Die Mitwirkung des vertraglich eingesetzten Erben an der Aufhebung seiner Erbeinsetzung ist höchstpersönlich und nicht anfechtbar
BGH 20.12.2012, IX ZR 56/12Die Schuldnerin erklärte sich bereit, die über achtzigjährige Erblasserin bei sich aufzunehmen und sie zu pflegen. In Anerkennung dieser Pflegeleistung setzte die Erblasserin die Schuldnerin im notariellen Vertrag vom 29.12.2003 zur Erbin und die Tochter der Schuldnerin, die Beklagte, zur Ersatzerbin ein. Am 11.5.2005 hoben die Vertragsparteien durch notariellen Vertrag die Erbeinsetzung auf. Die Erblasserin setzte - insoweit vertragsgemäß - die Schuldnerin zur alleinigen, nicht befreiten Vorerbin ein. Ferner berief die Erblasserin die Beklagte zur Nacherbin und bestimmte, dass diese auch Ersatzerbin sei.
Auf Antrag eines Gläubigers vom 22.3.2006 wurde am 12.5.2006 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Am 5.3.2009 verstarb die Erblasserin. Der Kläger focht den zweiten Erbvertrag gegenüber der Beklagten an. Mit der Klage will er erreichen, dass die Beklagte ihre Rechte aus dem zweiten Erbvertrag auf ihn überträgt.
Das LG gab der statt; das OLG wies sie ab. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der Kläger kann weder die im zweiten Erbvertrag vom 11.5.2005 vereinbarte Aufhebung der im ersten Erbvertrag vom 29.12.2003 erfolgten Erbeinsetzung der Schuldnerin noch ihre Mitwirkung am zweiten Erbvertrag noch die Erbeinsetzung der Beklagten als Nacherbin anfechten.
Wegen der vom ersten Erbvertrag ausgehenden Bindungswirkung (§ 2290 Abs. 1 S. 1, § 2291 Abs. 1 S. 1 BGB) konnte die Beklagte die streitige Rechtsstellung als Nacherbin grundsätzlich nur infolge des Einvernehmens von Schuldnerin und Erblasserin erlangen. War die Aufhebung des ersten Erbvertrages anfechtungsfest, unterliegt in der Insolvenz der Schuldnerin auch die hierdurch erst ermöglichte einseitige letztwillige Verfügung der Erblasserin nicht der Insolvenzanfechtung, weil es sich hierbei aus der Sicht der künftigen Masse nur um einen weiteren Teilakt eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorgangs handelt, an dessen Ende die Verlagerung eines Teils der erbrechtlichen Anwartschaft von der Schuldnerin auf die Beklagte steht.
Dies war vorliegend der Fall. Die Aufhebung der Erbeinsetzung in dem zweiten Erbvertrag unterfällt nicht der Insolvenzanfechtung, weil es sich um eine höchstpersönliche Entscheidung der Schuldnerin handelt. Dies ergibt sich aus der Rechtsprechung des Senats zur Annahme oder Ausschlagung von Erbschaften und Vermächtnissen sowie zur Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen. Die hierzu entwickelten Grundsätze gelten auch für die Entscheidung der Schuldnerin, der Aufhebung eines Erbvertrages zuzustimmen, durch den sie zur Erbin eingesetzt wird. Die Wirkungen dieser höchstpersönlichen Erklärung dürfen nicht durch die anfechtungsrechtliche Rückgewähr (§ 143 Abs. 1 InsO) unterlaufen werden.
Durch ihr Mitwirken an dem zweiten Erbvertrag hat die Schuldnerin auf ihre unbeschränkte Erbeinsetzung verzichtet und sich zur nicht befreiten Vorerbin (§§ 2112 ff BGB) und ihre Tochter, die Beklagte, zur Nacherbin (§ 2100 BGB) einsetzen lassen. Sie kann über die zur Erbschaft gehörenden Gegenstände verfügen, allerdings nur unter den Einschränkungen der §§ 2113 bis 2115 BGB. Dem Insolvenzverwalter ist die Veräußerung überdies durch § 83 Abs. 2 InsO ausdrücklich untersagt. Er kann nur die
Erbschaftsnutzungen verwerten.
Der Kläger kann den zweiten - für die Masse nachteiligen - Erbvertrag oder die Mitwirkung der Schuldnerin an ihm nicht anfechten, wie er auch einen Erbverzicht gem. §§ 2346 ff BGB nicht anfechten könnte. Die Stellung des Vertragserben, der nach § 2290 Abs. 1 BGB an der Aufhebung seiner Erbeinsetzung mitwirkt, unterscheidet sich nicht wesentlich von dem Erben, der die Erbschaft ausschlägt, auf die Erbschaft verzichtet, ggf. mit der Wirkung, dass er seinen Pflichtteilsanspruch verliert, oder von dem Vermächtnisnehmer, der das Vermächtnis ausschlägt, und dem Pflichtteilsberechtigten, der seinen Anspruch gegen den Erben nicht geltend macht. Er ist deswegen nicht anders zu behandeln. Auch er trifft mit der Mitwirkung an den Aufhebungsvertrag nach § 2290 BGB eine höchstpersönliche Entscheidung, ob und inwieweit er Erbe sein will.
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