29.08.2018

Davidoff Hot Water III im Amazon-Marketplace: Zur Lagerung markenrechtsverletzender Waren

Der BGH hat dem EUGH zur Auslegung von Art. 9 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 (nachfolgend: GMV) und des Art. 9 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 2017/1001 (nachfolgend: UMV) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Besitzt eine Person, die für einen Dritten markenrechtsverletzende Waren lagert, ohne vom Rechtsverstoß Kenntnis zu haben, diese Ware zum Zwecke des Anbietens oder Inverkehrbringens, wenn nicht sie selbst, sondern allein der Dritte beabsichtigt, die Ware anzubieten oder in Verkehr zu bringen?

BGH 26.7.2018, I ZR 20/17
Der Sachverhalt:

Die Klägerin vertreibt Parfums. Die Beklagten gehören zum Amazon-Konzern. Die Beklagte zu 1) hat ihren Sitz in Luxemburg, die Beklagte zu 3) ist in Graben in Deutschland ansässig und betreibt dort ein Warenlager. Die Klägerin behauptet, eine Lizenz an der für die Waren "perfumery, essential oils, cosmetics" Schutz beanspruchenden Unionsmarke Nr. 876874 DAVIDOFF (Klagemarke) zu halten und zur Geltendmachung der Markenrechte im eigenen Namen ermächtigt zu sein. Auf der Webseite amazon.de eröffnet die Beklagte zu 1) im Bereich "Amazon-Marketplace" Drittanbietern die Möglichkeit, Verkaufsangebote einzustellen. Die Kaufverträge über die so vertriebenen Waren kommen zwischen den Drittanbietern und den Käufern zustande. Die Drittanbieter haben die Möglichkeit, sich an dem Programm "Versand durch Amazon" zu beteiligen, bei dem die Waren durch Gesellschaften des Amazon-Konzerns gelagert werden und der Versand über externe Dienstleister durchgeführt wird.

Am 8.5.2014 bestellte ein Testkäufer der Klägerin über die Webseite amazon.de ein von der Verkäuferin J. R. mit dem Vermerk "Versand durch Amazon" angebotenes Parfum "Davidoff Hot Water EdT 60 ml". Im Rahmen des Programms "Versand durch Amazon" hatte die Beklagte zu 1) die Beklagte zu 3) mit der Lagerung der Ware dieser Verkäuferin beauftragt. Auf eine Abmahnung der Klägerin mit der Begründung, es habe sich dabei um nicht erschöpfte Ware gehandelt, gab die Verkäuferin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Die Klägerin forderte die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 2.6.2014 zur Herausgabe aller "Davidoff Hot Water EdT 60 ml"-Parfums der Verkäuferin auf. Die Beklagte zu 1) übersandte den anwaltlichen Vertretern der Klägerin ein Paket mit der "Shipment Reference" TT0034894719, das 30 Stück dieser Parfums enthielt.

Nachdem eine andere zum Konzern der Beklagten gehörende Gesellschaft mitgeteilt hatte, dass elf der übersandten 30 Stück aus dem Lagerbestand eines anderen Verkäufers stammten, forderte die Klägerin die Beklagte zu 1) auf, Name und Anschrift dieses anderen Verkäufers anzugeben, weil bei 29 der 30 Parfums keine Erschöpfung eingetreten sei. Die Beklagte zu 1) teilte daraufhin mit, dass nicht mehr nachvollzogen werden könne, aus welchem Warenbestand die genannten elf Stück stammten. Die Klägerin hält das Verhalten der Beklagten zu 1) und 3) für markenrechtsverletzend und hat die Beklagte zu 1) mit anwaltlichem Schreiben abgemahnt.

LG und OLG wiesen die auf Unterlassung, Auskunft und Zahlung gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH die Urteile von OLG und LG auf und wies die Klage ab. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. Der BGH setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH eine Frage zur Vorabentscheidung vor.

Die Gründe:

Der Erfolg der Revision hängt davon ab, ob Art. 9 Abs. 2 Buchst. b GMV und Art. 9 Abs. 3 Buchst. b UMV dahingehend auszulegen sind, dass eine Person, die ohne Kenntnis von der Markenrechtsverletzung für einen Dritten markenrechtsverletzende Waren lagert, diese Ware zum Zwecke des Anbietens oder Inverkehrbringens besitzt, wenn nicht sie selbst, sondern allein der Dritte beabsichtigt, die Ware anzubieten oder in Verkehr zu bringen. Diese Frage bedarf der Klärung durch den EuGH.

Nach Auffassung des Senats ist die Vorlagefrage zu verneinen. Für das Patentrecht hat der BGH entschieden, dass das bloße Verwahren oder Befördern patentverletzender Ware durch einen Lagerhalter, Frachtführer oder Spediteur regelmäßig nicht zum Zweck des Anbietens oder Inverkehrbringens i.S.d. § 9 S. 2 Nr. 1 PatG erfolgt, weil es nicht gerechtfertigt ist, die Grenzen der Verantwortung des Besitzers nach § 9 PatG durch eine Zurechnung der Absicht des mittelbaren Besitzers zulasten des unmittelbaren Besitzers zu unterlaufen.

Diese Erwägung ist nach Auffassung des Senats auf das Markenrecht übertragbar. Die unter Hinweis auf die Vermarktungsabsicht des mittelbaren Besitzers angenommene täterschaftliche Haftung des Lagerhalters, der von der Rechtsverletzung keine Kenntnis hat, für den Besitz rechtsverletzender Ware überdehnt die Grenzen der Verantwortlichkeit des Besitzers nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. b GMV und Art. 9 Abs. 3 Buchst. b UMV.

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