26.02.2019

Enthebung des Präsidenten der Zentralbank Lettlands unzulässig

Der EuGH hat die Entscheidung, mit der der Präsident der Zentralbank Lettlands vorläufig seines Amts enthoben worden ist, für nichtig erklärt. Lettland hat keine Beweise für die schwere Verfehlung vorgebracht, die dem Präsidenten seiner Zentralbank zur Last gelegt wird.

EuGH v. 26.2.2019 - C-202/18
Der Sachverhalt:

Im Februar 2018 verhängte das Büro zur Verhütung und Bekämpfung der Korruption in Lettland gegen den klagendenden Präsidenten der Zentralbank Lettlands, Ilmārs Rimšēvičs, mehrere Maßnahmen, darunter das Verbot, sein Amt als Präsident der Zentralbank Lettlands auszuüben, die Verpflichtung zur Zahlung einer Kaution sowie das Verbot, das Land ohne vorherige Erlaubnis zu verlassen. Diese Maßnahmen wurden gegen den Kläger vorläufig im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen Bestechlichkeit und missbräuchlicher Einflussnahme verhängt, deren er verdächtigt wird.

Die vorliegende und die und von der Europäischen Zentralbank (EZB) gegen diese Entscheidung erhobene Klage (C-238/18) sind die ersten Rechtssachen, mit denen der EuGH aufgrund von Art. 14.2. Abs. 2 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und der EZB (im Folgenden: Satzung des ESZB und der EZB) befasst war. Diese Bestimmung überträgt dem EuGH die Zuständigkeit, über Beschlüsse zur Entlassung von Präsidenten der Zentralbanken der Mitgliedstaaten aus dem Amt zu entscheiden. Die Übertragung dieser Zuständigkeit soll die Unabhängigkeit der Präsidenten der nationalen Zentralbanken gewährleisten, die zwar nationale Behörden sind, aber im Rahmen des ESZB handeln. Steht ein solcher Präsident der Zentralbank eines Mitgliedstaats vor, dessen Währung der Euro ist, wie dies bei Lettland der Fall ist, so kommt ihm zugleich ein Sitz im EZB-Rat zu.

Die Gründe:

Lettland hat nicht nachgewiesen, dass die Entlassung des Klägers aus seinem Amt auf das Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte dafür gestützt ist, dass er eine schwere Verfehlung i.S.v. Art. 14.2. Abs. 2 der Satzung des ESZB und der EZB begangen hat. Daher war die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit dem Kläger damit untersagt wird, sein Amt als Präsident der Zentralbank Lettlands auszuüben.

Das einem Präsidenten einer nationalen Zentralbank auferlegte (auch vorläufige) Verbot, sein Amt auszuüben, stellt eine Entlassung aus dem Amt i.S.v. Art. 14.2. Abs. 2 der Satzung des ESZB und der EZB dar. Es obliegt daher dem EuGH, die Rechtmäßigkeit eines solchen Verbots zu überprüfen. Die in Art. 14.2. Abs. 2 der Satzung des ESZB und der EZB vorgesehene Klage ist darauf gerichtet, dass der EuGH einen nationalen Rechtsakt, der zu dem Zweck erlassen worden ist, einen Präsidenten einer nationalen Zentralbank aus seinem Amt zu entlassen, für nichtig erklärt. Diese Klage stellt somit eine Ausnahme von der in Art. 263 AEUV vorgesehenen allgemeinen Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den nationalen Gerichten und den Unionsgerichten dar.

Der EuGH ist, wenn er mit einer Klage nach Art. 14.2. Abs. 2 der Satzung des ESZB und der EZB befasst ist, nicht befugt, an die Stelle der nationalen Gerichte zu treten, die für die Entscheidung über die strafrechtliche Verantwortlichkeit des beschuldigten Präsidenten zuständig sind, oder gar, in die strafrechtlichen Ermittlungen einzugreifen, die die zuständigen Verwaltungs- oder Justizbehörden gegen diesen Präsidenten führen. Es kann für die Zwecke solcher Ermittlungen erforderlich sein, zu beschließen, den betroffenen Präsidenten vorläufig seines Amts zu entheben, insbesondere, um zu verhindern, dass er diese Ermittlungen behindert. Hingegen hat der EuGH im Rahmen der ihm gem. Art. 14.2. Abs. 2 der Satzung des ESZB und der EZB übertragenen Zuständigkeit zu überprüfen, dass die Entlassung eines Präsidenten einer nationalen Zentralbank aus seinem Amt nur dann beschlossen wird, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er eine schwere Verfehlung begangen hat, die eine solche Maßnahme rechtfertigen kann.

Der Kläger hat geltend gemacht, dass er keine der ihm zur Last gelegten Verfehlungen begangen habe, und wie die EZB die Auffassung vertreten, dass Lettland nicht den geringsten Beweis für diese angeblichen Verfehlungen vorgebracht habe. Es ist festzustellen, dass Lettland im schriftlichen Verfahren vor dem EuGH keinerlei Anfangsbeweis für die dem Erlass der streitigen Entscheidung zugrunde liegenden Bestechungsvorwürfe vorgebracht hat. Darüber hinaus hat der Präsident des EuGH die Vertreter Lettlands aufgefordert, dem EuGH kurzfristig die die streitige Entscheidung rechtfertigenden Dokumente zu übermitteln. Keines der Dokumente, die Lettland nach der mündlichen Verhandlung vorgelegt hat, enthält jedoch Beweise, die belegen könnten, dass hinreichende Anhaltspunkte für die Begründetheit der gegen den Kläger erhobenen Anschuldigungen vorliegen.

Linkhinweis:

EuGH PM Nr. 18 vom 26.2.2019
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