Direkter Verkauf von Bio-Erzeugnissen an den Endverbraucher?
BGH 29.3.2018, I ZR 243/14Die Beklagte betreibt einen Internetversandhandel für Kamin- und Grillbedarf. Zu ihrem Sortiment gehören verschiedene Gewürzmischungen, die sie im Dezember 2012 u.a. unter den Bezeichnungen "Bio-Gewürze", "Bio-Feinschmecker Gewürzmischungen" und "Bio-Feinschmecker" zum Verkauf anbot. Zu diesem Zeitpunkt war die Beklagte nicht dem Kontrollsystem gem. Art. 27 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen unterstellt.
Mit einem als "Abmahnung" bezeichneten Schreiben beanstandete die klagende Wettbewerbszentrale diese Angebote als Verstoß gegen Art. 28 Abs. 1 der Verordnung Nr. 834/2007. Sie forderte die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die Beklagte kam dieser Aufforderung nach. Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin die Erstattung eines Teils der ihr durch die Abmahnung entstandenen Aufwendungen i.H.v. rd. 220 € nebst Zinsen.
Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr statt. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Der BGH setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH folgende Frage zur Auslegung des Art. 28 Abs. 2 der Verordnung Nr. 834/2007 zu Vorabentscheidung vor:
"Liegt ein i.S.v. Art. 28 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 "direkter" Verkauf an Endverbraucher bereits vor, wenn der Unternehmer oder sein Verkaufspersonal dem Endverbraucher die Erzeugnisse ohne Zwischenschaltung eines Dritten verkauft, oder setzt ein "direkter" Verkauf darüber hinaus voraus, dass der Verkauf am Ort der Lagerung der Erzeugnisse unter gleichzeitiger Anwesenheit des Unternehmers oder seines Verkaufspersonals und des Endverbrauchers erfolgt?"
Der EuGH hat hierüber durch Urteil vom 12.10.2017 (C-289/16) wie folgt entschieden:
"Art. 28 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28.6.2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) 2092/91 ist dahin auszulegen, dass Erzeugnisse nur dann im Sinne dieser Bestimmung "direkt" an den Endverbraucher oder -nutzer verkauft werden, wenn der Verkauf unter gleichzeitiger Anwesenheit des Unternehmers oder seines Verkaufspersonals und des Endverbrauchers erfolgt."
Der BGH wies die Revision der Beklagten daraufhin zurück.
Die Gründe:
Der Klägerin steht gem. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG ein Anspruch auf Ersatz der ihr entstandenen Abmahnkosten zu. Die Abmahnung der Klägerin war berechtigt. Die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs der Klägerin gem. § 8 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG a.F. i.V.m. Art. 28 Abs. 1 der Verordnung Nr. 834/2007 lagen vor.
Das OLG ist insbesondere mit Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte nicht gem. § 3 Abs. 2 ÖLG von den Pflichten nach Art. 28 Abs. 1 der Verordnung Nr. 834/2007 freigestellt war. Gem. § 3 Abs. 2 ÖLG sind Unternehmer, die Erzeugnisse i.S.v. Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 834/2007 als ökologische/biologische Erzeugnisse oder Umstellungserzeugnisse direkt an den Endverbraucher oder -nutzer abgeben, vom Einhalten der Pflichten nach Art. 28 Abs. 1 der Verordnung Nr. 834/2007 freigestellt, soweit sie diese Erzeugnisse nicht selbst erzeugen oder erzeugen lassen, aufbereiten oder aufbereiten lassen, an einem anderen Ort als einem Ort in Verbindung mit der Verkaufsstelle lagern oder lagern lassen oder aus einem Drittland einführen oder einführen lassen.
Der Anwendung dieses Befreiungstatbestands steht allerdings nicht entgegen, dass die Beklagte die von ihr angebotenen Erzeugnisse selbst erzeugt oder erzeugen lässt, aufbereitet oder aufbereiten lässt, an einem anderen Ort als einem Ort in Verbindung mit der Verkaufsstelle lagert oder lagern lässt oder aus einem Drittland einführt oder einführen lässt. Das OLG hat nicht festgestellt, dass einer dieser Fälle im Streitfall vorlag. Das OLG ist davon ausgegangen, dass die Beklagte ihre Erzeugnisse nicht "direkt" i.S.d. § 3 Abs. 2 ÖLG an Endverbraucher abgegeben hat. Es hat angenommen, ein "direkter" Verkauf liege nur vor, wenn der Verkauf am Ort der Lagerung des Erzeugnisses unter gleichzeitiger Anwesenheit des Unternehmers oder seines Verkaufspersonals und des Verbrauchers erfolge. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
Die Bestimmung des § 3 Abs. 2 ÖLG beruht auf Art. 28 Abs. 2 der Verordnung Nr. 834/2007. Sie ist daher in Übereinstimmung mit dieser Vorschrift auszulegen. Gem. Art. 28 Abs. 2 der Verordnung Nr. 834/2007 können die Mitgliedstaaten Unternehmer, die Erzeugnisse direkt an Endverbraucher oder -nutzer verkaufen, von der Anwendung des Artikels 28 dieser Verordnung befreien, sofern die Unternehmer die Erzeugnisse nicht selbst erzeugen, aufbereiten oder an einem anderen Ort als in Verbindung mit der Verkaufsstelle lagern oder solche Erzeugnisse nicht aus einem Drittland einführen oder solche Tätigkeiten auch nicht von Dritten ausüben lassen. Nach diesen Maßstäben fehlt es an einem direkten Verkauf an den Endverbraucher.
Wie der EuGH auf den Vorlagebeschluss des Senats hin ausgesprochen hat, ist Art. 28 Abs. 2 der Verordnung Nr. 834/2007 dahin auszulegen, dass Erzeugnisse nur dann im Sinne dieser Bestimmung "direkt" an den Endverbraucher oder -nutzer verkauft werden, wenn der Verkauf unter gleichzeitiger Anwesenheit des Unternehmers oder seines Verkaufspersonals und des Endverbrauchers erfolgt. Diese Voraussetzungen liegen bei dem hier maßgeblichen Online-Versandhandel von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die mit der Bezeichnung "Bio" als aus ökologischer/biologischer Produktion stammend gekennzeichnet sind, nicht vor.
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