23.12.2015

Einbeziehung von Schadensersatzaufwand wegen einfach fahrlässiger Amtspflichtverletzungen in die Umlage der BaFin zulässig

In die von der BaFin erhobene Umlage darf Schadensersatzaufwand jedenfalls insoweit eingerechnet werden, als er durch einfach fahrlässige Amtspflichtverletzungen verursacht wird und im Verhältnis zur Gesamtumlage nicht beträchtlich ins Gewicht fällt. Durch die Umlage soll eine wirkungsvolle Aufsichtstätigkeit finanziert werden, was sich auch zum Vorteil der beaufsichtigten Unternehmen auswirkt. Dabei werden sich einfach fahrlässige Fehlleistungen kaum vollständig vermeiden lassen.

BVerfG 24.11.2015, 2 BvR 355/12
Der Sachverhalt:
Die beschwerdeführende Bank unterliegt der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die BaFin deckt ihre Kosten aus eigenen Einnahmen, u.a. mit einer von den beaufsichtigten Unternehmen erhobenen Umlage nach § 16 Abs. 1 FinDAG. Im Jahr 2006 entschied das OLG Frankfurt a.M.

In einem anderen Verfahren, dass einem früheren Vorstandsmitglied einer (anderen) Bank dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus Amtspflichtverletzung gegen die BaFin zusteht. Zur Deckung des voraussichtlich zu leistenden Schadensersatzes stellte die BaFin in den Haushaltsplan 2009 einen - im Vergleich zum Vorjahr um 2,2 Mio. € höheren - Betrag von insgesamt 2,45 Mio. € ein, was etwa 2 Prozent des gesamten Umlagevolumens entsprach. Die Beschwerdeführerin wurde von der BaFin für 2009 zu Umlagevorauszahlungen von rd. 1,03 Mio. € herangezogen.

Die Widersprüche und Klagen der Beschwerdeführerin, die sich ausschließlich gegen die anteilige Umlage der Kosten aus Amtshaftungsansprüchen richteten, blieben ohne Erfolg. Die nunmehr erhobene Verfassungsbeschwerde hatte vor dem BVerfG keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Beschwerdeführerin wird durch die Umlagebescheide der BaFin und sie bestätigende verwaltungsgerichtliche Entscheidungen nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. den finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen an Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion verletzt.

Das BVerfG hat bereits mit Beschluss vom 16.9.2009 entschieden, dass die Abgabe nach § 16 FinDAG den Anforderungen an nichtsteuerliche Abgaben mit Finanzierungsfunktion genügt. Sie dient der Bewältigung derjenigen Risiken, die von nicht reglementierten Tätigkeiten der beaufsichtigten Unternehmen ausgehen können. Gleichzeitig soll sie das Vertrauen der Anleger in die Solidität und Lauterkeit dieser Unternehmen als notwendige Rahmenbedingung für einen funktionsfähigen Finanzmarkt stärken. Damit dient sie einem Sachzweck, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht. Die beaufsichtigten Unternehmen sind eine homogene und abgrenzbare Gruppe, die durch gemeinsame Gegebenheiten und Interessenlagen verbunden ist.

Diese Gruppe steht zu dem Zweck der Abgabe in einer spezifischen Beziehung. Charakteristisch für den Finanzmarkt ist, dass Fehlentwicklungen, denen die Aufsicht vorbeugen soll, nicht nur das einzelne Unternehmen, sondern den Markt insgesamt betreffen. Der Finanzmarkt hat für seine Tätigkeit das uneingeschränkte Vertrauen der Öffentlichkeit in die Sicherheit und das solide Geschäftsgebaren des gesamten Gewerbes zur Voraussetzung. Das Abgabenaufkommen wird gruppennützig verwendet, die Gesamtgruppe der Abgabenschuldner wird von einer ihrem Verantwortungsbereich zuzurechnenden Aufgabe entlastet. Die für nichtsteuerliche Abgaben erforderliche besondere sachliche Rechtfertigung gilt nicht nur für die Erhebung dem Grunde nach, sondern wirkt auch begrenzend für die Bemessung der nichtsteuerlichen Abgabe der Höhe nach. Die beaufsichtigten Unternehmen dürfen in ihrer Gesamtheit nicht in höherem Maße in Anspruch genommen werden, als dies im Hinblick auf die Gewährleistung einer effektiven Aufsicht erforderlich ist.

Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, einfach fahrlässige Schädigungen, deren finanzielle Auswirkungen im Verhältnis zur Gesamtumlage nicht beträchtlich ins Gewicht fallen, mit der Umlage zu erfassen. Vorliegend lag der BaFin lediglich einfache Fahrlässigkeit zur Last. In derartigen Schadensfällen unterhalb der Schwelle zur groben Fahrlässigkeit enthält Art. 34 S. 2 GG ein Rückgriffsverbot; auch das einfache Recht sieht keine Haftung der Beamten gegenüber ihrem Dienstherrn vor, weil die Amtstätigkeit nicht durch übergroße Vorsicht zur Vermeidung von Haftungsrisiken gehemmt werden soll.

Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, zur Gewährleistung einer effektiven Aufsicht jedenfalls einfach fahrlässig verursachte Ersatzaufwendungen in die Umlage einzubeziehen, zumal sich eine wirkungsvolle Aufsicht gerade auch zum Vorteil der Beaufsichtigten auswirkt. Im Rahmen der Aufsichtstätigkeit werden sich einfach fahrlässige Fehlleistungen kaum vollständig vermeiden lassen, selbst wenn der Amtsträger größtmögliche Sorgfalt walten lässt. Andernfalls könnte sich die BaFin veranlasst sehen, das interne Kontrollwesen zu intensivieren, um selbst einfach fahrlässigen Pflichtverletzungen noch weitergehend zu begegnen. Dies dürfte indes ihren allgemeinen, grundsätzlich umlagefähigen Haushalt mit weiteren Personal- und Sachkosten belasten. Die vorliegende Umlage von Amtshaftungsaufwand begegnet auch deshalb keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, weil sie lediglich einen geringen Anteil am gesamten Umlagevolumen ausmacht.

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BVerfG PM Nr. 98 vom 23.12.2015
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