Eingeschränkte Klagemöglichkeit des Markeninhabers bei zugelassenen parallel importierten Arzneimitteln
BGH 2.12.2015, I ZR 239/14Die Klägerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen. Sie vertreibt in Deutschland das Arzneimittel Eligard® in drei Wirkstärken. Das Arzneimittel, das für die Behandlung des hormonabhängigen fortgeschrittenen Prostatakarzinoms eingesetzt wird, eignet sich ausschließlich zur subkutanen Anwendung. Es besteht aus einer vorgefüllten Einwegspritze mit Pulver zur Herstellung einer Injektionslösung und einer weiteren Spritze mit einem Lösungsmittel. Nach dem Öffnen der Schalenverpackung muss das Arzneimittel sofort verwendet werden. Die Marke Eligard ist eine international registrierte Marke, deren Schutz auf Deutschland erstreckt wurde.
Die Beklagte betreibt den Parallelimport von Arzneimitteln. Sie hatte der Klägerin im Herbst 2011 angezeigt, dass sie das Arzneimittel Eligard® aus Norwegen parallel importieren und auf dem deutschen Markt vertreiben wolle. Die Klägerin widersprach dem mit der Begründung, die Spritzen seien im Gegensatz zu der Schalenverpackung und zu der Faltschachtel entgegen § 10 AMG nicht in deutscher, sondern nur in norwegischer und dänischer Sprache gekennzeichnet. Die Beklagte lehnte die Abgabe der von der Klägerin geforderten Unterlassungserklärung unter Hinweis darauf ab, dass für eine Änderung der Kennzeichnung der Spritzen die Schalenverpackung geöffnet und die Lösung danach sofort zubereitet und verwendet werden müsse.
Die Beklagte erhielt im Oktober 2011 Zulassungsbescheide des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für den Parallelimport des Arzneimittels Eligard® aus Norwegen in allen drei Wirkstärken. In den Bescheiden wird der Beklagten aufgegeben, die Schalenverpackung und die Faltschachtel in deutscher Sprache zu kennzeichnen. Vorgaben zur Kennzeichnung der Spritzen enthalten die Bescheide nicht.
Die Klägerin hat ihr Unterlassungsbegehren auf markenrechtliche Ansprüche gestützt. Hilfsweise hat sie wettbewerbsrechtliche Ansprüche geltend gemacht. Die Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.
Die Gründe:
Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein markenrechtlicher Unterlassungsanspruch gem. § 14 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5, § 107 MarkenG zu.
Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass Erschöpfung eingetreten war. Die Arzneimittel, die die Beklagte in den Original-Faltschachteln mit deutschsprachigen Aufklebern in Deutschland vertreiben will, sind mit Zustimmung der Markeninhaberin in Norwegen im EU-Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht worden. Hinsichtlich der Markenrechte der Markeninhaberin sind in Bezug auf diese Waren die Voraussetzungen der Erschöpfung nach § 24 Abs. 1 MarkenG gegeben. Die Erschöpfung erstreckt sich - vorbehaltlich der Anwendung des § 24 Abs. 2 MarkenG - auf alle Handlungen, die nach § 14 Abs. 3 MarkenG eine Markenverletzung darstellen können. Auch das Recht, die Marke auf einer neuen Verpackung anzubringen und die Ware mit dieser Verpackung zu vertreiben, unterliegt der Erschöpfung.
Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass die Klägerin sich dem Vertrieb nicht aus berechtigten Gründen i.S.v. § 24 Abs. 2 MarkenG widersetzen kann. Zwar verändert die Beklagte mit der Umetikettierung das mit Zustimmung der Markeninhaberin in Norwegen in Verkehr gebrachte Arzneimittel. Dies muss die Klägerin jedoch in der vorgesehenen Form hinnehmen. Der Widerspruch des Markeninhabers gegen den Vertrieb umgepackter Arzneimittel ist nicht zulässig, wenn die Ausübung dieses Rechts eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten i.S.d. Art. 36 S. 2 AEUV darstellt.
Das Berufungsgericht hat insofern zutreffend angenommen, dass die auf der Grundlage von § 25 AMG ergangenen Zulassungsbescheide des BfArM eine Tatbestandswirkung des Inhalts erzeugen, dass das Inverkehrbringen des Arzneimittels mit den in den Zulassungsbescheiden von der Zulassungsbehörde vorgegebenen Kennzeichnungen nach den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes zulässig ist und aus diesem Grund eine Beeinträchtigung der Rechte der Markeninhaberin ausscheidet. Es ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Bescheide des BfArM insoweit als Verwaltungsakt einzustufen sind. Die Behörde hatte in Kenntnis der fremdsprachigen Beschriftung der Spritzen die Bescheide erteilt und trotz des Entwurfs von für die Spritzen selbst bestimmten deutschsprachigen Beschriftungsentwürfen durch die Beklagte auf Vorgaben zur Umetikettierung der Spritzen verzichtet, weil das Arzneimittel nach Öffnen der Tiefziehschale unverzüglich zuzubereiten und zu verabreichen ist.
Bei dieser Sachlage ist es der Klägerin im Markenrechtsstreit grundsätzlich verwehrt, geltend zu machen, der Bescheid der Zulassungsbehörde sei rechtswidrig. Denn gestattet ein Verwaltungsakt dem Parallelimporteur eine bestimmte Kennzeichnung des parallel zu importierenden Arzneimittels, kann der Markeninhaber vor den Zivilgerichten grundsätzlich nicht geltend machen, diese Kennzeichnung verstoße gegen die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes und sei deshalb rechtswidrig. Ist der auf der Grundlage von § 25 AMG erlassene Zulassungsbescheid nicht nichtig, ist er der Prüfung zugrunde zu legen, ob der Markeninhaber sich aus berechtigten Gründen i.S.d. § 24 Abs. 2 MarkenG dem Vertrieb der parallelimportierten Arzneimittel widersetzen kann.
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