Beihilfe? Unterstützungsmaßnahmen eines privatrechtlichen Bankenkonsortiums zugunsten eines Mitglieds des Konsortiums
EuGH, C-425/19 P: Schlussanträge des Generalanwalts vom 29.10.2020
Der Sachverhalt:
2013 bekundete die italienische Volksbank Bari (BPB), ihr Interesse an der Zeichnung einer Kapitalerhöhung für eine andere italienische Bank, die Banca Tercas, die seit 2012 infolge von Unregelmäßigkeiten, die die italienische Zentralbank festgestellt hat, unter Sonderverwaltung steht. Zu den von BPB für dieses Geschäft gestellten Bedingungen gehörte die Deckung des negativen Eigenkapitals von Tercas durch das italienische Einlagensicherungssystem (FITD) sowie die Durchführung eines Audits bei Tercas. Der FITD ist ein privatrechtliches auf Wechselseitigkeit beruhendes Konsortium zwischen Banken, das über die Möglichkeit verfügt, Maßnahmen zugunsten seiner Mitglieder zu ergreifen, und zwar nicht nur aufgrund der gesetzlichen Einlagensicherung im Fall einer Zwangsliquidation eines seiner Mitglieder (verpflichtende Maßnahme), sondern auch auf freiwilliger Basis gemäß seiner Satzung, wenn mit dieser Maßnahme die Lasten reduziert werden können, die sich aus der auf seinen Mitgliedern lastenden Einlagensicherung ergeben können.
2014 entschied der FITD, nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Maßnahme zugunsten von Tercas wirtschaftlich vorteilhafter war als die Entschädigung der Einleger dieser Bank, das negative Eigenkapital von Tercas zu decken und ihr bestimmte Garantien zu gewähren. Diese Maßnahmen wurden von der Zentralbank genehmigt. Die Kommission leitete eine eingehende Prüfung dieser Maßnahmen ein, weil sie Zweifel an ihrer Vereinbarkeit mit den Vorschriften der Union im Bereich staatlicher Beihilfen hatte. Im Dezember 2015 kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass die in Rede stehenden Maßnahmen eine staatliche Beihilfe Italiens zugunsten von Tercas darstellten. Italien, die BPB und der FITD, unterstützt durch die Zentralbank, erhoben beim EuG Klagen auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission.
Das EuG stellte fest, dass die Kommission zu Unrecht angenommen habe, dass die Maßnahmen zugunsten von Tercas den Einsatz staatlicher Mittel voraussetzten und dem Staat zurechenbar seien. Da diese Voraussetzungen nicht erfüllt seien, könnten die streitigen Maßnahmen nicht als staatliche Beihilfen eingestuft werden. Das EuG erklärte den Beschluss der Kommission daher für nichtig. Hiergegen legte die Kommission beim EuGH ein Rechtsmittel ein.
Generalanwalt Evgeni Tanchev spricht sich in seinen Schlussanträgen dafür aus, dass der EuGH das von der Kommission eingelegte Rechtsmittel zurückweisen sollte.
Die Gründe:
Das Vorbringen der Kommission, das EuG habe für den Nachweis, dass eine Beihilfemaßnahme dem Staat zuzurechnen sei, wenn sie von einer privaten Einrichtung und nicht von einem öffentlichen Unternehmen getroffen werde, einen höheren Beweismaßstab angelegt, überzeugt nicht. Das EuG hat nicht verlangt, dass die Kommission bei einer Beihilfemaßnahme einer privaten Einrichtung nachweist, dass die Maßnahme auf verbindliche Anweisung der Behörden erlassen worden ist. In Einklang mit der Rechtsprechung zu von öffentlichen Unternehmen gewährten Beihilfen hat das EuG es vielmehr genügen lassen, dass aus den Umständen des konkreten Falles abgeleitet wird, dass eine Beihilfemaßnahme von einer privaten Einrichtung unter dem Einfluss oder der Kontrolle der Behörden getroffen worden ist.
