12.09.2014

Elektronische Leseplätze: Mitgliedstaaten dürfen Bibliotheken das Bereitstellen von digitalisierten Büchern ohne Zustimmung des Rechtsinhabers gestatten

Ein Mitgliedstaat darf Bibliotheken gestatten, bestimmte Bücher aus ihrem Bestand ohne Zustimmung der Rechtsinhaber zu digitalisieren, um sie an elektronischen Leseplätzen bereitzustellen. Die Mitgliedstaaten dürfen innerhalb bestimmter Grenzen und unter bestimmten Voraussetzungen - insbesondere die Zahlung eines gerechten Ausgleichs an die Rechtsinhaber - den Nutzern gestatten, von der Bibliothek digitalisierte Bücher auf Papier auszudrucken.

EuGH 11.9.2014, C-117/13
Hintergrund:
Nach der Urheberrechtsrichtlinie haben die Urheber das ausschließliche Recht, die Vervielfältigung und die Wiedergabe ihrer Werke zu erlauben oder zu verbieten. Die Mitgliedstaaten können jedoch bestimmte Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf dieses Recht vorsehen. Eine solche Befugnis besteht insbes. im Hinblick auf öffentlich zugängliche Bibliotheken, die Werke aus ihrem Bestand den Nutzern zu Zwecken der Forschung und privater Studien auf eigens hierfür eingerichteten Terminals zugänglich machen.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist die Technische Universität Darmstadt, Klägerin ist die Eugen Ulmer KG, ein deutsches Verlagshaus. Die Bibliothek der Universität digitalisierte ein von der Klägerin herausgegebenes Buch, um es an ihren elektronischen Leseplätzen bereitzustellen. Auf das Angebot des Verlagshauses, die von ihm herausgegebenen Lehrbücher (darunter das in Rede stehende Buch) als elektronische Bücher (E-Books) zu erwerben und zu nutzen, war die Beklagte zuvor nicht eingegangen.

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin dagegen, dass die beklagte das in Rede stehenden Buch digitalisiert hat und dass Nutzer der Bibliothek von elektronischen Leseplätzen aus das Buch ausdrucken oder auf einem USB-Stick speichern und/oder solche Vervielfältigungen aus der Bibliothek mitnehmen können.

Der in der Revisionsinstanz mit der Rechtssache befasste BGH setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vor. Der BGH ersucht den EuGH insbes. um Klärung der Tragweite der Ausnahmebefugnis, von der Deutschland Gebrauch gemacht hat.

Die Gründe:
Die Richtlinie verwehrt es den Mitgliedstaaten nicht, Bibliotheken das Recht einzuräumen, Werke aus ihren Beständen zu digitalisieren, wenn es zu Zwecken der Forschung und privater Studien erforderlich ist, diese Werke Mitgliedern der Öffentlichkeit auf eigens hierfür eingerichteten Terminals zugänglich zu machen. Dieses Recht der Bibliotheken würde ausgehöhlt und drohte seine praktische Relevanz zu verlieren, wenn die Bibliotheken kein akzessorisches Recht zur Digitalisierung der betroffenen Werke besäßen. Dass der Rechtsinhaber einer Bibliothek den Abschluss von Lizenzverträgen über die Werknutzung zu angemessenen Bedingungen anbietet, ändert daran nichts.

Das Recht zur Wiedergabe, das Bibliotheken eingeräumt werden kann, gestattet es allerdings einzelnen Mitgliedern der Öffentlichkeit nicht, Werke von den Terminals aus auf Papier auszudrucken oder auf einem USB-Stick zu speichern. Das Ausdrucken eines Werks auf Papier oder sein Speichern auf einem USB-Stick sind Vervielfältigungshandlungen, da hiermit eine neue Kopie erstellt werden soll. Solche Vervielfältigungshandlungen sind nicht erforderlich, um das Werk für die Nutzer auf den Terminals wiederzugeben; sie sind daher nicht durch das Recht zur Wiedergabe auf eigens hierfür eingerichteten Terminals gedeckt, zumal sie von den einzelnen Mitgliedern der Öffentlichkeit und nicht von der Bibliothek selbst vorgenommen werden.

Allerdings können die Mitgliedstaaten innerhalb der Grenzen und unter den Voraussetzungen, die in der Richtlinie festgelegt sind, dennoch eine Ausnahme oder eine Beschränkung vom ausschließlichen Vervielfältigungsrecht der Rechtsinhaber vorsehen und auf diese Weise den Nutzern einer Bibliothek gestatten, Werke von eigens hierfür eingerichteten Terminals aus auf Papier auszudrucken oder auf einem USB-Stick zu speichern. Hierfür muss an die Rechtsinhaber jedoch ein angemessener Ausgleich gezahlt werden.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des EuGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des EuGH klicken Sie bitte hier.
EuGH PM Nr. 124 vom 11.9.2014
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