08.01.2013

BGH hält an Rechtsprechung zu Aufklärungspflichten bei Anlageberatung durch selbständige Unternehmen der Finanzgruppe einer Sparkasse fest

Der BGH hält daran fest, dass ein auf dem Gebiet der Anlageberatung tätiges selbständiges Unternehmen der Finanzgruppe einer Sparkasse hinsichtlich der Verpflichtung, seine Kunden ungefragt über die erwarteten Provisionen aufzuklären, wie ein freier Anlageberater zu behandeln ist. Kommt es wegen der Verpflichtung des Anlageberaters, bei der Anlageberatung nur Angaben und Prospekte der Vertriebsgesellschaft zu benutzen, zu einer Pflichtenkollision und sieht sich der Anlageberater nicht imstande, das Informationsinteresse des Kunden pflichtgemäß zu erfüllen, so ist er ggf. verpflichtet, den Vertrieb der Anlage einzustellen.

BGH 6.12.2012, III ZR 307/11
Der Sachverhalt:
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen fehlerhafter Anlageberatung hinsichtlich einer Beteiligung an einem Medienfonds in Anspruch. Die Beklagte ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft einer Sparkasse. Sie wirbt unter Verwendung des Firmenlogos der Sparkasse für ihre als "Private Banking" bezeichnete Tätigkeit. Die Beklagte war Vertriebspartner für die Eigenkapitalvermittlung des Medienfonds. Nach der Vertriebsvereinbarung durfte die Beklagte bei der Vertriebswerbung und -beratung nur Daten und Fakten verwenden, die ihr von der Kapitalsuchenden oder der V-AG zur Verfügung gestellt worden waren. Sie sollte nicht berechtigt sein, - insbes. von den Aussagen des Beteiligungsangebots - abweichende oder darüber hinausgehende Angaben zu machen.

Der Kläger langjähriger Kunde der Beklagten und tätigte in der Vergangenheit verschiedene Kapitalanlagen. Nachdem der Kundenberater den Kläger zunächst telefonisch kontaktiert und ihm den Medienfonds als Kapitalanlage empfohlen hatte, kam es im Dezember 2004 zu einer Besprechung im Hause des Klägers. Im Rahmen dieses Gesprächs, dessen Inhalt zwischen den Parteien streitig ist, wurde dem Kläger der Fonds vorgestellt und das Emissionsprospekt übergeben. Gegenstand der Besprechung war auch, dass die Beklagte für die Vermittlung der Fondsanteile eine Vergütung von der Fondsgesellschaft erhalten sollte. Der Kläger ging davon aus, dass die Provisionszahlung an die Beklagte aus dem Agio i.H.v. 5 Prozent der Zeichnungssumme gezahlt würde, das er erbringen musste. Dazu war er nicht bereit.

Er einigte sich daher mit dem Kundenberater darauf, dass die Hälfte des von ihm zu entrichtenden Agios (2.500 €) wieder zurückfließen und an seine Tochter gezahlt werden sollte. Am Ende des Gesprächs zeichnete der Kläger per Anteilsübernahmeerklärung eine Beteiligung mit einem ausgewiesenen Wert von 100.000 € zzgl. Agio. Die Beklagte erhielt für die Vermittlung der streitgegenständlichen Beteiligung eine Provision i.H.v. zumindest 7,085 Prozent des vermittelten Nominalkapitals. Die Fondsbeteiligung erbrachte in der Folgezeit nicht den erhofften wirtschaftlichen Erfolg.

LG und OLG gaben der Klage statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Mit der vom OLG gegebenen Begründung des OLG lassen sich Schadensersatzansprüche des Klägers gegen die Beklagte nicht begründen. Die Sache war gleichwohl an das OLG zurückzuverweisen, damit dieses sich mit den weiterhin geltend gemachten Aufklärungspflichtverletzungen auseinandersetzen kann.

