21.07.2014

Ergänzende Vertragsauslegung darf nicht zu einer Erweiterung des Vertragsgegenstandes führen

Die ergänzende Vertragsauslegung darf nicht zu einer Erweiterung des Vertragsgegenstandes führen (hier: Zusammenschaltungsvereinbarung zweier Telekommunikationsunternehmen). Fehlt im Vertrag über (Telekommunikations-)Dienstleistungen eine Entgeltabrede, kommt eine, gegebenenfalls gem. § 25 Abs. 4 TKG von Amts wegen zu treffende, Anordnung gem. § 25 Abs. 5 TKG in Betracht.

BGH 26.6.2014, III ZR 299/13
Der Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt ein Mobilfunknetz. Die Beklagte unterhielt ebenfalls ein Telekommunikationsnetz. Sie hatte das Fernmeldenetz der früheren Bundespost übernommen und verfügte über eine beträchtliche Marktmacht. Im Juni 2003 hatten die Parteien einen Vertrag über die Zusammenschaltung ihrer Netze geschlossen. Darin verpflichtete sich die Beklagte, Zusammenschaltungen vorzunehmen. Die Klägerin sollte hierfür im Einzelnen ausgewiesene Entgelte entrichten.

Im August 2005 stellte die Bundesnetzagentur fest, dass auch die Klägerin über beträchtliche Macht auf dem bundesweiten Vorleistungsmarkt für Anrufzustellung in ihr öffentliches Mobiltelefonnetz verfüge. Sie verpflichtete die Klägerin, anderen Betreibern von öffentlichen Telefonnetzen - so auch der Beklagten - die Zusammenschaltung mit ihrem Mobilfunknetz zu ermöglichen. Die Entgelte für die Gewährung des Zugangs und der Kollokation unterlägen der Genehmigung nach Maßgabe von § 31 TKG.

Für die Zeit ab August 2006 genehmigte die Bundesnetzagentur der Klägerin unterschiedliche Preise für die Zusammenschaltung. Nachdem Verhandlungen der Parteien über weitere Zahlungen in zuvor liegenden Zeiträumen ins Stocken geraten waren, wandte sich die Klägerin an die Bundesnetzagentur wegen einer etwaigen Anordnung der Entgelte nach § 25 Abs. 1 u. 5 S. 1 TKG. Die Behörde teilte der Klägerin mit, dass es im Fall des Scheiterns der Verhandlungen keines Anordnungsverfahrens bedürfe, da eine vertragliche Vereinbarung bestehe, dass für die Leistungen der Klägerin keine gesonderten Zahlungen zu entrichten seien. Dies stelle ein anderes als das genehmigte Entgelt dar und verstoße gegen § 37 Abs. 1 TKG. Dementsprechend träten nach § 37 Abs. 2 TKG die genehmigten Entgelte an die Stelle der vereinbarten. Die Klägerin könne deshalb ihren Zahlungsanspruch auf die geschuldeten Vergütungen unmittelbar vor einem Zivilgericht geltend machen.

Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr i.H.v. rund 1,5 Mio. € statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies den Zahlungsantrag ab.

Gründe:
Die Vorinstanz hatte die rechtlichen Voraussetzungen der ergänzenden Vertragsauslegung zu weit gefasst.

Eine ergänzende Vertragsauslegung ist zulässig, wenn eine Vereinbarung der Parteien in einem regelungsbedürftigen Punkt fehlt und keine Regelung des dispositiven Gesetzesrechts eingreift. Sie darf aber nicht zu einer Erweiterung des Vertragsgegenstandes führen. Lediglich der Vertragsinhalt, nicht aber der Vertragswille darf ergänzt werden. Die vom Berufungsgericht für richtig gehaltene ergänzende Auslegung des Vertrags aus Juni 2003 würde aber zu einer vom seinerzeitigen Willen der Parteien nicht mehr gedeckten Erweiterung des Vertragsgegenstandes führen. So würden Pflichten mit genau entgegen gesetzter Zielrichtung begründet. Nicht mehr allein die Beklagte hätte die Zusammenschaltung zu gewährleisten, und die Klägerin hätte hierfür einseitig ein Entgelt zu entrichten. Vielmehr bestünden die wechselseitigen (Haupt-)Leistungspflichten nunmehr auch in umgekehrter Richtung.

Die Klägerin konnte ihren Anspruch auch nicht auf § 37 Abs. 1 u. 2 TKG stützen. Hiernach darf der Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes, der über beträchtliche Marktmacht verfügt, keine anderen als die von der Bundesnetzagentur genehmigten Entgelte verlangen. § 37 Abs. 2 TKG setzt das Bestehen eines Vertrags der beteiligten Unternehmen über (Telekommunikations-)Dienstleistungen mit einer Entgeltabrede voraus. Fehlt eine solche, kommt eine, gegebenenfalls gem. § 25 Abs. 4 TKG von Amts wegen zu treffende, Anordnung gem. § 25 Abs. 5 TKG in Betracht. Da aus den zuvor ausgeführten Gründen entgegen der Ansicht der Behörde (durch die Entgeltgenehmigungen nach § 37 Abs. 2 TKG ersetzte) vertragliche Vergütungsvereinbarungen der Parteien für die Zeit, auf die sich der Zahlungsantrag bezog, nicht bestehen, kann eine Anordnung auch nicht an § 25 Abs. 2 TKG scheitern.

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