Entgegen dem Vorbringen der Kommission hat das EuG auch nicht angenommen, dass die Kommission für den Nachweis, dass eine Beihilfemaßnahme einer privaten Einrichtung dem Staat zuzurechnen ist, nachweisen muss, dass sich die Beteiligung der Behörden auf den Inhalt der Maßnahme ausgewirkt hat. Das EuG hat lediglich festgestellt, dass die Zentralbank nach den italienischen Rechtsvorschriften im Kontext der Genehmigung der streitigen Maßnahmen nicht die Befugnis hat, den Inhalt der Maßnahmen zu ändern. Das EuG hat auch nicht geprüft, ob sich die Teilnahme der Zentralbank an informellen Treffen vor dem Erlass der streitigen Maßnahmen auf den Inhalt der Maßnahmen ausgewirkt hat. Das EuG hat lediglich festgestellt, dass die Beteiligung der Zentralbank rein passiv war, da sie nur Informationszwecken gedient hat.
Auch das Vorbringen der Kommission, das EuG habe von der Kommission den Nachweis verlangt, dass die Behörden in der Lage gewesen seien, jede Phase des Verfahrens, das zum Erlass der streitigen Maßnahmen geführt habe, zu beeinflussen, greift nicht durch. Das Rechtsmittel der Kommission wäre auch dann zurückzuweisen, wenn der EuGH zu der Auffassung gelangen sollte, dass das EuG in Widerspruch zur Rechtsprechung einen höheren Beweismaßstab angelegt hat, weil es sich bei der Einrichtung, die die Beihilfe gewährt hat, um eine private Einrichtung gehandelt hat. Insbesondere im Hinblick auf die Rolle, die die italienische Zentralbank beim Erlass der streitigen Maßnahmen gespielt hat, erlauben es die von der Kommission angeführten Indizien nicht, die streitigen Maßnahmen dem Staat zuzurechnen.
Im Übrigen hat das EuG der Kommission entgegen deren Vorbringen in Fällen, in denen die zur Finanzierung der Maßnahme verwendeten Mittel von einer privaten Einrichtung und nicht von einem öffentlichen Unternehmen verwaltet werden, keinen höheren Beweismaßstab für den Nachweis auferlegt, dass eine Beihilfemaßnahme aus staatlichen Mitteln gewährt wird. Und auch das Vorbringen der Kommission, das EuG habe die Nachweise jeweils einzeln bewertet, ohne sie in ihrer Gesamtheit zu betrachten und ohne ihren weiter angelegten Kontext zu berücksichtigen, ist zurückzuweisen. Schließlich ist auch das Vorbringen der Kommission zurückweisen, das EuG habe das italienische Bankgesetz und die Satzung des FITD nicht richtig aufgefasst.
EuGH PM Nr. 135 vom 29.10.2020
2013 bekundete die italienische Volksbank Bari (BPB), ihr Interesse an der Zeichnung einer Kapitalerhöhung für eine andere italienische Bank, die Banca Tercas, die seit 2012 infolge von Unregelmäßigkeiten, die die italienische Zentralbank festgestellt hat, unter Sonderverwaltung steht. Zu den von BPB für dieses Geschäft gestellten Bedingungen gehörte die Deckung des negativen Eigenkapitals von Tercas durch das italienische Einlagensicherungssystem (FITD) sowie die Durchführung eines Audits bei Tercas. Der FITD ist ein privatrechtliches auf Wechselseitigkeit beruhendes Konsortium zwischen Banken, das über die Möglichkeit verfügt, Maßnahmen zugunsten seiner Mitglieder zu ergreifen, und zwar nicht nur aufgrund der gesetzlichen Einlagensicherung im Fall einer Zwangsliquidation eines seiner Mitglieder (verpflichtende Maßnahme), sondern auch auf freiwilliger Basis gemäß seiner Satzung, wenn mit dieser Maßnahme die Lasten reduziert werden können, die sich aus der auf seinen Mitgliedern lastenden Einlagensicherung ergeben können.
2014 entschied der FITD, nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Maßnahme zugunsten von Tercas wirtschaftlich vorteilhafter war als die Entschädigung der Einleger dieser Bank, das negative Eigenkapital von Tercas zu decken und ihr bestimmte Garantien zu gewähren. Diese Maßnahmen wurden von der Zentralbank genehmigt. Die Kommission leitete eine eingehende Prüfung dieser Maßnahmen ein, weil sie Zweifel an ihrer Vereinbarkeit mit den Vorschriften der Union im Bereich staatlicher Beihilfen hatte. Im Dezember 2015 kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass die in Rede stehenden Maßnahmen eine staatliche Beihilfe Italiens zugunsten von Tercas darstellten. Italien, die BPB und der FITD, unterstützt durch die Zentralbank, erhoben beim EuG Klagen auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission.
