Eisenbahnunternehmen haften im grenzüberschreitenden Autoreisezugverkehr verschuldensunabhängig für am Kfz entstehende Schäden
BGH 12.12.2013, I ZR 65/13
Der Sachverhalt:
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen Beschädigung seines Pkw während dessen Beförderung mit einem Auto-Zug auf Schadensersatz in Anspruch. Der Kläger buchte bei der Beklagten den Transport seines Kfz am 26.6.2007 von Narbonne in Frankreich nach Kornwestheim in Deutschland. Das Fahrzeug wurde in Frankreich für die Beförderung nach Deutschland auf einen offenen Transportwaggon verladen. Bei der Abholung am Zielort hatte es ein Loch in der Windschutzscheibe, Kratzer im Lack hinter der Fahrertür, eine zerkratzte Stoßstange und ein beschädigtes Rücklicht.
Zwischen den Parteien ist streitig, wann und unter welchen Umständen die Schäden verursacht wurden. Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte hafte für die bei der Abholung des Fahrzeugs am Ankunftsort festgestellten Schäden. Er nimmt die Beklagte deshalb auf Zahlung von rd. 1.500 € nebst Zinsen und Erstattung vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten in Anspruch. Die Beklagte ist demgegenüber der Ansicht, die behaupteten Schäden resultierten aus der besonderen Gefahr einer Beförderung mit offenen Wagen, für deren Folgen sie nicht einzustehen habe.
Das AG gab der Klage überwiegend statt; das LG wies sie ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung gegen das Urteil des AG zurück.
Die Gründe:
Entgegen der Ansicht des LG ist die Haftung der Beklagten für die streitgegenständlichen Schäden nicht ausgeschlossen.
Nach Art. 36 § 1 CIV haftet der Beförderer unabhängig davon, ob ihn ein Verschulden trifft, unter anderem für den Schaden, der durch Beschädigung des Reisegepäcks in der Zeit von der Übernahme durch den Beförderer bis zur Auslieferung entsteht. Das Reisegepäck muss während der Beförderung auf der Schiene beschädigt worden sein. Das LG ist in Übereinstimmung mit dem AG davon ausgegangen, dass die bei der Abholung des Fahrzeugs am Zielort Kornwestheim festgestellten Schäden zum Zeitpunkt der Übernahme des Pkw durch die Beklagte noch nicht vorlagen. Sie konnten daher nur während der Haftungszeit der Beklagten entstanden sein mit der Folge, dass die Voraussetzungen für eine Haftung gem. Art. 36 § 1 CIV erfüllt sind.
Das LG hat zu Unrecht angenommen, die Haftung der Beklagten für die streitgegenständlichen Schäden sei gem. Art. 36 § 3 Buchst. a und b CIV ausgeschlossen. Nach Art. 36 § 3 Buchst. a CIV ist der Beförderer von der Haftung gem. Art. 36 § 1 CIV befreit, soweit die Beschädigung aus der besonderen Gefahr entstanden ist, die mit dem Fehlen einer Verpackung verbunden ist. Das LG hat angenommen, der Wortlaut des Art. 36 § 3 Buchst. a CIV umfasse auch den Fall einer "Offenen-Wagen-Gefahr". Die auf einem Autoreisezug beförderten Fahrzeuge hätten üblicherweise keine Verpackung und müssten eine solche im Regelfall auch nicht haben, weil das Gefährdungspotenzial beim Transport auf einem Autoreisezug nicht höher sei als bei einer Nutzung des Fahrzeugs im normalen Straßenverkehr. Diese Ansicht überzeugt nicht.
In Art. 23 § 3 CIM, der bei der internationalen Eisenbahnbeförderung von Gütern zur Anwendung kommt, wird hinsichtlich eines Haftungsausschlusses des Beförderers ausdrücklich zwischen der Beförderung des Gutes in offenen Wagen und dem Fehlen einer Verpackung des Gutes unterschieden. Eine gleichartige Differenzierung findet sich auch in Art. 17 Abs. 4 Buchst. a und b CMR. Die Haftungsausschlussgründe gem. Art. 36 § 3 CIV sehen demgegenüber eine derartige Unterscheidung nicht vor. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Differenzierung zwischen den besonderen Gefahren eines Gütertransports auf offenen Wagen und dem Fehlen einer Verpackung des Gutes in den Einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen versehentlich unterblieben ist.
Die Vorschrift des Art. 36 § 3 Buchst. a CIV regelt den Fall, dass eine an sich vorgesehene Verpackung des Gutes entweder vollständig fehlt oder diese zwar vorhanden, aber mangelhaft ist. Die Fallgestaltung, dass das Gut üblicherweise nicht verpackt wird und von einer fehlenden Verpackung deshalb keine besondere Gefahr ausgeht, fällt dagegen nicht in den Anwendungsbereich des Art. 36 § 3 Buchst. a CIV. Wäre dies anders, würde über Art. 36 § 3 Buchst. a CIV der in Art. 23 § 3 Buchst. a CIM für den dortigen Anwendungsbereich geregelte Haftungsausschluss der Beförderung des Gutes auf offenen Wagen auch für den Anwendungsbereich der CIV eingeführt. Für einen derartigen Haftungsausschluss ergibt sich in den einschlägigen Bestimmungen der CIV aber kein Anhalt.
