06.04.2017

Eltern haften nicht bei unautorisierter Nutzung des Telefonanschlusses für Pay by Call durch ihre Kinder

§ 45i Abs. 4 S. 1 TKG findet auf die telefonisch veranlasste Ausführung eines Zahlungsdienstes keine Anwendung. Der Inhaber eines Telefonanschlusses haftet somit nicht für dessen Nutzung durch einen von ihm hierfür nicht autorisierten Dritten im Rahmen eines Pay-by-Call-Verfahrens.

BGH 6.4.2017, III ZR 368/16
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist Inhaberin eines Festnetztelefonanschlusses. Die Klägerin macht gegen sie aus abgetretenem Recht einen Entgeltanspruch für die Nutzung des Anschlusses im Rahmen des Pay-by-Call-Verfahrens über eine Premiumdienstenummer (0900) geltend. Die entsprechenden insgesamt 21 Anrufe wurden von dem damals 13-jährigen Sohn der Beklagten getätigt.

Das Kind nahm an einem zunächst kostenlosen Computerspiel teil, in dessen Verlauf zusätzliche Funktionen gegen sog. Credits freigeschaltet werden konnten. Diese konnten entgeltlich erworben werden. Die Zahlung konnte u.a. durch die Nutzung des auf der Internetseite der Spielebetreiberin angegebenen telefonischen Premiumdienstes erfolgen, der von dem abtretenden Unternehmen betrieben wurde. Nach Durchführung der Anrufe standen dem Sohn der Beklagten unter seinem Benutzerkonto jeweils die gewünschten "Credits" zur Verfügung. Die Abrechnung erfolgte über die Telefonrechnung der Beklagten. Die angefallenen Beträge i.H.v. rd. 1.250 € werden von der Klägerin geltend gemacht.

Das AG gab der Klage statt. Die Beklagte legte hiergegen beim LG Berufung ein und beantragte die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist. Eine vom Kammervorsitzenden unterschriebene Fristverlängerungsverfügung ist in der Verfahrensakte nicht enthalten. Die Beklagte begründete das Rechtsmittel innerhalb der beantragten längeren Frist. Der Vorsitzende der Berufungskammer vermerkte nachträglich in der Akte, dass er die Rechtsmittelbegründungsfrist antragsgemäß verlängert habe. Das LG hielt die Berufung für zulässig, aber unbegründet und wies sie zurück. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH die Urteile von AG und LG auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung der angefallenen Beträge i.H.v. rd. 1.250 €.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Die Begründung des Rechtsmittels ist rechtzeitig eingegangen, da die hierfür laufende Frist wirksam gem. § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO verlängert wurde. Es war nicht erforderlich, aufzuklären, ob der Vorsitzende der Berufungskammer die Fristverlängerungsverfügung unterschrieben hat. Eine solche Verfügung bedarf keiner Unterschrift. Es genügt, wenn hinreichend sicher feststeht, dass eine entsprechende Entscheidung des Vorsitzenden des Rechtsmittelgerichts ergangen ist.

In der Sache war der Zahlungsanspruch der Klägerin zu verneinen. Etwaige auf den Abschluss eines Zahlungsdienstevertrags gerichtete konkludente Willenserklärungen des Sohns der Beklagten, die dieser durch Anwahl der Premiumdienstenummer abgegeben haben könnte, sind der Beklagten nicht zuzurechnen. Weder war das Kind von seiner Mutter bevollmächtigt noch lagen die Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht vor.

Eine Zurechnung der Erklärung des Sohns der Beklagten nach § 45i Abs. 4 S. 1 TKG scheidet aus. Diese Vorschrift findet auf Zahlungsdienste und die sich hieraus ergebenden Ansprüche des Dienstleisters keine Anwendung, auch wenn die Zahlung über eine Premiumdienstenummer veranlasst wurde und die Abrechnung über die Telefonrechnung erfolgen soll.

Die für Zahlungsdienste geltenden speziellen Regelungen für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge gehen § 45i Abs. 4 S. 1 TKG vor. Der Berechtigte schuldet keinen Aufwendungs-, sondern allenfalls Schadensersatz (§ 675u BGB). Die Regelungen über nicht autorisierte Zahlungsvorgänge würden bei Anwendung von § 45i Abs. 4 S. 1 TKG auf durch die Inanspruchnahme eines Premiumdienstes veranlasste Zahlungsvorgänge unterlaufen.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 52 vom 6.4.2017
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