Erneutes Weiterleiten widerrufener Portierungsaufträge in Kenntnis des Widerrufs
BGH 11.10.2017, I ZR 210/16Die Parteien sind Wettbewerber beim Angebot von Telekommunikationsdienstleistungen. Die Klägerin unterhält ein Telefonfestnetz mit Hausanschlüssen für Endkunden. Will ein Kunde der Klägerin künftig die Leistungen der Beklagten oder eines anderen Anschlussanbieters in Anspruch nehmen, bedarf es technischer Umsetzungen durch die Klägerin. Hierzu gehört die regelmäßig vom Kunden gewünschte Mitnahme der Rufnummer (Portierung).
Im Einklang mit von einem Arbeitskreis der Telekommunikationsnetzbetreiber und -hersteller (AKNN) aufgestellten Regeln leitet der neue Anbieter die Kündigungsmitteilung und den Portierungsauftrag des Kunden über elektronische Schnittstellen an die Klägerin. Nach Eingang der Wechselanzeige ruft ein Mitarbeiter der Klägerin den Kunden an, um die Kündigung zu verifizieren; nach der Behauptung der Beklagten erfolgen diese Anrufe im Rahmen eines "Kundenrückgewinnungsprogramms" der Klägerin. Entschließt sich der Kunde vor Ausführung der Portierung, die Kündigung rückgängig zu machen, führt die Klägerin die Portierung nicht durch und informiert den neuen Anbieter hierüber durch eine mit "SON" gekennzeichnete Mitteilung.
Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe nach Erhalt der Nachricht "SON" systematisch und planmäßig ohne neuerlichen Kontakt zum Kunden Kündigungsmitteilungen und Portierungsaufträge erneut an die Klägerin geleitet. Dadurch sei der unzutreffende Eindruck entstanden, die Kunden hätten sich zum wiederholten Male zugunsten der Beklagten entschieden. Die Klägerin konkretisiert diesen Vortrag anhand einer Liste von Einzelfällen.
Das LG gab der Klage antragsgemäß statt und verurteilte die Beklagte zur Unterlassung, Auskunft sowie Erstattung von Abmahnkosten und stellte ihre Verpflichtung zum Schadensersatz fest. Das OLG wies die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Mit der vom OLG gegebenen Begründung können die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche nicht verneint werden.
Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann eine gezielte Behinderung der Klägerin nicht verneint werden. Insbesondere die Annahme des OLG, die Klägerin sei aus § 46 Abs. 4 S. 1 TKG zur Portierung der Rufnummer schon allein auf den ersten Portierungsauftrag hin verpflichtet, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Aufgrund der vom OLG getroffenen Feststellungen kommt in Betracht, dass die von der Klägerin verfolgten Ansprüche wegen Wettbewerbsverstößen der Beklagten begründet sind.
Haben Kunden Portierungsaufträge gegenüber der Klägerin wirksam widerrufen und hat die Klägerin entsprechende "SON"-Mitteilungen erteilt, handelt die Beklagte gem. § 4 Nr. 4 UWG unlauter, wenn sie systematisch und planmäßig Portierungsaufträge ohne erneute Veranlassung durch die Kunden an die Klägerin leitet, so dass der unzutreffende Eindruck entsteht, die Kunden hätten sich zum wiederholten Male zugunsten der Beklagten entschieden. Zwar dient die Vorschrift des § 4 Nr. 4 UWG nicht dazu, vertragsrechtliche Streitigkeiten zwischen Unternehmen zu lösen. Die ordnungsgemäße Ausführung von Portierungsaufträgen liegt aber im öffentlichen Interesse, so dass es geboten ist, sie auch mit lauterkeitsrechtlichen Mitteln durchzusetzen. Dabei ist unerheblich, ob die Klägerin aufgrund erneuter Mitteilungen der Beklagten tatsächlich Portierungen vorgenommen hat. Ausreichend ist die Eignung dieser Mitteilungen, die Klägerin dazu zu veranlassen.
Selbst wenn die Beklagte, wie mit der Revisionserwiderung vorgetragen, nur den ursprünglichen Portierungsauftrag erneut in die Schnittstelle einstellt und damit zum Ausdruck bringen will, dass sie die Klägerin für weiterhin verpflichtet hält, den ersten Portierungsauftrag auszuführen, ergibt sich keine ab-weichende Bewertung. Es ist schon fraglich, ob die Klägerin bei der gebotenen Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont die Mitteilung der Beklagten in diesem Sinne verstehen muss. Jedenfalls spiegelt die Beklagte der Klägerin aber auch in diesem Fall einen auszuführenden Portierungsauftrag vor, obwohl sie aufgrund der "SON"-Mitteilung Kenntnis davon hat, dass der ursprüngliche Portierungsauftrag nicht mehr besteht, und zudem weiß, dass der Kunde keinen neuen Portierungsauftrag erteilt hat. Zudem kommt ein Verstoß der Beklagten gegen § 5 Abs. 1 UWG in Betracht.
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