21.08.2023

Busfahrer nutzt Handy am Steuer: Lebenslanges Fahrverbot auf allen Linien einer Verkehrsgesellschaft marktmissbräuchlich

Der 6. Kartellsenat des OLG Düsseldorf hat entschieden, dass die von der beklagten A-Verkehrsgesellschaft mbH gegen einen klagenden Busfahrer verhängte lebenslange Fahrersperre wegen Handynutzung am Steuer marktmissbräuchlich und deshalb unzulässig ist.

OLG Düsseldorf v. 21.8.2023 - VI-6 U 1/23 (Kart)
Der Sachverhalt:
Der klagende Busfahrer war bei einem privaten Busunternehmen angestellt. Das Busunternehmen war als Subunternehmerin für die B GmbH tätig, die ihrerseits von der A-Verkehrsgesellschaft mbH, der Beklagten, beauftragt worden war. Der Kläger hatte am 22.6.2021 die Linie X im A-Netz befahren. Nachdem ein Fahrgast den Kläger bei der Handynutzung gefilmt und die Beklagte informiert hatte, sperrte diese den Kläger für die Zukunft auf allen ihren Linien. Das als Subunternehmerin tätige Busunternehmen kündigte aufgrund der Sperre dem Kläger fristlos.

Gegen die lebenslange Sperre erhob der Busfahrer Klage vor dem LG. Er meint, die Beklagte missbrauche durch die zeitlich unbefristete Sperre ihre Marktmacht. Er finde in erreichbarer Entfernung von seinem Wohnort keine Anstellung mehr als Busfahrer im Liniennahverkehr. Die Beklagte betreibe als marktbeherrschendes Unternehmen im A-Kreis weitgehend das gesamte Nahverkehrs-Busnetz, teilweise auch darüber hinaus. Die ausgesprochene Sperre sei auch unverhältnismäßig. Bei einer verbotenen selbstgefährdenden Handynutzung sehe die Straßenverkehrsordnung allenfalls ein Fahrverbot von drei Monaten vor.

Die beklagte A-Verkehrsgesellschaft mbH hatte auf die Gefährlichkeit der Handynutzung im Straßenverkehr verwiesen und die unbefristete Sperre für sachgerecht gehalten. Sie habe keine marktbeherrschende Stellung. Vielmehr könne der Busfahrer bundesweit tätig sein und auch im Busfernverkehr, Fernreise-, Tourismus- oder Schülerverkehr fahren.

Das LG gab der Klage teilweise statt und hielt eine fünfjährige Sperre für ausreichend. Auf die hiergegen eingelegten Berufungen beider Parteien hat das OLG das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte antragsgemäß verurteilt, gegenüber der B-GmbH mitzuteilen, dass die unter dem 7.7.2021 ausgesprochene Sperre für den Einsatz auf Linien der Beklagten aufgehoben ist. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Die lebenslange Sperre ist ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Die Beklagte hat in dem räumlich und sachlich relevanten Markt für Busfahrer im ÖPNV im A-Kreis eine marktbeherrschende Stellung. Sowohl die lebenslange Sperrung des Klägers auf den Linien der Beklagten als auch die vom LG als angemessen angesehene Dauer der Sperrung von fünf Jahren behindern den Kläger auf diesem Markt unbillig.

Das Verhalten des Klägers ist nicht so schwerwiegend, dass eine lebenslange oder eine Sperre von fünf Jahren gerechtfertigt ist. Auch wenn die Benutzung des Handys während der Fahrt einen erheblicher Verkehrs- und Pflichtenverstoß darstellt, sind eine fünfjährige Sperre und erst recht eine lebenslange Sperre nicht angemessen und daher unverhältnismäßig. So hat der Kläger seinen Arbeitsplatz aufgrund der unbefristeten Sperre verloren. Ferner ist es ihm bis heute unmöglich, im ÖPNV im Rhein-Erft-Kreis einen neuen Arbeitsplatz zu finden, weil er die Linien der Beklagten nicht befahren darf.

Auch führt eine verbotswidrige Nutzung eines Mobiltelefons während der Fahrt nach den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung selbst in besonders schwerwiegenden Fällen nur zu einem mehrmonatigen, nicht aber zu einem lebenslangen oder mehrjährigen Fahrverbot. Nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen wäre voraussichtlich nur eine Abmahnung in Betracht gekommen.

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OLG Düsseldorf PM Nr. 28 vom 21.8.2023
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