Erfolgloser Eilantrag gegen die Verpflichtung zum Abdruck einer Gegendarstellung
BVerfG v. 31.7.2023 - 1 BvR 1451/23
Der Sachverhalt:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betrifft die Verpflichtung zum Abdruck einer Gegendarstellung. Die Beschwerdeführer veröffentlichten in ihrer wöchentlich erscheinenden Print-Zeitung sowie in ihrer Onlinezeitung im Mai 2023 einen Artikel, in dem kritisch über politische Leitung und Personalsituation des Gesundheitsamtes und des dortigen Sozialpsychiatrischen Dienstes berichtet wird. In dem Artikel wird auf einen mutmaßlich psychisch erkrankten Mann hingewiesen, der einen Messerangriff an einer Schule verübt haben soll. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Satz, dieser Mann sei beim Sozialpsychiatrischen Dienst bekannt gewesen.
Diesbezüglich erwirkte der Antragsteller des Ausgangsverfahrens vor dem LG eine einstweilige Verfügung, mit der den Beschwerdeführern eine Gegendarstellung auferlegt wurde des Inhalts, dass der Mann dem Sozialpsychiatrischen Dienst nicht bekannt gewesen ist.
Der Widerspruch der Beschwerdeführer gegen die einstweilige Verfügung blieb erfolglos. Der Antragsteller des Ausgangsverfahrens beantragte die Festsetzung von Zwangsmitteln. Das OLG wies den Antrag der Beschwerdeführer auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung zurück.
Das BVerfG hat nun die Anträge der Beschwerdeführer auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Vollziehung der Entscheidung des LG abgelehnt. Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Die Gründe:
Die gebotene Beurteilung und Abwägung der Folgen, die im Falle des Erfolgs oder Misserfolgs des Antrags einträten, führt im vorliegenden Verfahren zu einem Überwiegen derjenigen Gründe, die gegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechen.
Erginge die beantragte einstweilige Anordnung nicht und würde sich die Verfassungsbeschwerde im Hauptsacheverfahren als begründet erweisen, hätten die Beschwerdeführerinnen in der Zeitschrift eine Gegendarstellung abgedruckt und auf dem Online-Dienst veröffentlicht, die ihnen in dieser Form nicht hätte auferlegt werden dürfen.
Für die Beschwerdeführerinnen bedeutete dies sicherlich einen Eingriff in ihre redaktionellen Auswahlmöglichkeiten. Außerdem könnte durch die Gegendarstellung ein gewisser Imageschaden eintreten. Bei einem etwaigen Erfolg ihrer Verfassungsbeschwerde hätten es die Beschwerdeführerinnen, die unmittelbar die Möglichkeit publizistischer Äußerung haben, allerdings auch in der Hand, diesen zum gegebenen Zeitpunkt öffentlich wirksam herauszustellen.
Erginge die einstweilige Anordnung, erwiese sich die Verfassungsbeschwerde aber später als unbegründet, würden die Beschwerdeführerinnen vorläufig keine Gegendarstellung abdrucken. Diese Verzögerung kann unter Umständen bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde dauern. Eine Gegendarstellung ist aber auf Zeitnähe zur Erstmitteilung angewiesen. Erscheint sie erheblich später, hat sie eher gegenteilige Wirkung, indem sie an die Erstmitteilung erinnert und das Thema erneut aktualisiert. Für den Antragsteller des Ausgangsverfahrens bedeutete dies, dass seine Gegendarstellung ihren Sinn nicht mehr erfüllen könnte. Der Effekt der Gegendarstellung ginge damit verloren oder würde sogar konterkariert. Vorliegend ist dabei insbesondere zu gewichten, dass die textliche Verknüpfung des behaupteten Bekanntseins der Person mit deren Angriffen geeignet ist, erhebliche Zweifel an der Integrität der Aufgabenerfüllung in einem Bereich zu nähren, der in besonderer Weise auf öffentliches Vertrauen angewiesen ist.
Mehr zum Thema:
Handbuch:
Durchsetzung des Gegendarstellungsanspruches
Verfassungsbeschwerde und einstweilige Anordnung
Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018
Das Handbuch ist auch enthalten im Beratermodul Medienrecht:
Rechtssicherheit und Kompetenz mit dem Beratermodul Medienrecht. Für alle Fragen rund um die Recherche und Berichterstattung in Presse, Funk und neuen Medien. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO. Wann immer es zeitlich passt: Für Fachanwälte bietet dieses Modul Beiträge zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. 4 Wochen gratis nutzen!
