21.07.2023

Besteht eine Mithaftung für den Autokredit des Ex-Partners?

Es widerspricht dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, wenn einer Bank bei Vertragsschluss die emotionale Verbundenheit einer Frau zu ihrem Freund bekannt ist, ebenso deren beengte finanzielle Verhältnisse, also die Tatsache, dass die Haftung die Frau finanziell ruinieren könnte, und die Bank den Kreditvertrag trotzdem abschließt.

OLG Oldenburg v. 29.6.2023 - 8 U 172/22
Der Sachverhalt:
Die Anfang 20-Jährige Beklagte verdiente als Verkäuferin in einer Bäckerei monatlich ca. 1.300 € netto. Sie hatte neben ihrem Freund einen Darlehensvertrag über rund 90.000 € mit einer monatlichen Rate von knapp über 1.000 € unterschrieben. Der Freund wollte mit dem Geld alte Kredite umschichten und ein Auto kaufen.

Zwei Jahre später kündigte die klagende Bank den Kreditvertrag, weil der Freund die Raten nicht mehr bedient hatte. Sie stellte die Restforderung von rund 50.000 € fällig. Weil sie von dem (inzwischen Ex-)Freund der Beklagten das Geld nicht erhielt, verklagte die Bank die Frau. Das LG gab der Zahlungsklage statt. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG die Entscheidung aufgehoben und die Klage der Bank abgewiesen.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung des Restbetrages i.H.v. 50.000 €.

Die war letztlich keine echte Darlehensnehmerin, sondern hatte lediglich eine Mithaftung übernommen. Es handelte sich insofern um eine einseitig belastende Vertragsabrede. Eine solche Abrede ist zwar grundsätzlich möglich, im konkreten Falle aber wegen der Gesamtkonstellation und der offensichtlichen, krassen finanziellen Überforderung der Beklagten sittenwidrig und damit nichtig.

Der Bank war bei Vertragsschluss die emotionale Verbundenheit der Frau zu ihrem Freund bekannt gewesen, ebenso deren beengte finanzielle Verhältnisse, also die Tatsache, dass die Haftung die Frau finanziell ruinieren konnte. Es widerspricht jedoch dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, wenn Banken ein solche Situation ausnutzen.

Die klagende Bank hat die sich daraus im konkreten Einzelfall ergebende Vermutung der Sittenwidrigkeit nicht widerlegen können. Insbesondere sprach es nicht gegen eine Sittenwidrigkeit, dass die junge Frau bei Vertragsschluss nichts von ihrer prekären Situation ahnte, weil sie irrtümlich geglaubt hatte, es ginge nur um 7.500 € für das Auto.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
Zum Anscheinsbeweis für grob fahrlässige Pflichtverletzung des Kreditkarteninhabers bei Bargeldabhebungen kurz nach Diebstahl der Karte
OLG Stuttgart vom 08.02.2023 - 9 U 200/22
ZIP 2023, 1120

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OLG Oldenburg - PM v. 20.7.2023
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