Datenschutz: Suchmaschinenbetreiber für personenbezogene Daten auf von ihnen verarbeiteten Webseiten nicht verantwortlich
EuGH, C-131/12: Schlussanträge des Generalanwalts vom 25.6.2013Anfang 1998 veröffentlichte eine spanische Zeitung in ihrer Druckausgabe zwei Bekanntmachungen über eine Immobilienversteigerung wegen einer Pfändung, die infolge bei der Sozialversicherung bestehender Schulden betrieben wurde. Darin wurde eine Person als Eigentümer genannt. Später stellte der Verleger eine elektronische Ausgabe der Zeitung online. Im November 2009 wandte sich der Betroffene an den Verleger der Zeitung und beanstandete, dass bei Eingabe seines Vornamens und seiner Nachnamen in die Suchmaschine von Google eine Verknüpfung zu den Seiten der Zeitung mit diesen Bekanntmachungen erscheine.
Das Pfändungsverfahren sei seit Jahren erledigt und derzeit ohne Relevanz. Der Verleger antwortete, eine Löschung der Daten komme nicht in Betracht, da die Veröffentlichung auf Anordnung des spanischen Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung erfolgt sei. Im Februar 2010 wandte sich der Betroffene an Google Spain und verlangte, dass bei der Eingabe seines Vornamens und seiner Nachnamen in die Internetsuchmaschine von Google in den Suchergebnissen keine Verknüpfungen zu der Zeitung angezeigt werden. Google Spain leitete das Ersuchen an Google Inc. mit Sitz in Kalifornien (USA) weiter, da die Internet-Suchdienste von diesem Unternehmen erbracht würden.
Daraufhin legte der Betroffene bei der spanischen Datenschutzagentur AEPD eine Beschwerde gegen den Verleger und Google ein. Im Juli 2010 gab die AEPD der Beschwerde gegen Google Spain und Google Inc. statt und forderte diese auf, die Daten aus ihrem Index zu löschen und einen künftigen Zugriff auf sie unmöglich zu machen. Die Beschwerde gegen den Verleger wurde dagegen zurückgewiesen, da die Veröffentlichung der Daten in der Presse auf einer rechtlichen Grundlage erfolgt sei. Google Inc. und Google Spain erhoben jeweils Klage beim Nationalen Obergericht in Spanien, mit der sie Aufhebung der Entscheidung der AEPD beantragen. In diesem Zusammenhang legte das spanische Gericht dem EuGH eine Reihe von Fragen vor.
Zu den Schlussanträgen des Generalanwalts:
I.
Der Generalanwalt schlägt dem EuGH vor, festzustellen, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen einer Niederlassung des für die Verarbeitung Verantwortlichen stattfindet und daher nationale Datenschutzbestimmungen auf einen Suchmaschinenbetreiber anwendbar sind, wenn dieser in einem Mitgliedstaat für die Vermarktung und den Verkauf von Werbeflächen der Suchmaschine eine Niederlassung einrichtet, deren Tätigkeit sich an die Einwohner dieses Staats richtet.
Das Geschäftsmodell der Internetsuchmaschinenbetreiber beruht in der Regel auf der Schlüsselwörterwerbung, die die Finanzierungsquelle darstellt und den Grund für die unentgeltliche Bereitstellung eines Instruments zur Lokalisierung von Informationen in Form einer Suchmaschine bildet. Das die Schlüsselwörterwerbung anbietende Unternehmen ist mit der Internetsuchmaschine verbunden. Dieses Unternehmen benötigt eine Präsenz auf nationalen Werbemärkten, weshalb Google Tochtergesellschaften in zahlreichen Mitgliedstaaten gegründet hat.
Es ist daher anzunehmen, dass eine Niederlassung personenbezogene Daten verarbeitet, wenn sie in einem Zusammenhang mit einem Dienst steht, der auf den Verkauf zielgruppenspezifischer Werbeanzeigen an die Einwohner des Mitgliedstaats ausgerichtet ist, auch wenn der technische Vorgang der Datenverarbeitung in anderen Mitgliedstaaten oder in Drittländern erfolgt.
II.
Eine nationale Datenschutzbehörde kann einen Internetsuchmaschinen-Diensteanbieter nicht zur Entfernung von Informationen aus seinem Index verpflichten, es sei denn, der Diensteanbieter hat sog. "exclusion codes" nicht beachtet oder ist einer Aufforderung seitens des Websitebetreibers zur Aktualisierung des Cache nicht nachgekommen.
Google ist nicht generell als der für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten auf den von ihnen verarbeiteten Webseiten Verantwortliche anzusehen, der nach der Richtlinie für die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen verantwortlich ist. Denn die Bereitstellung eines Instruments zur Lokalisierung von Informationen impliziert keine Kontrolle über die auf Webseiten Dritter vorhandenen Inhalte. Der Internetsuchmaschinenbetreiber ist noch nicht einmal in der Lage, zwischen personenbezogenen Daten im Sinne der Richtlinie, d.h. Informationen über eine bestimmbare lebende natürliche Person, und anderen Daten zu unterscheiden.
III.
Die Richtlinie enthält auch kein allgemeines "Recht auf Vergessenwerden". Daher kann den Suchmaschinen-Diensteanbietern aufgrund der Richtlinie kein solches Recht entgegengehalten werden.
Das in der Richtlinie vorgesehene Recht auf Berichtigung, Löschung oder Sperrung bezieht sich auf Daten, deren Verarbeitung nicht den Bestimmungen der Richtlinie entspricht, insbes. wenn diese Daten unvollständig oder unrichtig sind. Ein solcher Fall scheint hier nicht vorzuliegen. Würde von den Suchmaschinen-Diensteanbietern verlangt, in die öffentliche Sphäre gelangte legitime und rechtmäßige Informationen zu unterdrücken, käme es zu einem Eingriff in die Freiheit der Meinungsäußerung desjenigen, der die Webseite herausgibt, was im Ergebnis eine Zensur der von diesem veröffentlichten Inhalte durch einen Privaten bedeuten würde.
Linkhinweis:
- Für die auf den Webseiten des EuGH veröffentlichte Pressemitteilung klicken Sie bitte hier.
- Den Volltext der Schlussanträge des Generalanwalts (in englischer Sprache) finden Sie hier.