Linkhinweis:
BGH online
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen Beschädigung seines Pkw während dessen Beförderung mit einem Auto-Zug auf Schadensersatz in Anspruch. Der Kläger buchte bei der Beklagten den Transport seines Kfz am 26.6.2007 von Narbonne in Frankreich nach Kornwestheim in Deutschland. Das Fahrzeug wurde in Frankreich für die Beförderung nach Deutschland auf einen offenen Transportwaggon verladen. Bei der Abholung am Zielort hatte es ein Loch in der Windschutzscheibe, Kratzer im Lack hinter der Fahrertür, eine zerkratzte Stoßstange und ein beschädigtes Rücklicht.
Zwischen den Parteien ist streitig, wann und unter welchen Umständen die Schäden verursacht wurden. Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte hafte für die bei der Abholung des Fahrzeugs am Ankunftsort festgestellten Schäden. Er nimmt die Beklagte deshalb auf Zahlung von rd. 1.500 € nebst Zinsen und Erstattung vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten in Anspruch. Die Beklagte ist demgegenüber der Ansicht, die behaupteten Schäden resultierten aus der besonderen Gefahr einer Beförderung mit offenen Wagen, für deren Folgen sie nicht einzustehen habe.
Das AG gab der Klage überwiegend statt; das LG wies sie ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung gegen das Urteil des AG zurück.
Die Gründe:
Entgegen der Ansicht des LG ist die Haftung der Beklagten für die streitgegenständlichen Schäden nicht ausgeschlossen.
Nach Art. 36 § 1 CIV haftet der Beförderer unabhängig davon, ob ihn ein Verschulden trifft, unter anderem für den Schaden, der durch Beschädigung des Reisegepäcks in der Zeit von der Übernahme durch den Beförderer bis zur Auslieferung entsteht. Das Reisegepäck muss während der Beförderung auf der Schiene beschädigt worden sein. Das LG ist in Übereinstimmung mit dem AG davon ausgegangen, dass die bei der Abholung des Fahrzeugs am Zielort Kornwestheim festgestellten Schäden zum Zeitpunkt der Übernahme des Pkw durch die Beklagte noch nicht vorlagen. Sie konnten daher nur während der Haftungszeit der Beklagten entstanden sein mit der Folge, dass die Voraussetzungen für eine Haftung gem. Art. 36 § 1 CIV erfüllt sind.
Das LG hat zu Unrecht angenommen, die Haftung der Beklagten für die streitgegenständlichen Schäden sei gem. Art. 36 § 3 Buchst. a und b CIV ausgeschlossen. Nach Art. 36 § 3 Buchst. a CIV ist der Beförderer von der Haftung gem. Art. 36 § 1 CIV befreit, soweit die Beschädigung aus der besonderen Gefahr entstanden ist, die mit dem Fehlen einer Verpackung verbunden ist. Das LG hat angenommen, der Wortlaut des Art. 36 § 3 Buchst. a CIV umfasse auch den Fall einer "Offenen-Wagen-Gefahr". Die auf einem Autoreisezug beförderten Fahrzeuge hätten üblicherweise keine Verpackung und müssten eine solche im Regelfall auch nicht haben, weil das Gefährdungspotenzial beim Transport auf einem Autoreisezug nicht höher sei als bei einer Nutzung des Fahrzeugs im normalen Straßenverkehr. Diese Ansicht überzeugt nicht.
In Art. 23 § 3 CIM, der bei der internationalen Eisenbahnbeförderung von Gütern zur Anwendung kommt, wird hinsichtlich eines Haftungsausschlusses des Beförderers ausdrücklich zwischen der Beförderung des Gutes in offenen Wagen und dem Fehlen einer Verpackung des Gutes unterschieden. Eine gleichartige Differenzierung findet sich auch in Art. 17 Abs. 4 Buchst. a und b CMR. Die Haftungsausschlussgründe gem. Art. 36 § 3 CIV sehen demgegenüber eine derartige Unterscheidung nicht vor. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Differenzierung zwischen den besonderen Gefahren eines Gütertransports auf offenen Wagen und dem Fehlen einer Verpackung des Gutes in den Einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen versehentlich unterblieben ist.
Die Vorschrift des Art. 36 § 3 Buchst. a CIV regelt den Fall, dass eine an sich vorgesehene Verpackung des Gutes entweder vollständig fehlt oder diese zwar vorhanden, aber mangelhaft ist. Die Fallgestaltung, dass das Gut üblicherweise nicht verpackt wird und von einer fehlenden Verpackung deshalb keine besondere Gefahr ausgeht, fällt dagegen nicht in den Anwendungsbereich des Art. 36 § 3 Buchst. a CIV. Wäre dies anders, würde über Art. 36 § 3 Buchst. a CIV der in Art. 23 § 3 Buchst. a CIM für den dortigen Anwendungsbereich geregelte Haftungsausschluss der Beförderung des Gutes auf offenen Wagen auch für den Anwendungsbereich der CIV eingeführt. Für einen derartigen Haftungsausschluss ergibt sich in den einschlägigen Bestimmungen der CIV aber kein Anhalt.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.