Das Recht am eigenen Bild ist kein Urheberrecht i.S.d. §§ 104, 105 UrhG
OLG Braunschweig 21.8.2019, 1 W 57/19
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Fotomodell und macht Ansprüche aus dem Recht am eigenen Bild geltend, weil die Beklagte auf der Homepage ihres Friseursalons ein Bild der Klägerin verwendet hat. Die Klägerin hat bereits vor dem LG Göttingen ein Versäumnisurteil erwirkt, in dem die Beklagte zur Unterlassung und Auskunft über die Dauer der Nutzung verurteilt wurde. Ferner wurde in dem Versäumnisurteil festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus der Nutzung des Bildes entstanden ist und künftig noch entsteht.
Das in der hiesigen Sache zunächst angerufene AG Northeim hat den Rechtsstreit an das AG Braunschweig verwiesen, weil es sich um eine Urheberrechtssache i.S.d. § 105 UrhG handele und damit dessen Zuständigkeit gem. § 6 Abs. 2 der niedersächsischen Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten in der Gerichtsbarkeit und der Justizverwaltung (ZustVO-Justiz) bestehe. Denn es handele sich um ein Lichtbild i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG.
Das AG Braunschweig hat sich daraufhin für örtlich unzuständig erklärt und die Sache gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dem OLG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Der Verweisungsbeschluss des AG Northeim sei demnach nicht bindend i.S.d. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO; das AG Northeim habe sich hartnäckig den von der Klägerin sorgfältig und überzeugend dargelegten Gründen für seine örtliche Zuständigkeit verschlossen; die Begründung seiner Entscheidung wirke konstruiert; es handele sich eindeutig um einen Streit nach § 22 KunstUrhG; die vom AG Northeim angeführte BGH-Entscheidung betreffe gerade die Rechte eines Fotografen und nicht - wie hier - die Rechte der abgebildeten Person.
Das OLG hat das AG Northeim für zuständig erklärt.
Die Gründe:
Das AG Northeim ist gem. §§ 12 ff. ZPO das zuständige Gericht. Eine Sonderzuständigkeit des AG Braunschweig besteht nicht. Die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.
Die Ansprüche, die die Klägerin geltend macht, sind keine solchen aus einer Urheberrechtsverletzung, sondern solche aus dem Recht am eigenen Bild; deshalb besteht keine Sonderzuständigkeit des AG Braunschweig gem. § 105 UrhG i.V.m. § 6 Abs. 2 ZustVO-Justiz. Schließlich hat die Klägerin ihre Klage ausdrücklich nicht auf Urheberrechte gestützt; sie hat vielfach deutlich gemacht, dass sie nicht Urheberin der von der Beklagten genutzten Fotografie ist. Aus der Klageschrift und den weiteren Schriftsätzen geht eindeutig hervor, dass die Klägerin die abgebildete Person ist und Schadensersatz aus Verletzung des Rechts am eigenen Bild geltend macht.
Der Anspruch, den die Klägerin geltend macht, kann sich gegebenenfalls aus § 22 KunstUrhG ergeben; Streitigkeiten über Ansprüche aus §§ 22 ff. KunstUrhG sind aber keine Urheberrechtsstreitigkeiten i.S.d. §§ 104, 105 UrhG; für Ansprüche nach dem Kunsturhebergesetz besteht keine gesetzliche Konzentrationsregelung. Der Begriff der Urheberrechtsstreitsachen umfasst alle Ansprüche aus dem Urheberrecht und alle aus diesem Recht hergeleiteten Ansprüche. Dabei genügt es, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits auch von im Urheberrechtsgesetz geregelten Rechtsverhältnissen abhängt. Diese weite Auslegung der §§ 104, 105 UrhG darf aber nicht dazu führen, dass ein Urheberrechtsstreit bereits dann vorliegt, wenn die Normen des Urheberrechtsstreits auf die Entscheidung der Streitsache ausschließlich mittelbar einwirken. Ansonsten käme es zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ausdehnung der Zuständigkeit des für Urheberrechtssachen zuständigen Gerichts, die sich nicht in Übereinstimmung mit denjenigen Grundsätzen befände, die im Bereich anderer Spezialzuständigkeiten maßgebend sind.
Nach diesen Maßstäben handelt es sich nicht um eine Urheberrechtsstreitigkeit i.S.d. §§ 104, 105 UrhG, wenn - wie hier ausschließlich - Ansprüche aus §§ 22 ff. KunstUrhG geltend gemacht werden. Die Zuständigkeit des AG Braunschweig folgt auch nicht aus § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO. Denn bei der Frage, ob eine Sonderzuständigkeit gem. § 105 UrhG vorliegt, handelt es sich um eine Frage der funktionellen Zuständigkeit; in einer solchen Konstellation entfaltet ein Verweisungsbeschluss keine Bindungswirkung, so dass es auf die Frage der Willkür nicht ankommt.
