16.09.2013

Die Übertragung von Flächen des Nationalen Naturerbes an Naturschutzorganisationen in Deutschland stellt eine staatliche Beihilfe dar

Das EuG hat die Entscheidung der EU-Kommission, dass die von Deutschland vorgenommene unentgeltliche Übertragung von Flächen des Nationalen Naturerbes an Naturschutzorganisationen eine staatliche Beihilfe darstellt, bestätigt. Da diese Organisationen Güter und Dienstleistungen unmittelbar auf Wettbewerbsmärkten anbieten, sind sie als Unternehmen anzusehen.

EuG 12.9.2013, T-347/09
Der Sachverhalt:
Angesichts erheblicher Kosten für die Pflege und Entwicklung der Flächen des Nationalen Naturerbes beschloss Deutschland, bis zu 125.000 ha dieser Flächen unentgeltlich an die Länder, von diesen eingerichtete Stiftungen, die Deutsche Bundesstiftung Umwelt und andere Naturschutzorganisationen zu übertragen. Die Begünstigten dieser Übertragungen sollten bestimmte Naturschutzverpflichtungen zu beachten haben und die mit der Übertragung, der Erhaltung und Altlastenrisiken verbundenen Kosten übernehmen. Sollten die Einnahmen aus der erlaubten Nutzung der Flächen die tatsächlichen Ausgaben übersteigen, sollte die Differenz an den Bund abgeführt oder für die Erhaltung des Naturerbes verwendet werden müssen.

Darüber hinaus hatte Deutschland eine finanzielle Förderung von Naturschutzgroßprojekten vorgesehen. Jede interessierte Organisation sollte Vorschläge für solche Projekte unterbreiten können; als Projektträger sollten aber nur staatliche Einrichtungen oder Naturschutzorganisationen in Frage kommen. Die Bundesregierung sollte sich mit höchstens 75 Prozent an den förderfähigen Projektkosten beteiligen. Die restlichen Kosten sollten von den Ländern oder den Projektträgern zu tragen sein, wobei Letztere mindestens 10 Prozent übernehmen müssten. Die privaten Naturschutzorganisationen sollten, begrenzt durch die von der Bundesregierung verhängten Nutzungsauflagen, die Möglichkeit haben, mit den von ihnen verwalteten Flächen Einnahmen vor allem aus der Jagd- und Fischereipacht, Holzverkäufen im Rahmen der Waldpflege und Tourismustätigkeiten zu erwirtschaften.

Diese Einnahmen sollten jedoch mit den Projektkosten verrechnet werden, und wenn die Einnahmen die Kosten überstiegen, sollte die Differenz an den Bund abgeführt werden müssen. Deutschland meldete diese beiden Maßnahmen 2007 bei der Kommission an und ging davon aus, dass die Kommission sie nicht als staatliche Beihilfen einstuft. Die Kommission entschied jedoch 2009, dass die fraglichen Maßnahmen doch staatliche Beihilfen darstellten, aber mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar seien. Deutschland erhob daraufhin Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission. Frankreich, die Niederlande und Finnland sind dem Rechtsstreit als Streithelfer zur Unterstützung Deutschlands beigetreten.

Das EuG wies die Klage ab.

Die Gründe:
Auch wenn die Naturschutztätigkeit, die Gegenstand der fraglichen Maßnahmen ist, ausschließlich sozialen Charakter hat und keine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt, hat die Kommission zu Recht festgestellt, dass die Naturschutzorganisationen weitere Tätigkeiten ausüben, die wirtschaftlichen Charakter haben und bzgl. deren diese Organisationen als Unternehmen anzusehen sind.

Durch die im Rahmen der fraglichen Maßnahmen zulässigen Tätigkeiten - wie Verkauf von Holz, Jagd- und Fischereipacht sowie Tourismus - bieten die Naturschutzorganisationen nämlich Güter und Dienstleistungen unmittelbar auf Wettbewerbsmärkten an. Sie verfolgen mit diesen Tätigkeiten ein gesondertes, vom ausschließlich sozialen Naturschutzzweck trennbares Interesse. Wenn die Naturschutzorganisationen bei der Ausübung dieser Tätigkeiten mit Wirtschaftsteilnehmern, die eine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen, im Wettbewerb stehen, spielt es keine Rolle, dass sie ihre Güter und Dienstleistungen ohne Gewinnerzielungsabsicht anbieten.

Die Kommission hat zudem zu Recht festgestellt, dass in der unentgeltlichen Übertragung von Flächen, die kommerziell genutzt werden können, ein Vorteil für die Naturschutzorganisationen zu sehen ist. Eine solche Maßnahme begünstigt diese Organisationen nämlich gegenüber anderen in den betreffenden Bereichen tätigen Unternehmen, die in Flächen investieren müssen, um dieselben wirtschaftlichen Tätigkeiten ausüben zu können. Die Notwendigkeit, die Erfordernisse des Umweltschutzes zu berücksichtigen, so legitim diese auch sein mögen, rechtfertigt nicht die Herausnahme solcher selektiver Maßnahmen aus dem Anwendungsbereich der Unionsvorschriften über staatliche Beihilfen.

Schließlich ist die Kommission auch zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass auch das sog. Altmark-Urteil (24.7.2003, C-280/00), wonach eine staatliche Maßnahme zugunsten eines Unternehmens, das mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut ist, unter bestimmten Umständen nicht als staatliche Beihilfe zu qualifizieren sein kann, einer Einstufung der fraglichen Maßnahmen als Beihilfen nicht entgegensteht.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuG PM Nr. 104 vom 12.9.2013
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