Empfehlung oder Hinweis? - Hörgeräteversorgung III
BGH 24.7.2014, I ZR 68/13Bei der Hörgeräteversorgung gibt es seit längerer Zeit zwei unterschiedliche Versorgungswege. Im klassischen Versorgungsweg sucht der Patient nach der Verordnung einer Hörhilfe durch den HNO-Arzt einen Hörgeräteakustiker auf, der u.a. dem Patienten ein Hörgerätesystem vorschlägt, das er für den Patienten anpasst. Sodann sucht der Patient den HNO-Arzt erneut auf, der überprüft, ob mit dem Hörgerät eine medizinisch ausreichende Versorgung erreicht wird. Ist das der Fall, kann der Hörgeräteakustiker aufgrund eines Testats des HNO-Arztes den Kassenanteil der Hörgeräteversorgung abrechnen.
Im auch vom Beklagten angebotenen "verkürzten Versorgungsweg" erfolgen die audiometrischen Messungen und gegebenenfalls die Abnahme der Ohrabdrücke durch den HNO-Arzt oder dessen Mitarbeiter. Die Ergebnisse nebst ohrenärztlicher Verordnung werden vom HNO-Arzt an einen Hörgeräteakustiker weitergeleitet, der das vom Patienten gewählte Hörgerätesystem anpasst und an den HNO-Arzt verschickt. Der Patient erhält in diesem Fall sein Hörsystem vom HNO-Arzt oder dessen medizinischen Fachangestellten.
Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Klägerin warf dem Beklagten vor, er habe Patienten von sich aus empfohlen, ein Hörgerätesystem im verkürzten Versorgungsweg bei einem bestimmten Anbieter zu beziehen. Tatsächlich hatte der Beklagte in einem Fall aus März 2011 einem Patienten ein Formular vorgelegt, in dem dieser schließlich erklärte, eine Hörgeräteversorgung über den verkürzten Versorgungsweg auf eigene Kosten durch den behandelnden Arzt und ein bestimmtes Hörgeräteakustikunternehmen durchführen lassen zu wollen.
LG und OLG wiesen die Unterlassungsklage wegen unzulässiger Verweisung von Patienten an bestimmte Hörgeräteakustiker ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH die Vorentscheidungen auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Gründe:
Die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe kein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 34 Abs. 5 BW BOÄ a.F. und § 31 Abs. 2 BW BOÄ zu, hielt der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Nach dem zur Zeit des maßgeblichen Patientenbesuchs beim Beklagten im März 2011 geltenden § 34 Abs. 5 BW BOÄ a.F. war es Ärztinnen und Ärzten nicht gestattet, Patienten ohne hinreichenden Grund an bestimmte Apotheken, Geschäfte oder Anbieter von gesundheitlichen Leistungen zu verweisen. Hierbei handelt es sich um Marktverhaltensregelungen i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG. Diese Vorschrift ist auch nach Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken weiterhin auf berufsrechtliche Bestimmungen anzuwenden, die das Marktverhalten in unionsrechtskonformer Weise regeln.
Der Beklagte hatte dem Patienten ein Formular vorgelegt, das außer der berufsrechtlich unbedenklichen "Wichtigen Patienten-Information zur Wahlfreiheit des Leistungserbringers" auch eine "Erklärung über die Wahlentscheidung zur privatärztlichen Hörgeräteversorgung" enthielt. Darin erklärte der Patient den Wunsch, seine Hörgeräteversorgung über den verkürzten Versorgungsweg auf eigene Kosten durch den behandelnden Arzt und das Unternehmen m. durchführen zu lassen. Wird dem Patienten ein Formular mit einer solchen Erklärung vorgelegt, wird ihm der verkürzte Versorgungsweg unter Mitwirkung eines bestimmten Leistungserbringers empfohlen. Anders als das OLG meinte, lag darin nicht nur ein Hinweis auf den verkürzten Versorgungsweg, der unabhängig von einem entsprechenden Wunsch des Patienten zulässig wäre.
Die Empfehlung zugunsten des Unternehmens durfte der Beklagte nur aussprechen, wenn dafür in der Person des Patienten ein hinreichender Grund bestand oder wenn dieser ausdrücklich um die Empfehlung eines Hörgeräteakustikers gebeten hatte. Derartige Feststellungen hat das Berufungsgericht allerdings nicht getroffen. Ein hinreichender Grund für die Verweisung an einen bestimmten Leistungserbringer i.S.v. § 34 Abs. 5 BW BOÄ a.F. und § 31 Abs. 2 BW BOÄ kann sich etwa aus der Qualität der Versorgung, der Vermeidung von Wegen bei gehbehinderten Patienten und aus schlechten Erfahrungen ergeben, die Patienten bei anderen Anbietern gemacht haben. Hingegen reicht die größere Bequemlichkeit eines bestimmten Versorgungswegs für sich allein nicht als hinreichender Grund für eine Verweisung aus.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BGH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.