16.12.2016

Deutsche Gerichte können bei Berichterstattungen auf Internetseiten von ausländischen Rundfunkanstalten international zuständig sein

Die Berichterstattung einer mit einem öffentlich-rechtlichen Rundfunkauftrag ihres Staates beliehenen ausländischen Rundfunkanstalt erfolgt im Verhältnis zu dem von dieser Berichterstattung in seinem Persönlichkeitsrecht betroffenen Bürger nicht iure imperii i.S.v. Art. 27 Abs. 2 des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität vom 16.5.1972. Die deutschen Gerichte sind nach Art. 5 Nr. 3 LugÜ II international zuständig für eine auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkte Unterlassungsklage wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten gegen die Berichterstattung auf der Internetseite einer ausländischen Rundfunkanstalt.

BGH 25.10.2016, VI ZR 678/15
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist die Ehefrau des ehemaligen Rennfahrers Michael Schumacher. Sie ist deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Schweiz. Die Beklagte ist eine schweizerische Rundfunkanstalt. Die von der Beklagten auf ihrer Internetseite www.srf.ch zum Abruf bereitgehaltenen, von der Klägerin unter Berufung auf ihr Recht am eigenen Bild angegriffenen Bildnisse und das Video zeigen - im Rahmen der Berichterstattung der Beklagten über die Folgen des Skiunfalles von Michael Schumacher und den Umgang der Medien mit diesem Thema - die Klägerin beim Besuch ihres Ehemannes im Krankenhaus.

Die Klägerin hatte die Beklagte für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland auf Unterlassung der oben genannten Internet-Bildberichterstattung in Anspruch genommen. Das LG Köln hat seine internationale Zuständigkeit angenommen und die Klage mit Zwischenurteil für zulässig erklärt. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos; ebenso ihre Revision vor dem BGH.

Die Gründe:
Die deutsche Gerichtsbarkeit war eröffnet. Der Klage stand der von Amts wegen zu prüfende Grundsatz der Staatenimmunität nicht entgegen (§ 20 Abs. 2 GVG, Art. 25 GG). Die Frage der Staatenimmunität bestimmte sich vorliegend nach dem Europäischen Übereinkommen über Staatenimmunität vom 16.5.1972, das seit dem 7.10.1982 in der Schweiz und seit dem 16.8.1990 in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft ist. Die Berichterstattung einer mit einem öffentlich-rechtlichen Rundfunkauftrag ihres Staates beliehenen ausländischen Rundfunkanstalt erfolgt im Verhältnis zu dem von dieser Berichterstattung in seinem Persönlichkeitsrecht betroffenen Bürger nicht iure imperii i.S.v. Art. 27 Abs. 2 des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität vom 16.5.1972.

Zutreffend war auch, dass eine - auch nach § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz zu prüfende - internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30.10.2007 (Lugano-Übereinkommen, LugÜ II) bestand. Für die Auslegung der Vorschriften des LugÜ II gelten im Wesentlichen dieselben Grundsätze wie für die Auslegung des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 (EuG-VÜ) und der dieses in Gemeinschaftsrecht überführenden Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 (EuGVVO a.F.) und des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.9.1988 (LugÜ I), da sich die Unterzeichnerstaaten zu einer möglichst einheitlichen Auslegung der Bestimmungen verpflichtet haben.

Dabei ist zu beachten, dass die in den Übereinkommen verwendeten Begriffe grundsätzlich autonom, d.h. ohne Rückgriff auf die lex fori oder lex causae (Recht des in Anspruch genommenen Staates) auszulegen sind. In erster Linie sind Systematik und Zielsetzung des Übereinkommens zu berücksichtigen, um die einheitliche Anwendung des Übereinkommens in allen Vertragsstaaten zu gewährleisten. Infolgedessen sind für eine auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkte Unterlassungsklage wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten gegen die Berichterstattung auf der Internetseite einer ausländischen Rundfunkanstalt die deutschen Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 LugÜ II international zuständig. Entgegen der Auffassung der Beklagten gab es keine Veranlassung, den EuGH gem. Art. 267 Abs. 1 bis 3 AEUV um eine Vorabentscheidung zu ersuchen. Denn die im Streitfall maßgebliche unionsrechtliche Frage war bereits Gegenstand der EuGH-Entscheidung vom 25.10.2011 (C-509/09 u.a. - eDate Advertising) und ist damit acte éclairé (vgl. EuGH-Urt. v. 6.10.1982 - C-283/81).

Linkhinweise:

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