Das EuG stellte fest, dass die Kommission zu Unrecht angenommen habe, dass die Maßnahmen zugunsten von Tercas den Einsatz staatlicher Mittel voraussetzten und dem Staat zurechenbar seien. Da diese Voraussetzungen nicht erfüllt seien, könnten die streitigen Maßnahmen nicht als staatliche Beihilfen eingestuft werden. Das EuG erklärte den Beschluss der Kommission daher für nichtig. Hiergegen legte die Kommission beim EuGH ein Rechtsmittel ein.
Generalanwalt Evgeni Tanchev spricht sich in seinen Schlussanträgen dafür aus, dass der EuGH das von der Kommission eingelegte Rechtsmittel zurückweisen sollte.
Die Gründe:
Das Vorbringen der Kommission, das EuG habe für den Nachweis, dass eine Beihilfemaßnahme dem Staat zuzurechnen sei, wenn sie von einer privaten Einrichtung und nicht von einem öffentlichen Unternehmen getroffen werde, einen höheren Beweismaßstab angelegt, überzeugt nicht. Das EuG hat nicht verlangt, dass die Kommission bei einer Beihilfemaßnahme einer privaten Einrichtung nachweist, dass die Maßnahme auf verbindliche Anweisung der Behörden erlassen worden ist. In Einklang mit der Rechtsprechung zu von öffentlichen Unternehmen gewährten Beihilfen hat das EuG es vielmehr genügen lassen, dass aus den Umständen des konkreten Falles abgeleitet wird, dass eine Beihilfemaßnahme von einer privaten Einrichtung unter dem Einfluss oder der Kontrolle der Behörden getroffen worden ist.
Entgegen dem Vorbringen der Kommission hat das EuG auch nicht angenommen, dass die Kommission für den Nachweis, dass eine Beihilfemaßnahme einer privaten Einrichtung dem Staat zuzurechnen ist, nachweisen muss, dass sich die Beteiligung der Behörden auf den Inhalt der Maßnahme ausgewirkt hat. Das EuG hat lediglich festgestellt, dass die Zentralbank nach den italienischen Rechtsvorschriften im Kontext der Genehmigung der streitigen Maßnahmen nicht die Befugnis hat, den Inhalt der Maßnahmen zu ändern. Das EuG hat auch nicht geprüft, ob sich die Teilnahme der Zentralbank an informellen Treffen vor dem Erlass der streitigen Maßnahmen auf den Inhalt der Maßnahmen ausgewirkt hat. Das EuG hat lediglich festgestellt, dass die Beteiligung der Zentralbank rein passiv war, da sie nur Informationszwecken gedient hat.
Auch das Vorbringen der Kommission, das EuG habe von der Kommission den Nachweis verlangt, dass die Behörden in der Lage gewesen seien, jede Phase des Verfahrens, das zum Erlass der streitigen Maßnahmen geführt habe, zu beeinflussen, greift nicht durch. Das Rechtsmittel der Kommission wäre auch dann zurückzuweisen, wenn der EuGH zu der Auffassung gelangen sollte, dass das EuG in Widerspruch zur Rechtsprechung einen höheren Beweismaßstab angelegt hat, weil es sich bei der Einrichtung, die die Beihilfe gewährt hat, um eine private Einrichtung gehandelt hat. Insbesondere im Hinblick auf die Rolle, die die italienische Zentralbank beim Erlass der streitigen Maßnahmen gespielt hat, erlauben es die von der Kommission angeführten Indizien nicht, die streitigen Maßnahmen dem Staat zuzurechnen.
Im Übrigen hat das EuG der Kommission entgegen deren Vorbringen in Fällen, in denen die zur Finanzierung der Maßnahme verwendeten Mittel von einer privaten Einrichtung und nicht von einem öffentlichen Unternehmen verwaltet werden, keinen höheren Beweismaßstab für den Nachweis auferlegt, dass eine Beihilfemaßnahme aus staatlichen Mitteln gewährt wird. Und auch das Vorbringen der Kommission, das EuG habe die Nachweise jeweils einzeln bewertet, ohne sie in ihrer Gesamtheit zu betrachten und ohne ihren weiter angelegten Kontext zu berücksichtigen, ist zurückzuweisen. Schließlich ist auch das Vorbringen der Kommission zurückweisen, das EuG habe das italienische Bankgesetz und die Satzung des FITD nicht richtig aufgefasst.