22.02.2018

Darlehensvertrag: Keine Verwirkung des Widerrufsrechts auch mehr als neun Jahre nach Darlehensrückzahlung

Die jahrelange unbeanstandete Durchführung des Darlehensvertrages allein reicht nicht aus, um von einer Verwirkung ausgehen zu können. Dies gilt insbesondere für die Rückzahlung der Darlehensvaluta am Ende der vertraglich vereinbarten Laufzeit.

OLG Frankfurt a.M. 10.1.2018, 17 U 134/17
Der Sachverhalt:
Die Kläger begehren von der Beklagten nach Widerruf der auf den Abschluss von drei Darlehensverträgen über 35.000 €, 156.000 € und 57.000 € gerichteten Willenserklärungen Zahlung auf der Grundlage des Saldos der wechselseitigen Ansprüche sowie Abrechnung der Darlehensverhältnisse und diverse Feststellungen begehrt haben.

Die Darlehensverträge hatten die Kläger im Jahr 2004 als Verbraucher mit der Beklagten abgeschlossen. Im Jahr 2016 erklärten die Kläger den Widerruf der Darlehensverträge. Die Widerrufsbelehrung sei nicht ordnungsgemäß gewesen, weil sie den Satz enthalte: "Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung".

Das LG wies die Klage ab. Das Widerrufsrecht sei verwirkt. Auf die Berufung der Kläger änderte das OLG das Urteil ab und gab der Klage teilweise statt. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Die Kläger haben einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung i.H.v. rd. 35.000 € gem. § 346 Abs. 1, 2 BGB i.V.m. §§ 495 Abs. 1, 355 BGB aus den Rückgewährschuldverhältnissen, in die sich die drei Darlehensverträge durch den im Jahr 2016 erklärten Widerruf umgewandelt haben.

Zwar können grundsätzlich auch unbefristete Gestaltungsrechte wie das Widerrufsrecht der Verwirkung unterliegen; etwa im Falle einer illoyalen Verspätung. Im vorliegend betroffenen Anwendungsbereich von Verbraucherschutzrechten und damit zusammenhängenden Widerrufsrechten sind allerdings strenge Anforderungen an das Umstandsmoment zu stellen. Danach kommt hier eine Verwirkung nicht in Betracht. Die jahrelange unbeanstandete Durchführung des Darlehensvertrages allein - so wie es vorliegend der Fall war - reicht nicht aus, um von einer Verwirkung ausgehen zu können. Darüber hinaus steht kein Verhalten der Kläger in Rede, dem die Beklagte hätte entnehmen dürften, dass die Kläger ihr Widerrufsrecht nicht mehr geltend machen würden. Dies gilt insbesondere für die Rückzahlung der Darlehensvaluta am Ende der vertraglich vereinbarten Laufzeit.

Die Kläger haben mit der Ablösung der Darlehen - teils durch Verrechnung der Guthaben aus der Lebensversicherung bzw. den Bausparverträgen sowie durch Abschluss eines Anschlussdarlehensvertrags - lediglich ihre Pflichten aus den Darlehensverträgen erfüllt. Weder ist die Rückführung der Darlehen vorzeitig noch auf Wunsch der Kläger erfolgt. Da der Vertrauenstatbestand nicht durch bloßen Zeitablauf geschaffen werden kann, bestand trotz des erst mehr als elf Jahre nach Aufnahme und mehr als neun bzw. mehr als drei Jahre nach Rückzahlung der Darlehen erfolgten Widerrufs kein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten auf die Nichtausübung des vom Gesetzgeber im Fall der unzureichenden Belehrung unbefristet gewährten Widerrufsrechts. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Zeit- und Umstandsmoment in einer Wechselwirkung stehen. Zeit- und Umstandsmoment können nicht voneinander unabhängig betrachtet werden.

Der Schuldner wird in seinem Vertrauen, der Gläubiger werde ihn nicht mehr in Anspruch nehmen, umso schutzwürdiger, je länger der Gläubiger untätig bleibt, obwohl eine Geltendmachung seiner Rechte zu erwarten wäre. Dies führt allerdings nicht dazu, dass bereits das Zeitmoment allein als hinreichend vertrauensbegründend anzusehen wäre, selbst wenn bis zur Geltendmachung des Rechts ein außergewöhnlich langer Zeitraum verstrichen ist. Vielmehr müssen auch in einem solchen Fall sowohl die zeitlichen wie die sonstigen Umstände des Falles in ihrer Gesamtheit die Beurteilung tragen, dass Treu und Glauben dem Gläubiger die Verfolgung des Anspruchs verwehren, mit dessen Geltendmachung der Schuldner nicht mehr rechnen musste.

Soweit die Beklagte verpflichtet ist, auf den Nutzungsersatz Kapitalertragssteuer für die Kläger an das Finanzamt abzuführen, hindert dies die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des vollen Betrages nicht. Wie der BGH entschieden hat, hindert die mit dem Einbehalt der Kapitalertragsteuer verbundene besondere Form der Steuererhebung die Durchsetzung des Anspruchs auf Herausgabe mutmaßlich gezogener Nutzungen durch eine auf den Bruttobetrag gerichtete Zahlungsklage nicht, solange der Steuerentrichtungspflichtige die Kapitalertragsteuer nicht gem. § 43 S. 2 AO abgeführt hat.

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