über das im Monat Mai neu eingegangene pfändungsfreie Guthaben verfügt hat. Verfügt der Inhaber eines Pfändungsschutzkontos nur über einen Teil seines auf diesem Konto vorhandenen pfändungsfreien Guthabens, das sich zusammensetzt aus im laufenden Monat gutgeschriebenen Beträgen und aus Guthaben aus dem Vormonat, das gem. § 850k Abs. 1 S. 3 ZPO nicht von der Pfändung erfasst wird, so ist diese Verfügung zunächst auf das Guthaben aus dem Vormonat anzurechnen.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.