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betrifft die Verpflichtung zum Abdruck einer Gegendarstellung. Die Beschwerdeführer veröffentlichten in ihrer wöchentlich erscheinenden Print-Zeitung sowie in ihrer Onlinezeitung im Mai 2023 einen Artikel, in dem kritisch über politische Leitung und Personalsituation des Gesundheitsamtes und des dortigen Sozialpsychiatrischen Dienstes berichtet wird. In dem Artikel wird auf einen mutmaßlich psychisch erkrankten Mann hingewiesen, der einen Messerangriff an einer Schule verübt haben soll. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Satz, dieser Mann sei beim Sozialpsychiatrischen Dienst bekannt gewesen.
Diesbezüglich erwirkte der Antragsteller des Ausgangsverfahrens vor dem LG eine einstweilige Verfügung, mit der den Beschwerdeführern eine Gegendarstellung auferlegt wurde des Inhalts, dass der Mann dem Sozialpsychiatrischen Dienst nicht bekannt gewesen ist.
Der Widerspruch der Beschwerdeführer gegen die einstweilige Verfügung blieb erfolglos. Der Antragsteller des Ausgangsverfahrens beantragte die Festsetzung von Zwangsmitteln. Das OLG wies den Antrag der Beschwerdeführer auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung zurück.
Das BVerfG hat nun die Anträge der Beschwerdeführer auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Vollziehung der Entscheidung des LG abgelehnt. Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Die Gründe:
Die gebotene Beurteilung und Abwägung der Folgen, die im Falle des Erfolgs oder Misserfolgs des Antrags einträten, führt im vorliegenden Verfahren zu einem Überwiegen derjenigen Gründe, die gegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechen.
Erginge die beantragte einstweilige Anordnung nicht und würde sich die Verfassungsbeschwerde im Hauptsacheverfahren als begründet erweisen, hätten die Beschwerdeführerinnen in der Zeitschrift eine Gegendarstellung abgedruckt und auf dem Online-Dienst veröffentlicht, die ihnen in dieser Form nicht hätte auferlegt werden dürfen.
Für die Beschwerdeführerinnen bedeutete dies sicherlich einen Eingriff in ihre redaktionellen Auswahlmöglichkeiten. Außerdem könnte durch die Gegendarstellung ein gewisser Imageschaden eintreten. Bei einem etwaigen Erfolg ihrer Verfassungsbeschwerde hätten es die Beschwerdeführerinnen, die unmittelbar die Möglichkeit publizistischer Äußerung haben, allerdings auch in der Hand, diesen zum gegebenen Zeitpunkt öffentlich wirksam herauszustellen.
Erginge die einstweilige Anordnung, erwiese sich die Verfassungsbeschwerde aber später als unbegründet, würden die Beschwerdeführerinnen vorläufig keine Gegendarstellung abdrucken. Diese Verzögerung kann unter Umständen bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde dauern. Eine Gegendarstellung ist aber auf Zeitnähe zur Erstmitteilung angewiesen. Erscheint sie erheblich später, hat sie eher gegenteilige Wirkung, indem sie an die Erstmitteilung erinnert und das Thema erneut aktualisiert. Für den Antragsteller des Ausgangsverfahrens bedeutete dies, dass seine Gegendarstellung ihren Sinn nicht mehr erfüllen könnte. Der Effekt der Gegendarstellung ginge damit verloren oder würde sogar konterkariert. Vorliegend ist dabei insbesondere zu gewichten, dass die textliche Verknüpfung des behaupteten Bekanntseins der Person mit deren Angriffen geeignet ist, erhebliche Zweifel an der Integrität der Aufgabenerfüllung in einem Bereich zu nähren, der in besonderer Weise auf öffentliches Vertrauen angewiesen ist.
Handbuch:
Durchsetzung des Gegendarstellungsanspruches
Verfassungsbeschwerde und einstweilige Anordnung
Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018
Das Handbuch ist auch enthalten im Beratermodul Medienrecht:
Rechtssicherheit und Kompetenz mit dem Beratermodul Medienrecht. Für alle Fragen rund um die Recherche und Berichterstattung in Presse, Funk und neuen Medien. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO. Wann immer es zeitlich passt: Für Fachanwälte bietet dieses Modul Beiträge zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. 4 Wochen gratis nutzen!