Betriebsschließungsversicherung: Einschränkungen des Krankenhausbetriebs während der Corona-Pandemie
OLG Nürnberg v. 27.5.2024, 8 U 1004/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt ein Klinikum in Bayern. Zum Klinikbetrieb gehört auch eine Cafeteria, die hauptsächlich von Patienten und Besuchern genutzt wird. Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Betriebsschließungsversicherung. Diese beinhaltet u.a. eine Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen ganz oder teilweise schließt.
Die Klägerin behauptete, sie habe wegen der behördlichen Verbote vom 20.3.2020 bis zum 18.5.2020 alle planbaren Behandlungen und Eingriffe, soweit medizinisch vertretbar, unterlassen. Der Betrieb der Cafeteria sei während der Zeit vollständig eingestellt gewesen. Für den geltend gemachten Schließungszeitraum von 60 Tagen erhielt die Klägerin staatliche Ausgleichszahlungen nach § 21 Abs. 2 und 3 KHG i.H.v. insgesamt rund 5,1 Mio. €. Sie forderte zudem eine Entschädigung aus der Betriebsschließungsversicherung, weil die Fortführung eines erheblichen Teils ihres Klinikbetriebs und des Betriebs der Cafeteria verboten gewesen sei. Der geltend gemachte Entschädigungsbetrag bestehe aus der anteilig (auf insgesamt 39,89%) gekürzten vereinbarten Tagesentschädigung für 60 Schließungstage (60 x 132.630 € = 7.957.800 €) abzüglich der staatlichen Ausgleichszahlung.
Die Beklagte verweigerte die Zahlung. Sie war der Ansicht, die behördlichen Maßnahmen seien, soweit sie die Klägerin betroffen hätten, nicht ausdrücklich und primär zu dem Zweck erfolgt, die weitere Verbreitung von COVID-19 zu verhindern. Vielmehr könne die Stärkung der Intensiv- und Beatmungskapazitäten nicht als Instrument der Ausbreitungseindämmung verstanden werden.
Das LG hat der Klage im vollen Umfang stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG das Urteil abgeändert und der Klage nur teilweise stattgegeben. Allerdings wurde die Revision zum BGH zugelassen.
Die Gründe:
Der Klageanspruch ist in der Hauptforderung dem Grunde nach gerechtfertigt, soweit er die Schließung der Cafeteria der Klägerin betraf. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte bereits dem Grunde nach keinen Anspruch auf eine Entschädigungsleistung aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 AVB-BSV im Hinblick auf den eigentlichen Krankenhausbetrieb. Insofern war nämlich kein Versicherungsfall eingetreten. Die behördlich angeordneten Einschränkungen des Krankenhausbetriebs während der Corona-Pandemie (hier: Zurückstellung planbarer Behandlungen und Freihaltung von Kapazitäten für die Versorgung von COVID-19-Patienten) stellen zwar Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von gefährlichen Infektionskrankheiten i.S.d. Bedingungen einer Betriebsschließungsversicherung dar. Es besteht jedoch kein Deckungsschutz, weil durch diese Maßnahmen kein versicherter Betrieb oder Betriebsteil geschlossen wurde und es auch nicht zu einer "faktischen Schließung" gekommen ist.
Hinsichtlich der Schließung der Cafeteria war hingegen ein Versicherungsfall gem. Ziffer A.2.1.1 lit. a) BB-BSV eingetreten, wie die Vorinstanz zu Recht entschieden hat. Bei der Cafeteria handelt es sich um einen Betriebsteil, d.h. einen personell und sachlich abgrenzbaren Teil des Klinikbetriebs. Dass dort keine ärztlichen und pflegerischen Behandlungsleistungen erbracht werden, stand dieser Würdigung nicht entgegen. Zwar entfällt der wesentliche Teil der Krankenhausleistung auf den ambulanten und stationären Behandlungsbereich. Für einen "Betriebsteil" i.S.d. der Bedingungen wird es aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers aber ausreichend sein, wenn dieser verselbständigte Teil eine Hilfsfunktion für den Klinikbetrieb erfüllt.
Das war hier unzweifelhaft der Fall. Die informatorische Befragung durch den Senat hatte ergeben, dass es sich bei der Cafeteria um einen räumlich abgegrenzten Bereich auf dem Klinikgelände mit ausschließlich dort tätigen Mitarbeitern handelt. Die Ausgabe von Speisen und Getränken erfolgt in erster Linie an Patienten und Besucher, was mit dem primären Zweck der Klinik in einem hinreichend engen Zusammenhang steht. Die Cafeteria war auch von der zuständigen Behörde auf der Grundlage des IfSG sowie zur Verhinderung der Verbreitung von gefährlichen Infektionskrankheiten geschlossen worden.
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Bayern.Recht
Die Klägerin betreibt ein Klinikum in Bayern. Zum Klinikbetrieb gehört auch eine Cafeteria, die hauptsächlich von Patienten und Besuchern genutzt wird. Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Betriebsschließungsversicherung. Diese beinhaltet u.a. eine Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen ganz oder teilweise schließt.
Die Klägerin behauptete, sie habe wegen der behördlichen Verbote vom 20.3.2020 bis zum 18.5.2020 alle planbaren Behandlungen und Eingriffe, soweit medizinisch vertretbar, unterlassen. Der Betrieb der Cafeteria sei während der Zeit vollständig eingestellt gewesen. Für den geltend gemachten Schließungszeitraum von 60 Tagen erhielt die Klägerin staatliche Ausgleichszahlungen nach § 21 Abs. 2 und 3 KHG i.H.v. insgesamt rund 5,1 Mio. €. Sie forderte zudem eine Entschädigung aus der Betriebsschließungsversicherung, weil die Fortführung eines erheblichen Teils ihres Klinikbetriebs und des Betriebs der Cafeteria verboten gewesen sei. Der geltend gemachte Entschädigungsbetrag bestehe aus der anteilig (auf insgesamt 39,89%) gekürzten vereinbarten Tagesentschädigung für 60 Schließungstage (60 x 132.630 € = 7.957.800 €) abzüglich der staatlichen Ausgleichszahlung.
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Hinsichtlich der Schließung der Cafeteria war hingegen ein Versicherungsfall gem. Ziffer A.2.1.1 lit. a) BB-BSV eingetreten, wie die Vorinstanz zu Recht entschieden hat. Bei der Cafeteria handelt es sich um einen Betriebsteil, d.h. einen personell und sachlich abgrenzbaren Teil des Klinikbetriebs. Dass dort keine ärztlichen und pflegerischen Behandlungsleistungen erbracht werden, stand dieser Würdigung nicht entgegen. Zwar entfällt der wesentliche Teil der Krankenhausleistung auf den ambulanten und stationären Behandlungsbereich. Für einen "Betriebsteil" i.S.d. der Bedingungen wird es aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers aber ausreichend sein, wenn dieser verselbständigte Teil eine Hilfsfunktion für den Klinikbetrieb erfüllt.
Das war hier unzweifelhaft der Fall. Die informatorische Befragung durch den Senat hatte ergeben, dass es sich bei der Cafeteria um einen räumlich abgegrenzten Bereich auf dem Klinikgelände mit ausschließlich dort tätigen Mitarbeitern handelt. Die Ausgabe von Speisen und Getränken erfolgt in erster Linie an Patienten und Besucher, was mit dem primären Zweck der Klinik in einem hinreichend engen Zusammenhang steht. Die Cafeteria war auch von der zuständigen Behörde auf der Grundlage des IfSG sowie zur Verhinderung der Verbreitung von gefährlichen Infektionskrankheiten geschlossen worden.
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