17.04.2018

Bloße Äußerung einer Rechtsansicht stellt keine irreführende Handlung dar

Stützt ein Unternehmer seine Kündigung gegenüber dem Verbraucher auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage, handelt es sich nicht um eine irreführende Handlung, sondern um eine bloße Äußerung einer Rechtsansicht. Die Aussage beinhaltet weder eine Tatsache, die objektiv nachprüfbar ist, noch beinhaltet sie eine Irreführung über die Rechte des Verbrauchers.

LG Hamburg 24.1.2018, 416 HKO 196/17
Der Sachverhalt:
Die Beklagte hat jahrelang sog. Riester-Verträge, genauer CHD-Vorsorgesparpläne, die staatlich gefördert werden, vertrieben. Im September 2016 bot sie insgesamt 16 Anlegern einen kostenneutralen Anbieterwechsel zur Konzernmutter der Beklagten oder zu einem Anbieter Nach Wahl des Kunden an. Im April 2017 kündigte die Beklagte den CHD-Vorsorgeplan eines Anlegers, der auf das im Vorfeld gemachte Wechselangebot der Beklagten nicht reagiert hatte. Als Grund für die außerordentliche Kündigung gab sie den Wegfall der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB an. Die Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung mahnte die Klägerin, eine Verbraucherzentrale, mit Schreiben vom 19.10.2017 erfolglos ab.

Die Klägerin war der Auffassung, die Behauptung stelle eine irreführende geschäftliche Handlung dar. Sie beantragte daher, der Beklagten zu untersagen, gegenüber Verbrauchern, mit denen ein CHD-Vorsorgeplan angeschlossen ist, zu behaupten, dieser könne außerordentlich gekündigt wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage gekündigt werden, weil die CHD-Vorsorgesparpläne nicht in eine neue IT-Landschaft übernommen werden könnten.

Die Beklagte gab an, dass es ihr aufgrund einer Fusion selbst nicht mehr möglich sei, die CHD-Vorsorgepläne in ihre IT-Landschaft zu integrieren.Die Kündigung bezwecke nicht, die Kunden von der Geltendmachung ihrer Rechte abzuhalten.

Die Klage hatte vor dem LG keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Klägerin steht der gegen die Beklagte geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Die auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage gestützte außerordentliche Kündigung der Beklagten beinhaltet keine Irreführung gem. § 5 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 1 UWG.

Es kann dabei dahinstehen, ob es sich bei der außerordentlichen Kündigung unter Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage überhaupt um eine geschäftliche Handlung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG handelt. Die Beklagte hat jedenfalls keine unwahren oder sonstige zur Täuschung geeigneten Angaben über die Erbringung der Dienstleistung gemacht. Denn die Begründung der außerordentlichen Kündigung beinhaltet keine Tatsache, die objektiv nachprüfbar ist, sondern eine Rechtsansicht. Die Beklagte ist der Meinung, ein Gestaltungsrecht ausüben zu können. Eine solche Rechtsansicht ist weder objektiv nachprüfbar noch dem Beweis zugänglich.

Auch der BGH nimmt eine Irreführung nach § 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 1 UWG nicht schon beim bloßen Äußern einer Rechtsansicht an. Er nimmt die Unlauterkeit einer geschäftlichen Handlung nur an, wenn damit unrichtige Angaben über wesentliche Merkmale der Dienstleistung gemacht werden. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Die Begründung der Kündigung mit dem Wegfall der Geschäftsgrundlage enthält keine fehlerhafte Angabe zu der Dienstleistung. Sie rechtfertigt lediglich die Maßnahme der Beklagten.

Die auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage gestützte außerordentliche Kündigung beinhaltet zudem keine Irreführung gem. § 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 7 UWG. Die Beklagte hat auch keine unwahren oder sonstigen zur Täuschung geeigneten Angaben über die Rechte des Verbrauchers gemacht. Es bleibt dem Verbraucher unbenommen gegen die Kündigung vorzugehen. Es wird nicht seitens der Beklagten der Eindruck erweckt, dass dies nicht möglich wäre. Es handelt sich um die bloße Äußerung einer umstrittenen Rechtsansicht. Ansonsten wäre es Unternehmer kaum mehr möglich, ihre Rechte gegenüber Verbrauchern wahrzunehmen, ohne sich gleich unlauter zu verhalten.

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