Entgegen der Auffassung des OLG steht dem Kläger kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten wegen einer unterbliebenen Aufklärung über eine Provision oder Rückvergütung wegen des gezeichneten Fonds zu. Eine solche Pflicht bestand für die Beklagte nicht. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats ist ein freier nicht bankmäßig gebundener Anlageberater nicht verpflichtet, den Anleger ungefragt über den Umstand und die Höhe einer Provision aufzuklären. Für den Anleger liegt es bei einer Beratung durch einen freien Anlageberater auf der Hand, dass dieser von der kapitalsuchenden Anlagegesellschaft Vertriebsprovisionen erhält, die jedenfalls wirtschaftlich betrachtet dem vom Anleger an die Anlagegesellschaft gezahlten Betrag entnommen werden. Es kann berechtigterweise nicht angenommen werden, dass der Berater diese Leistung insgesamt kostenlos erbringt.

Ein selbständiges Unternehmen der "Finanzgruppe" einer Sparkasse, das als 100-prozentige Tochtergesellschaft (GmbH) der Sparkasse hauptsächlich auf dem Gebiet der Anlageberatung tätig ist, ist hinsichtlich der Verpflichtung, seine Kunden ungefragt über die von ihm bei der empfohlenen Anlage erwartete Provision aufzuklären, wie ein freier Anlageberater zu behandeln. Dabei ist besonders zu beachten, dass es sich bei diesen Beratern um selbständige juristische Personen handelt, die selbst kein Kreditinstitut sind und keine "klassischen" Bankgeschäfte betreiben. Sie sind, auch wenn sie ihre Kunden im Wesentlichen aus dem Kundenstamm der Sparkasse gewinnen und trotz Verwendung deren Logos, ein eigenständiges Unternehmen, zu dessen Haupttätigkeit, wie bei "freien" Anlageberatern auch, die Beratung bei der Geldanlage gehört. Ein Anleger hat damit auch bei der Beratung durch eine "Sparkassentochter" kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass diese kein Geld seitens des Kapitalsuchenden für die Vermittlung des jeweiligen Anlageprodukts erhält.

Die Auffassung des OLG, der Beklagten falle durch die mangelnde Aufklärung über den Inhalt der geschlossenen Vertriebsvereinbarung im Hinblick auf die Verwendung von Informationen ein weiterer Beratungsfehler zur Last, hält den Angriffen der Revision ebenfalls nicht stand. Der Anlageberatungskunde hat einen Anspruch auf eine vollständige und richtige Beratung. Diese darf sich nicht nur auf die Unterlagen beschränken, die von der Fondsgesellschaft oder der Vertriebsgesellschaft zur Verfügung gestellt werden. In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich seine Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Entscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Er muss deshalb eine Anlage, die er empfehlen will, mit üblichem kritischem Sachverstand prüfen oder den Anlageinteressenten auf ein diesbezügliches Unterlassen hinweisen.

Wenn sich der Anlageberater - wie im Streitfall - gegenüber der Vertriebsgesellschaft verpflichtet, bei der Anlageberatung nur deren Angaben und Prospekte zu benutzen, bedingt dies nicht eine geringere Pflichtenstellung hinsichtlich der Beratung des Kunden. Wenn es hier zu einer Pflichtenkollision kommt und sich der Anlageberater deswegen außerstande sieht, das Informationsinteresse des Kunden pflichtgemäß zu erfüllen, so ist er ggf. verpflichtet, den Vertrieb der Anlage einzustellen oder den Kunden darauf hinzuweisen, dass er weitere Informationen nicht erteilen darf. Wenn sich jedoch die Anlage als für den Kunden richtig darstellt und die Chancen und Risiken der Anlage in den zur Verfügung gestellten Unterlagen zutreffend wiedergegeben werden, ergibt sich aus der internen Verpflichtung des Anlageberaters aus der Vertriebsvereinbarung kein informationsbedürftiger Interessenkonflikt, der für sich genommen eine Fehlerhaftigkeit der Anlageberatung begründen könnte.

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