Einlegung eines Rechtsmittels durch eine Gesellschaft ohne gesetzlichen Vertreter
BGH v. 6.2.2019 - VII ZB 78/17Die klagende GmbH & Co. KG nimmt die Beklagte, eine Kfz-Werkstatt, auf Erstattung von Mietwagenkosten in Anspruch, die ihr infolge verweigerter Herausgabe eines Leasingfahrzeugs anlässlich einer Reparatur entstanden sind. Bei der Klägerin handelte es sich um eine zweigliedrige Gesellschaft, bestehend aus einer Komplementär-GmbH, der M. Verwaltungsgesellschaft mbH, und dem einzigen Kommanditisten K. M., der zugleich der einzige Geschäftsführer der Komplementär-GmbH war. Die Klägerin erteilte der Zeugin C. M. (im Folgenden: Prokuristin) spätestens am 26.1.2009 Einzelprokura. Am 17.6.2010 verstarb K. M. Im Oktober 2010 wurde der Beklagten der Auftrag zur Reparatur des Leasingfahrzeugs erteilt.
Die von Rechtsanwalt S. im Namen der Klägerin erhobene Klage wies das LG durch Urteil vom 10.10.2014 als unbegründet ab. Mit Schriftsatz vom 17.11.2014 legte Rechtsanwalt L. im Namen der Klägerin Berufung gegen das Urteil des LG ein und begründete die Berufung sodann fristgerecht. Die ihm von der Prokuristin erteilte Prozessvollmacht datiert vom 17.11.2014. Jeweils wegen Vermögenslosigkeit wurden die Komplementärin der Klägerin am 1.7.2015 und die Klägerin selbst am 9.12.2015 im Handelsregister gelöscht. Nach einem Hinweis des OLG auf Bedenken gegen die Prozessfähigkeit der Klägerin führte Rechtsanwalt L. aus, die alleinvertretungsberechtigte Prokuristin sei berechtigt gewesen, ihm Prozessvollmacht zur Einlegung der Berufung zu erteilen. Mit Beschluss vom 22.9.2017 verwarf das OLG die Berufung der Klägerin als unzulässig.
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin hob der BGH den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann die Berufung der Klägerin nicht wegen mangelnder Prozessfähigkeit als unzulässig verworfen werden.
Der Prokuristin war von der Klägerin Einzelprokura zu einem Zeitpunkt erteilt worden, als der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH noch nicht verstorben war. Ferner ist davon auszugehen, dass auch die Komplementär-GmbH jedenfalls bis zum Ende des Jahres 2014 existierte. Auf dieser Grundlage hat das OLG zwar im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Einlegung der Berufung nicht gesetzlich vertreten und zu diesem Zeitpunkt nicht prozessfähig war. Eine Gesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG wird gem. § 164 Abs. 1 Satz 1 HGB durch die Komplementär-GmbH vertreten. Diese wiederum wird nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG durch den oder die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Verliert die GmbH ihren (Allein-)Geschäftsführer und gesetzlichen Vertreter - wie hier die Komplementär-GmbH durch den Tod von K. M. am 17.6.2010 - wird sie führungslos i.S.v. § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG. Das hat zur Folge, dass die GmbH ihre Prozessfähigkeit verliert. Für eine GmbH & Co. KG, deren Komplementär-GmbH führungslos wird, gilt Entsprechendes.
Dies führt jedoch nicht zur Unzulässigkeit der Berufung, weil die Prokuristin eine Prozessvollmacht zur Einlegung der Berufung wirksam auch noch zu einem Zeitpunkt erteilen konnte, als die Klägerin führungslos war. Für die zulässige Einlegung eines Rechtsmittels durch eine Gesellschaft ohne gesetzlichen Vertreter reicht es aus, wenn sie noch als prozessfähige Gesellschaft einen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt und Auftrag zur Einlegung des Rechtmittels erteilt hat. Eine solche Vollmacht wird gem. § 86 ZPO durch den Verlust der Prozessfähigkeit des Vollmachtgebers nicht berührt, und zwar unabhängig davon, ob diese Veränderung vor oder nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit stattgefunden hat. Deshalb ist § 86 ZPO auch dann anzuwenden, wenn der Wegfall nach Erteilung der Vollmacht, aber noch vor Einleitung des Rechtsstreits eingetreten ist. Der Prozessbevollmächtigte kann auch in diesem Fall wirksam Klage erheben, ein Rechtsmittel einlegen und einen postulationsfähigen Rechtsanwalt für die Revisionsinstanz beauftragen. Voraussetzung für die Anwendung des § 86 ZPO ist, dass der Wegfall der Prozessfähigkeit des Vollmachtgebers nach der Erteilung der Vollmacht eingetreten ist.
Entsprechendes gilt, wenn eine partei- und prozessfähige Handelsgesellschaft eine Prokura erteilt hat. Die Prokura umfasst gem. § 49 Abs. 1 HGB die Vollmacht zur Prozessführung für alle Rechtstreitigkeiten, die sich auf den Betrieb des Handelsgeschäfts beziehen. Diese Vollmacht zur Prozessführung ist jedenfalls bei Rechtsstreitigkeiten, bei denen der Prokurist wegen fehlender Postulationsfähigkeit nicht in der Lage ist, den Prozess im Namen des Inhabers des Handelsgeschäfts selbst zu führen, übertragbar. Die Prokura ermächtigt daher ihrerseits, einem postulationsfähigen Rechtsanwalt eine Prozessvollmacht zur Einlegung eines Rechtsmittels zu erteilen. Vorliegend ist der Prokuristin spätestens am 26.1.2009 Einzelprokura erteilt worden. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin prozessfähig, da der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH seinerzeit noch nicht verstorben war. Die Prokura ist durch dessen Tod nicht erloschen. Aufgrund der wirksam erteilten Einzelprokura war die Prokuristin unbeschadet der späteren Führungslosigkeit der Klägerin befugt, den in der Berufungsinstanz tätigen Prozessbevollmächtigten mit der Einlegung der Berufung zu beauftragen.
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