Besteht zwischen Fluggastrechteportalen und von deren Angeboten erfassten Fluggesellschaften ein konkretes Wettbewerbsverhältnis?
OLG Hamburg v. 14.3.2024 - 15 U 132/22
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist die größte europäische Fluggesellschaft, die Beklagte ein Fluggastrechteportal zur Durchsetzung von Ansprüchen nach der Fluggastrechte-Verordnung (FluggastrechteVO (EG) Nr. 261/2004). Die Beklagte lässt sich im Fall ihrer Beauftragung die Ansprüche der Fluggäste zum Zweck der Durchsetzung abtreten. Im Erfolgsfall erhebt sie eine Provision, ggf. zuzüglich eines Anwaltszuschlags.
Die Klägerin griff diverse Äußerungen der Beklagten aus Kunden-E-Mails und von deren Webseiten an. Dabei stützte sie sich primär auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche und hilfsweise auf das allgemeine Zivil- bzw. Deliktsrecht. So wandte sie sich zum einen gegen Aussagen in E-Mails, die die Beklagte jedenfalls im November 2019 an Kunden verschickt hatte, von denen sie zuvor mit der Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen gegen die Klägerin beauftragt worden war. Zum anderen griff die Klägerin diverse Aussagen an, die die Beklagte auf von ihr betriebenen Webseiten zum öffentlichen Abruf bereithielt. Insbesondere bemängelte sie, dass darin nicht darauf hingewiesen wird, dass zusätzlich zur Provision ein weiterer Anwaltszuschlag von 14 % anfallen kann.
Das LG hat die Klage vollständig abgewiesen, soweit sie auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche gestützt worden war. Es fehle an einem Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien. Der entgegenstehenden Argumentation des OLG Brandenburg (Beschl. v. 26.6.2020 - 6 W 38/20) sei nicht zu folgen, da es an einer gleichartigen Leistung der Parteien und der erforderlichen Wechselwirkung fehle. Der von der Klägerin hilfsweise auf das allgemeine Zivil- bzw. Deliktsrecht gestützten Klage hat das LG nur im Hinblick auf einzelne Unterlassungsanträge sowie bzgl. der Abmahngebühren anteilig i.H.v. 481 € stattgegeben.
Das OLG hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Allerdings wurde die Revision zum BGH zugelassen, soweit die Klägerin die von ihr geltend gemachten Ansprüche auf Vorschriften des Wettbewerbsrechts gestützt hatte.
Die Gründe:
Zu Recht hat das LG die auf das Wettbewerbsrecht gestützten Hauptanträge der Klägerin zurückgewiesen, da es bereits an einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien fehlte, wobei die Anwendbarkeit deutschen Rechts insoweit aus Art. 6 Rom II-VO folgte.
Das LG hat sich in seiner Urteilsbegründung die Ausführungen des OLG Düsseldorf (Urt. v. 21.1.2021 - I-20 U 239/20) ausdrücklich zu Eigen gemacht. Insbesondere rechtfertigte der Umstand, dass es vorliegend allein um die Geltendmachung von Ansprüchen nach der FluggastrechteVO ging, sich die maßgebliche Dienstleistung aufseiten der Klägerin als Fluggesellschaft also enger fassen ließ, keine andere Beurteilung. Die hier maßgeblichen Dienstleistungen stellten sich - gerade auch aus der Sicht der angesprochenen Verbraucher - nicht als gleichartig dar (keine Marktidentität).
Die Antragstellerin bietet ihren Kunden mit dem auf ihrer Webseite befindlichen Formular eine Möglichkeit, Entschädigungsansprüche nach der FluggastrechteVO ihr gegenüber geltend zu machen. Sie bietet ihren Kunden damit neben einer postalischen Anschrift und einer E-Mail-Adresse eine weitere Kommunikationsmöglichkeit an. Demgegenüber erbringt die Antragsgegnerin gegenüber den Kunden der Antragstellerin eine Rechtsdienstleistung, die in der Geltendmachung von Ansprüchen einem Dritten gegenüber besteht. Anders als die Antragstellerin beschränkt sich die Antragsgegnerin nicht auf die Entgegennahme von Forderungsanmeldungen.
Dies ist auch aus Sicht des Verbrauchers nicht anders. Keinesfalls hat der Verbraucher den Eindruck, er könne seine Ansprüche wahlweise bei der Antragstellerin oder bei der Antragsgegnerin anmelden und werde dann von der einen oder der anderen entschädigt. Vielmehr ist offensichtlich, dass die Antragsgegnerin die Rolle einer Mittlerin einnimmt und die Ansprüche des Verbrauchers - ähnlich einem Rechtsanwalt - für ihn bei der Antragstellerin anmeldet. Dass die Antragstellerin zum Zwecke der Kundenbindung eigens Strukturen zur Bearbeitung von Kundenbeschwerden und darunter auch die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen nach der FluggastrechteVO aufgebaut hat, gebietet keine andere Bewertung.
Ebenfalls zu Recht hat das LG die Klage im Hinblick auf die von der Klägerin in der Berufungsinstanz weiterverfolgten Unterlassungsanträge zurückgewiesen, soweit die Klägerin sie hilfsweise auf das allgemeine Zivil- bzw. Deliktsrecht gestützt hatte. Auch auf dieser Grundlage stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche nicht zu, insbesondere nicht gem. §§ 823ff. BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, wobei die Anwendbarkeit deutschen Rechts insoweit aus Art. 40 Abs. 1 EGBGB folgte.
