Chip-tuning als nichtvertragsgemäße Abnutzung der Leasingsache
OLG Frankfurt a.M. 4.12.2014, 12 U 137/13Die Klägerin nahm den Beklagten aus abgetretenem Recht auf Ausgleich einer Wertminderung eines Leasingfahrzeuges nach regulärer Beendigung eines Leasingvertrages aus dem Jahr 2006 mit Übernahmevereinbarung aus dem Jahr 2007 in Anspruch. Die Parteien stritten insbesondere darum, ob und in welchem Umfang ein sog. Chip-tuning zur Leistungssteigerung des Motors eine Minderung des vertraglich vereinbarten Rücknahmewerts des Fahrzeugs begründen kann.
Die Leasingvereinbarung sah insoweit vor, dass der Leasingnehmer das Fahrzeug nach Beendigung des Leasingvertrages in einem dem Alter und der vertragsgemäßen Fahrleistung entsprechenden Erhaltungszustand, frei von Schäden sowie verkehrs- und betriebssicher zurückzugeben hatte. Für den Fall, dass das Fahrzeug diesem Zustand nicht entsprach und hierdurch im Wert gemindert war, sollte der Leasingnehmer zum Ausgleich des Minderwertes verpflichtet werden. Die Leasinggeberin hatte entgegen ihrer AGB vorprozessual kein Gutachten zum Umfang einer durch übermäßige Abnutzung begründeten Wertminderung eingeholt, sondern das Fahrzeug im Mai 2010 zum Preis von 22.450 € an einen Vertragshändler veräußert.
Das LG erkannte nach Beweisaufnahme auf einen Minderwert i.H.v. 7.140 €. Es war der Ansicht, die Klägerin könne einen Minderwert von 25 % des vereinbarten Restwertes beanspruchen, weil das Fahrzeug während einer Laufleistung von 9.000-10.000 km mit einem herstellerfremden Chip-tuning betrieben worden sei, das bei Rückgabe beseitigt gewesen sei. Es stellte fest, dass die Kosten für eine vollständige Erneuerung der von einer Leistungssteigerung betroffenen Motor-und Antriebsteile 14.089 € brutto betrugen. Auf die Berufung der Beklagten hob das OLG das erstinstanzliche Urteil teilweise auf und senkte den Minderwert auf 1.408 €. Allerdings wurde die Revision zugelassen.
Die Gründe:
Der Anspruch der Klägerin auf Ausgleich des Minderwertes hinsichtlich der AGB der Leasinggeberin war nur teilweise begründet.
Die Beklagte war verpflichtet, das Fahrzeug nach Maßgabe des Leasingvertrages im normalen Gebrauchszustand zurückgeben und war aufgrund der Übernahmevereinbarung aus 2007 auch für den Zustand und die Abnutzung verantwortlich. Gegen diese Verpflichtung hat die Beklagte verstoßen, denn sie hatte das Fahrzeug vorübergehend mit einem Chip-tuning betrieben. Das Chip-tuning zur Leistungssteigerung des Motors stellt einen Substanzeingriff dar. Es geht auch über den üblichen vertragsgemäßen Gebrauch und die damit einhergehende gewöhnliche Abnutzung hinaus, weil die Gefahr eines übermäßigen Verschleißes, für die die Bauteile konstruktiv nicht ausgelegt sind, auch bei vergleichsweise kurzer Laufzeit besteht. Dies gilt jedenfalls bei herstellerfremden Eingriffen in die Motorelektronik zur Leistungssteigerung.
Der Durchsetzung des Anspruchs auf Ausgleich der abnutzungsbedingten Wertminderung stand nicht entgegen, dass die Leasinggeberin im Rahmen der Rücknahme des Fahrzeugs kein Sachverständigengutachten zu einer Wertminderung eingeholt hatte. Denn dies war keine Anspruchsvoraussetzung, sondern diente allein der Beweiserleichterung. Folglich hatte die Klägerin lediglich die beweisrechtlichen Konsequenzen daraus zu tragen, dass Feststellungen über den Umfang eines Schadens nicht getroffen werden konnten.
Allerdings wurde die Entscheidung des LG, den merkantilen Minderwert eines zeitweiligen Chip-tuning abstrakt mit 25% des Restwertes von rund 31.000 € zu bemessen, den Anforderungen an eine Schätzung anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls nicht gerecht. So hat das LG nicht berücksichtigt, dass die vom Sachverständigen für angemessen erachtete Wertminderung mehr als 50% der vollständigen Kosten der Erneuerung ausgemacht hatte. Eine solche Wertminderung erschien jedoch im Hinblick auf die übliche Laufleistung eines großvolumigen Dieselmotors, die unter normalen Betriebsbedingungen bei mindestens 200.000 km liegt, unangemessen hoch, weil sie für einen sehr geringen Anteil an der Laufleistung von höchstens 10.000 km bereits 50 % der regelmäßig erst nach langer Laufleistung anfallenden Kosten des vollständigen Austauschs der betroffenen Antriebsteile zubilligte. Es wäre vielmehr erforderlich gewesen, einen angemessenen Bezug zu den voraussichtlichen Reparaturkosten herzustellen.
Die Revision wurde zugelassen, weil die Frage, ob eine Leistungssteigerung eines Leasingsfahrzeuges auch ohne konkret festgestellte Schäden ein über den üblichen Gebrauch hinausgehender, wertmindernder Umstand ist, sich in einer Vielzahl von Fällen stellen kann und - soweit ersichtlich - im Bereich des Leasingrechts bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden ist.
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