Linkhinweis:
Für den in der Rechtsprechungsdatenbank der niedersächsischen OLG veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.
Rechtsprechung der niedersächsischen Justiz
Die Klägerin ist Fotomodell und macht Ansprüche aus dem Recht am eigenen Bild geltend, weil die Beklagte auf der Homepage ihres Friseursalons ein Bild der Klägerin verwendet hat. Die Klägerin hat bereits vor dem LG Göttingen ein Versäumnisurteil erwirkt, in dem die Beklagte zur Unterlassung und Auskunft über die Dauer der Nutzung verurteilt wurde. Ferner wurde in dem Versäumnisurteil festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus der Nutzung des Bildes entstanden ist und künftig noch entsteht.
Das in der hiesigen Sache zunächst angerufene AG Northeim hat den Rechtsstreit an das AG Braunschweig verwiesen, weil es sich um eine Urheberrechtssache i.S.d. § 105 UrhG handele und damit dessen Zuständigkeit gem. § 6 Abs. 2 der niedersächsischen Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten in der Gerichtsbarkeit und der Justizverwaltung (ZustVO-Justiz) bestehe. Denn es handele sich um ein Lichtbild i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG.
Das AG Braunschweig hat sich daraufhin für örtlich unzuständig erklärt und die Sache gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dem OLG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Der Verweisungsbeschluss des AG Northeim sei demnach nicht bindend i.S.d. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO; das AG Northeim habe sich hartnäckig den von der Klägerin sorgfältig und überzeugend dargelegten Gründen für seine örtliche Zuständigkeit verschlossen; die Begründung seiner Entscheidung wirke konstruiert; es handele sich eindeutig um einen Streit nach § 22 KunstUrhG; die vom AG Northeim angeführte BGH-Entscheidung betreffe gerade die Rechte eines Fotografen und nicht - wie hier - die Rechte der abgebildeten Person.
Das OLG hat das AG Northeim für zuständig erklärt.
Die Gründe:
Das AG Northeim ist gem. §§ 12 ff. ZPO das zuständige Gericht. Eine Sonderzuständigkeit des AG Braunschweig besteht nicht. Die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.
Die Ansprüche, die die Klägerin geltend macht, sind keine solchen aus einer Urheberrechtsverletzung, sondern solche aus dem Recht am eigenen Bild; deshalb besteht keine Sonderzuständigkeit des AG Braunschweig gem. § 105 UrhG i.V.m. § 6 Abs. 2 ZustVO-Justiz. Schließlich hat die Klägerin ihre Klage ausdrücklich nicht auf Urheberrechte gestützt; sie hat vielfach deutlich gemacht, dass sie nicht Urheberin der von der Beklagten genutzten Fotografie ist. Aus der Klageschrift und den weiteren Schriftsätzen geht eindeutig hervor, dass die Klägerin die abgebildete Person ist und Schadensersatz aus Verletzung des Rechts am eigenen Bild geltend macht.
Der Anspruch, den die Klägerin geltend macht, kann sich gegebenenfalls aus § 22 KunstUrhG ergeben; Streitigkeiten über Ansprüche aus §§ 22 ff. KunstUrhG sind aber keine Urheberrechtsstreitigkeiten i.S.d. §§ 104, 105 UrhG; für Ansprüche nach dem Kunsturhebergesetz besteht keine gesetzliche Konzentrationsregelung. Der Begriff der Urheberrechtsstreitsachen umfasst alle Ansprüche aus dem Urheberrecht und alle aus diesem Recht hergeleiteten Ansprüche. Dabei genügt es, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits auch von im Urheberrechtsgesetz geregelten Rechtsverhältnissen abhängt. Diese weite Auslegung der §§ 104, 105 UrhG darf aber nicht dazu führen, dass ein Urheberrechtsstreit bereits dann vorliegt, wenn die Normen des Urheberrechtsstreits auf die Entscheidung der Streitsache ausschließlich mittelbar einwirken. Ansonsten käme es zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ausdehnung der Zuständigkeit des für Urheberrechtssachen zuständigen Gerichts, die sich nicht in Übereinstimmung mit denjenigen Grundsätzen befände, die im Bereich anderer Spezialzuständigkeiten maßgebend sind.
Nach diesen Maßstäben handelt es sich nicht um eine Urheberrechtsstreitigkeit i.S.d. §§ 104, 105 UrhG, wenn - wie hier ausschließlich - Ansprüche aus §§ 22 ff. KunstUrhG geltend gemacht werden. Die Zuständigkeit des AG Braunschweig folgt auch nicht aus § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO. Denn bei der Frage, ob eine Sonderzuständigkeit gem. § 105 UrhG vorliegt, handelt es sich um eine Frage der funktionellen Zuständigkeit; in einer solchen Konstellation entfaltet ein Verweisungsbeschluss keine Bindungswirkung, so dass es auf die Frage der Willkür nicht ankommt.
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