Hinsichtlich der Frage, ob zwischen Fluggastrechteportalen und von deren Angeboten erfassten Fluggesellschaften ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht, liegt eine Divergenz in der obergerichtlichen Rechtsprechung vor. Infolgedessen wurde insoweit die Revision zugelassen. Für die Zulassung der Revision auch im Hinblick auf die von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten äußerungsrechtlichen Ansprüche nach allgemeinem Zivil- bzw. Deliktsrecht bestand hingegen kein Anlass.
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Die Klägerin ist die größte europäische Fluggesellschaft, die Beklagte ein Fluggastrechteportal zur Durchsetzung von Ansprüchen nach der Fluggastrechte-Verordnung (FluggastrechteVO (EG) Nr. 261/2004). Die Beklagte lässt sich im Fall ihrer Beauftragung die Ansprüche der Fluggäste zum Zweck der Durchsetzung abtreten. Im Erfolgsfall erhebt sie eine Provision, ggf. zuzüglich eines Anwaltszuschlags.
Die Klägerin griff diverse Äußerungen der Beklagten aus Kunden-E-Mails und von deren Webseiten an. Dabei stützte sie sich primär auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche und hilfsweise auf das allgemeine Zivil- bzw. Deliktsrecht. So wandte sie sich zum einen gegen Aussagen in E-Mails, die die Beklagte jedenfalls im November 2019 an Kunden verschickt hatte, von denen sie zuvor mit der Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen gegen die Klägerin beauftragt worden war. Zum anderen griff die Klägerin diverse Aussagen an, die die Beklagte auf von ihr betriebenen Webseiten zum öffentlichen Abruf bereithielt. Insbesondere bemängelte sie, dass darin nicht darauf hingewiesen wird, dass zusätzlich zur Provision ein weiterer Anwaltszuschlag von 14 % anfallen kann.
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Das OLG hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Allerdings wurde die Revision zum BGH zugelassen, soweit die Klägerin die von ihr geltend gemachten Ansprüche auf Vorschriften des Wettbewerbsrechts gestützt hatte.
Die Gründe:
Zu Recht hat das LG die auf das Wettbewerbsrecht gestützten Hauptanträge der Klägerin zurückgewiesen, da es bereits an einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien fehlte, wobei die Anwendbarkeit deutschen Rechts insoweit aus Art. 6 Rom II-VO folgte.
Das LG hat sich in seiner Urteilsbegründung die Ausführungen des OLG Düsseldorf (Urt. v. 21.1.2021 - I-20 U 239/20) ausdrücklich zu Eigen gemacht. Insbesondere rechtfertigte der Umstand, dass es vorliegend allein um die Geltendmachung von Ansprüchen nach der FluggastrechteVO ging, sich die maßgebliche Dienstleistung aufseiten der Klägerin als Fluggesellschaft also enger fassen ließ, keine andere Beurteilung. Die hier maßgeblichen Dienstleistungen stellten sich - gerade auch aus der Sicht der angesprochenen Verbraucher - nicht als gleichartig dar (keine Marktidentität).
Die Antragstellerin bietet ihren Kunden mit dem auf ihrer Webseite befindlichen Formular eine Möglichkeit, Entschädigungsansprüche nach der FluggastrechteVO ihr gegenüber geltend zu machen. Sie bietet ihren Kunden damit neben einer postalischen Anschrift und einer E-Mail-Adresse eine weitere Kommunikationsmöglichkeit an. Demgegenüber erbringt die Antragsgegnerin gegenüber den Kunden der Antragstellerin eine Rechtsdienstleistung, die in der Geltendmachung von Ansprüchen einem Dritten gegenüber besteht. Anders als die Antragstellerin beschränkt sich die Antragsgegnerin nicht auf die Entgegennahme von Forderungsanmeldungen.
Dies ist auch aus Sicht des Verbrauchers nicht anders. Keinesfalls hat der Verbraucher den Eindruck, er könne seine Ansprüche wahlweise bei der Antragstellerin oder bei der Antragsgegnerin anmelden und werde dann von der einen oder der anderen entschädigt. Vielmehr ist offensichtlich, dass die Antragsgegnerin die Rolle einer Mittlerin einnimmt und die Ansprüche des Verbrauchers - ähnlich einem Rechtsanwalt - für ihn bei der Antragstellerin anmeldet. Dass die Antragstellerin zum Zwecke der Kundenbindung eigens Strukturen zur Bearbeitung von Kundenbeschwerden und darunter auch die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen nach der FluggastrechteVO aufgebaut hat, gebietet keine andere Bewertung.
Ebenfalls zu Recht hat das LG die Klage im Hinblick auf die von der Klägerin in der Berufungsinstanz weiterverfolgten Unterlassungsanträge zurückgewiesen, soweit die Klägerin sie hilfsweise auf das allgemeine Zivil- bzw. Deliktsrecht gestützt hatte. Auch auf dieser Grundlage stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche nicht zu, insbesondere nicht gem. §§ 823ff. BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, wobei die Anwendbarkeit deutschen Rechts insoweit aus Art. 40 Abs. 1 EGBGB folgte.
Hinsichtlich der Frage, ob zwischen Fluggastrechteportalen und von deren Angeboten erfassten Fluggesellschaften ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht, liegt eine Divergenz in der obergerichtlichen Rechtsprechung vor. Infolgedessen wurde insoweit die Revision zugelassen. Für die Zulassung der Revision auch im Hinblick auf die von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten äußerungsrechtlichen Ansprüche nach allgemeinem Zivil- bzw. Deliktsrecht bestand hingegen kein Anlass.
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