Dem Sicherungsverlangen des Unternehmers können auch andere Motive als die bloße Erlangung einer Sicherheit zugrunde liegen
BGH 23.11.2017, VII ZR 34/15Die Beklagten hatten der Klägerin im Mai 2011 den Auftrag zum Bau eines Mehrfamilienhauses zum Pauschalfestpreis erteilt. Nach Aufnahme der Bauarbeiten entstanden Probleme, die von beiden Seiten unterschiedlich geschildert wurden. Es ging um die Klärung vermeintlich zusätzlicher Arbeiten sowie die Behandlung von Sonderwünschen der Erwerber der Eigentumswohnungen. Im September 2011 verlangte die Klägerin unter Hinweis auf ihr Vorleistungsrisiko von den Beklagten, differenzierend nach den einzelnen Vertragsverhältnissen, Sicherheit gem. § 648a Abs. 1 BGB unter Fristsetzung bis 7.10.2011. Die Beklagten baten jeweils mit Schreiben vom 6.10.2011 um eine Fristverlängerung bis zum 28.10.2011 und kündigten an, ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen.
Wegen der unterbliebenen Übergabe der geforderten Sicherheit kündigte die Klägerin die mit den Beklagten bestehenden Verträge jeweils fristlos gem. § 648a Abs. 5 S. 1 BGB mit Schreiben vom 12.10.2011 und erneut mit Schreiben vom 20.10.2011. Die Beklagten forderten die Klägerin jeweils mit Schreiben vom 26.10.2011 auf, die eingestellten Arbeiten unverzüglich, spätestens bis zum 2.11.2011 wieder aufzunehmen und vertragsgerecht fortzuführen. Mangels Wiederaufnahme der Arbeiten seitens der Klägerin erklärten die Beklagten mit Schreiben vom 7.11.2011 jeweils die Kündigung der Bauverträge aus wichtigem Grund.
Mit der Klage machte die Klägerin Restwerklohn geltend. Mit der Widerklage machten die Beklagten jeweils einen Anspruch bezüglich Mehrkosten für die Fertigstellung geltend und begehrten die Feststellung, dass die Klägerin verpflichtet ist, weitergehende Mehrkosten für die Fertigstellung zu erstatten. Das LG hat durch Grund- und Teilurteil die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Widerklage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin im Wege der Zwischenfeststellungsklage beantragt festzustellen, dass die Bauverträge durch ihre Kündigungen beendet wurden. Das OLG hat die Zwischenfeststellungsklage der Klägerin abgewiesen. Außerdem hat es das Urteil des LG aufgehoben und die Sache an das LG zurückverwiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.
Gründe:
Die Auffassung des Berufungsgerichts, die auf § 648a Abs. 5 S. 1 BGB gestützten Kündigungen der Klägerin seien wegen unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) i.V.m. einem Verstoß gegen das bauvertragliche Kooperationsgebot unwirksam, ist von Rechtsfehlern beeinflusst.
Mit dem Forderungssicherungsgesetz vom 23.10.2008 (BGBl. I S. 2022) wurde § 648a BGB grundlegend umgestaltet. Während der Unternehmer nach der Altfassung keinen durchsetzbaren Anspruch auf Sicherheitsleistung hatte, gewährt ihm nunmehr die Neufassung einen solchen einklagbaren Anspruch (vgl. BGH-Urt. v. 6.3.2014, Az.: VII ZR 349/12). Nach neuem Recht hat der Unternehmer die Wahl, ob er bei Nichtleistung der Sicherheit auf die Leistung der Sicherheit klagt oder den Vertrag kündigt. Der Unternehmer kann den Anspruch nach § 648a Abs. 1 BGB nach Vertragsschluss jederzeit geltend machen, unabhängig davon, ob sich die Parteien in einer streitigen Auseinandersetzung befinden. Somit stellt es keine unzulässige Rechtsausübung und auch keinen Verstoß gegen das bauvertragliche Kooperationsgebot dar, wenn dem Sicherungsverlangen des Unternehmers auch andere Motive als die bloße Erlangung einer Sicherheit zugrunde liegen.
Die Erwägung des OLG, der Klägerin sei es bei ihrem Sicherungsverlangen jedenfalls nicht vorrangig darum gegangen, eine Sicherheit zu erlangen, vielmehr habe sie die Beklagten zu Verhandlungen über die Abwicklung des Bauvorhabens motivieren wollen, ist als Grundlage für die Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung nicht tragfähig. Gleiches gilt für die weitere Erwägung, die Klägerin hätte das Sicherungsverlangen für den Fall der Nichteinigung androhen müssen und das Sicherungsverlangen erst nach Scheitern der unter Einbeziehung dieser Drohung geführten Verhandlungen stellen dürfen. Es braucht hier auch nicht entschieden werden, ob der Anwendungsbereich des § 648a BGB in Fällen des offensichtlichen Rechtsmissbrauchs zu begrenzen ist. Die vom OLG getroffenen Feststellungen rechtfertigen die Annahme eines offensichtlichen Rechtsmissbrauchs jedenfalls nicht.
Der Senat kann allerdings mangels hinreichender Feststellungen des Berufungsgerichtes zur Angemessenheit der Frist zur Leistung der Sicherheit weder selbst über die Begründetheit der Zwischenfeststellungsklage und der Zwischenfeststellungswiderklage noch über die Berufungen der Beklagten entscheiden. Welche Frist angemessen ist, lässt sich nicht allgemein, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls bestimmen.
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