20.10.2015

Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens als Prozessvoraussetzung bei Streitfällen nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UrhWG

Bei Streitfällen nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UrhWG, an denen eine Verwertungsgesellschaft beteiligt ist und die die Vergütungspflicht nach § 54 oder § 54c UrhG betreffen, ist die Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens nach § 16 Abs. 1 UrhWG auch dann Prozessvoraussetzung, wenn die Anwendbarkeit und die Angemessenheit des Tarifs nicht bestritten sind. Die Ausnahme von der Prozessvoraussetzung der Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens gilt nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 2 S. 1 UrhWG allein für Streitfälle nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UrhWG.

BGH 20.10.2015, I ZR 148/14
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Verwertungsgesellschaft i.S.v. § 1 UrhWG zur Verwertung der Urheber- und Leistungsschutzrechte von Medienunternehmen. Sie nimmt die ihr von privaten Fernseh- und Hörfunkveranstaltern eingeräumten Vergütungsansprüche nach §§ 54, 54b UrhG gegen Hersteller, Händler und Importeure von Geräten und Speichermedien wahr. Die Beklagte stellt Speichermedien her, die sie im Inland vertreibt.

Die Klägerin ist der Ansicht, die von ihr vertretenen privaten Fernseh- und Hörfunkveranstalter hätten als Sendeunternehmen gegen die Beklagte wegen des Inverkehrbringens von Speichermedien nach § 54 Abs. 1 UrhG Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung. Der sich aus § 87 Abs. 4 UrhG ergebende Ausschluss der Sendeunternehmen von einem solchen Vergütungsanspruch sei mit Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft unvereinbar und daher unbeachtlich.

Die Klägerin erhob Klage beim LG Oldenburg und beantragte festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr für das Inverkehrbringen von - näher bezeichneten - Speichermedien in Deutschland im Jahre 2010 eine angemessene Vergütung zu zahlen. Für den Fall, dass diesem Antrag stattgegeben wird, beantragte sie ferner, die Beklagte zur Auskunftserteilung zu verurteilen.

Das LG Oldenburg verwies den Rechtsstreit an das OLG München. Das OLG wies die Klage als unzulässig ab. Die Revision wurde nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin blieb vor dem BGH ohne Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen, weil der Klageerhebung entgegen dem Wortlaut des § 16 Abs. 1 UrhWG kein Verfahren vor der Schiedsstelle vorausgegangen ist.

Bei Streitfällen nach § 14 Abs. 1 UrhWG - wie dem hier in Rede stehenden Streitfall nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UrhWG, an dem eine Verwertungsgesellschaft beteiligt ist und der die Vergütungspflicht nach § 54 UrhG betrifft - können gem. § 16 Abs. 1 UrhWG Ansprüche mit der Klage grundsätzlich erst dann geltend gemacht werden, nachdem zuvor ein Verfahren vor der Schiedsstelle stattgefunden hat oder (was hier mangels vorheriger Anrufung der Schiedsstelle nicht in Betracht kommt) dieses nicht innerhalb des Verfahrenszeitraums nach § 14a Abs. 2 S. 1 und 2 UrhWG abgeschlossen worden ist. Die Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens ist Prozessvoraussetzung; wurde kein Schiedsstellenverfahren durchgeführt, ist die Klage als unzulässig abzuweisen.

Bei Streitfällen nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UrhWG - also Streitfällen, an denen eine Verwertungsgesellschaft beteiligt ist und die die Nutzung von nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Werken oder Leistungen betreffen - muss der Klageerhebung gem. § 16 Abs. 2 S. 1 UrhWG kein Schiedsstellenverfahren vorausgegangen sein, wenn die Anwendbarkeit und die Angemessenheit des Tarifs nicht bestritten sind. Das OLG hat es insoweit mit Recht abgelehnt, die Regelung des § 16 Abs. 2 S. 1 UrhWG über ihren Wortlaut hinaus auf Streitfälle nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UrhWG auszudehnen, wenn bei diesen Streitfällen die Anwendbarkeit und die Angemessenheit des Tarifs nicht bestritten sind.

Letztlich kann nicht mit der notwendigen Sicherheit davon ausgegangen werden, es beruhe auf einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers, dass in § 16 Abs. 2 S. 1 UrhWG lediglich die Streitfälle nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UrhWG und nicht auch die Streitfälle nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UrhWG genannt sind. Zwar könnten sowohl die Entstehungsgeschichte des § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UrhWG als auch der Zweck des § 16 Abs. 2 S. 1 UrhWG für ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers sprechen. Das OLG hat jedoch mit Recht angenommen, dass im Blick auf die Neufassung des § 16 Abs. 4 S. 1 UrhWG durch das Zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers bestehen.

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