05.12.2023

Ehemaliger Geschäftsführer wartet zu lange - Eilantrag abgewiesen

In der Rechtsprechung ist insoweit anerkannt, dass jedenfalls dann nicht (mehr) von der erforderlichen Dringlichkeit ausgegangen werden kann, wenn der Antragsteller in Kenntnis aller Umstände zu lange Zeit bis zur Stellung des Verfügungsantrags zuwartet. Wie lange der Antragsteller dabei mit dem Antrag zuwarten darf, lässt sich nicht allgemein bestimmen und hängt von der Art des Anspruchs und den Umständen des Einzelfalls ab.

LG Lübeck v. 9.11.2023 - 15 O 231/23
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller hat zusammen mit seiner Ehefrau ein Unternehmen aufgebaut, das Kamin-Ersatzteile über Onlineshops vertreibt. Die Antragsgegnerinnen zu 1) und zu 4) sind Teil eines Unternehmens, das ebenfalls Kamin-Ersatzteile über Onlineshops vertreibt. In der Vergangenheit hielt der Antragsteller seine Beteiligung an den Antragsgegnerinnen zu 1) und zu 4) über seine Beteiligungsgesellschaft A-GmbH. Er war u.a. Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1).

Der Antragsteller hatte in der Vergangenheit Zugriff auf einen bestimmten Account mit der Bezeichnung XY. Als Kontaktadresse hatte er in diesem XY-Account seine geschäftliche Email-Adresse hinterlegt. Mit Unternehmenskaufvertrag vom 22.12.2020 veräußerten die A-GmbH und die Ehefrau des Antragstellers ihre Anteile an die B-GmbH. Gesellschafter und Geschäftsführer der B-GmbH sind heute die Antragsgegner zu 2) und zu 3), die zudem Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1) sind. Der Antragsgegner zu 2) ist zudem Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 4). Der Antragsteller war nach dem Abschluss des Unternehmenskaufvertrages zunächst weiter Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1).

Im September 2021 wurde der Zugriff des Antragstellers auf seine bis dahin genutzte E-Mail-Adresse unternehmensseitig unterbunden. Im Oktober/November 2021 beendete er jede weitere Zusammenarbeit mit der Firmengruppe. Einige Monate später ließ der Antragsgegner zu 3) über die "Passwort vergessen"-Funktion das Passwort des XY-Accounts des Antragstellers zurücksetzen. Die E-Mail mit dem Link zur Neuvergabe eines Passworts bzw. einem Zugangs-Codes wurde zu einer E-Mail-Adresse versandt, auf die nur noch die Antragsgegner Zugriff hatten. Derart verschafften sich die Antragsgegner Zugriff auf den gesamten Inhalt des XY-Accounts. Dem Antragssteller war jedenfalls seit dem 8.5.2022 bewusst, dass die Geschäftsführung der Antragsgegnerin zu 1) Zugang zu dem streitgegenständlichen XY-Account hat.

Der Antragssteller behauptete, es handele sich dabei um kein von der Antragsgegnerin zu 1) vorgegebenes unternehmensinternes Kommunikationsmittel. Innerhalb der Unternehmensgruppe kommunizierten die Mitarbeiter vielmehr seit 2019 über ein anderes System. Die private Nutzung des XY-Accounts habe er sich als damaliger Geschäftsführer lediglich selbst erlaubt. Den Account habe er sowohl im privaten als auch im geschäftlichen Umfeld der A-GmbH genutzt. Unterlassungsansprüche machte er erstmals gerichtlich Anfang September 2023 geltend.

Das LG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen.

Die Gründe:
Es fehlte an dem erforderlichen Anordnungsgrund, also an der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung immer erforderlichen Dringlichkeit.

In der Rechtsprechung ist insoweit anerkannt, dass jedenfalls dann nicht (mehr) von der erforderlichen Dringlichkeit ausgegangen werden kann, wenn der Antragsteller in Kenntnis aller Umstände zu lange Zeit bis zur Stellung des Verfügungsantrags zuwartet. Wie lange der Antragsteller dabei mit dem Antrag zuwarten darf, lässt sich nicht allgemein bestimmen und hängt von der Art des Anspruchs und den Umständen des Einzelfalls ab. Für wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche wird in der Regel ein Zuwarten von einem Monat noch akzeptiert, während zwei Monate dringlichkeitsschädlich sind. Die Tatsachen der Gefährdung der Rechtsstellung, müssen dem Antragsteller dabei bekannt gewesen sein oder er muss sich trotz Vorliegens insoweit bestehender konkreter Anhaltspunkte der Kenntnis längere Zeit bewusst verschlossen haben.

Eine derartiges zu langes Zuwarten, dass der Annahme der Dringlichkeit entgegensteht, lag hier vor. Dem Antragssteller war unstreitig seit dem 8.5.2022 positiv bekannt, dass die Antragsgegnerseite Zugriff auf den streitgegenständlichen XY-Account genommen hatte. Dennoch hat er erst Anfang September, mithin erst nach vier Monaten gerichtlichen Schutz in Anspruch genommen. Auf besondere Dringlichkeit konnte er sich damit nicht mehr berufen.

Der Antrag, es zu unterlassen, "Daten aus dem unter seiner E-Mail-Adresse registrierten XY-Account zu nutzen und/oder nutzen zu lassen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen und/oder zu verwerten und/oder verwerten zu lassen und/oder zu verarbeiten und/oder verarbeiten zu lassen" war bereits unzulässig. Der Antrag war im Hinblick auf die nachvollziehbare Bezeichnung der Daten, deren Nutzung bzw. Verbreitung untersagt werden soll, zu unbestimmt. Soweit diese Daten dadurch umschrieben wurden, dass sie dem unter der Email-Adresse registrierten XY-Account angehören sollten, reichte dies für eine irgendwie geartete Bestimmbarkeit der Daten nicht aus. Denn für außenstehende Dritte - und damit insb. auch für Gerichtsvollzieher bzw. das Vollstreckungsgericht - ist nicht erkennbar, mit welcher Email-Adresse sich etwaige Nutzer registriert haben.

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