30.10.2012

Bewusst unwahre Behauptung der Zahlungsunfähigkeit einer Gesellschaft kann falsche Verdächtigung darstellen

Wer als Gläubiger gegenüber einem Insolvenzgericht wider besseres Wissen behauptet, sein Schuldner sei zahlungsunfähig, kann sich wegen falscher Verdächtigung strafbar machen. Denunzierter Betroffener eines Insolvenzverfahrens kann dabei nicht nur eine natürliche Person, sondern auch eine juristische Person (z.B. eine Gesellschaft) sein.

OLG Koblenz 15.10.2012, 2 Ss 68/12
Sachverhalt:
Der Angeklagte hatte im Juli 2010 als "Managing Direktor" einer Gesellschaft nach luxemburgischem Recht einen Insolvenzantrag über das Vermögen einer anderen Gesellschaft gestellt, wobei er wider besseres Wissen behauptet haben soll, die Insolvenzschuldnerin sei zur Rückzahlung eines ihr gewährten Darlehens von 2,1 Mio. € nicht in der Lage und damit zahlungsunfähig. Tatsächlich soll das Darlehen zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits i.H.v. 1,35 Mio. € zurückgezahlt und im Übrigen die Rückzahlung noch nicht fällig gewesen sein.

Gegen den Angeklagten erging im Juli 2011 ein Strafbefehl, gegen den er Einspruch einlegte. In der Folge sprach ihn das AG vom Vorwurf der falschen Verdächtigung frei. Die hiergegen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft wurde vom LG verworfen. Das Gericht war der Ansicht, das Insolvenzverfahren sei nicht als behördliches Verfahren i.S.d. Strafvorschrift des § 164 Abs. 2 StGB anzusehen.

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hob das OLG das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Gründe:
Mit der Freisprechung des Angeklagten hat das LG § 164 Abs. 2 StGB verletzt. Danach macht sich wegen falscher Verdächtigung strafbar, wer über einen anderen wider besseres Wissen eine Behauptung tatsächlicher Art aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen. Diese Voraussetzungen lagen hier vor.

Der Angeklagte hatte mit seiner schriftlichen Mitteilung, die Gesellschaft könne das Darlehen nicht zurückzahlen und sei damit zahlungsunfähig, bewusst eine falsche Behauptung gegenüber einem Gericht aufgestellt. Diese Behauptung war auch geeignet, ein Insolvenzverfahren gegen die Gesellschaft herbeizuführen. Ein solches Insolvenzverfahren stellt - entgegen der Auffassung des LG - ein behördliches Verfahren i.S.d. § 164 Abs. 2 StGB dar. Schließlich tritt in einem Insolvenzverfahren eine staatliche Stelle dem Bürger als dem davon Betroffenen hoheitlich entgegen. Dem Schuldner obliegen in solchen Fällen weitgehende Auskunfts- und Mitwirkungspflichten, das Insolvenzgericht kann wiederum gegen dessen Willen Sicherungs- und Sanktionsmaßnahmen anordnen.

Denunzierte Betroffene eines Insolvenzverfahrens können - wie hier - auch juristische Personen sein. Die Einleitung eines Insolvenzverfahrens gegen eine Gesellschaft kann nämlich mit erheblichen, wirtschaftlich nachteiligen Auswirkungen verbunden sein. Möglicherweise werden potentielle Vertragspartner, insbesondere Banken, von Geschäften mit dem vermeintlichen Insolvenzschuldner abgehalten, was gegebenenfalls den Ruin des Unternehmens bedeuten kann. Derjenige, der solche wirtschaftlichen Folgen wider besseres Wissen in Schädigungsabsicht verfolgt, hat sich daher nach § 164 Abs. 2 StGB strafrechtlich zu verantworten.

Obwohl die getroffenen Feststellungen eine Verurteilung zu tragen im Stande gewesen wären, war es dem Senat verwehrt, gem. § 354 Abs. 1 StPO eine eigene Sachentscheidung zu treffen und den Angeklagten wegen falscher Verdächtigung schuldig zu sprechen. Eine Verurteilung kann grundsätzlich nicht auf die Feststellungen eines freisprechenden Urteils gestützt werden, da dem Angeklagten mangels Beschwer die Möglichkeit fehlte, das Urteil insoweit im Revisionsverfahren überprüfen zu lassen. Eine Ausnahme dergestalt, dass der Angeklagte den festgestellten Sachverhalt gestanden hätte, war hier nicht gegeben.

Linkhinweis:

OLG Koblenz PM v. 30.10.2012
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