Erteilung von 20 Sportwetten-Konzessionen an die ausgewählten Bewerber gestoppt
VG Wiesbaden 5.5.2015, 5 L 1428/14.WIGlücksspiele dürfen in Deutschland nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde veranstaltet und vermittelt werden. Der Glücksspielstaatsvertrag sieht deshalb vor, dass ab Juli 2012 für sieben Jahre Sportwetten probeweise mit einer Konzession veranstaltet werden dürfen, u.a. um insgesamt eine bessere Bekämpfung des Schwarzmarktes zu erreichen. Insgesamt dürfen 20 Konzessionen bundesweit vergeben werden.
Für die Erteilung der Konzessionen in einem ländereinheitlichen Verfahren für alle Bundesländer ist das Land Hessen zuständig, das bei der Aufgabenerfüllung von dem Glücksspielkollegium der Länder unterstützt wird. Die Ausschreibung im Konzessionsverfahren erfolgte am 8.8.2012 europaweit. Das Verfahren wurde in zwei aufeinanderfolgenden Phasen abgewickelt. Auf der ersten Stufe mussten die in der Ausschreibung genannten Voraussetzungen erfüllt werden, auf der zweiten Stufe erhielten die Bewerber Gelegenheit, ihre Bewerbung zu ergänzen.
Von den ursprünglich 73 Bewerbern um eine Konzession verblieben 35 Bewerber, die am 2.9.2014 die Mitteilung erhielten, dass die Konzessionserteilung an 20 ausgewählte Antragsteller am 18.9.2014 erfolgen solle. Aufgrund eines Eilantrags eines anderen Bewerbers, der einen ablehnenden Bescheid erhalten hatte, gab die Kammer dem Land Hessen auf, das Konzessionsverfahren offen zu halten und zunächst keine Konzessionen zu erteilen. Auch die Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens - ein österreichischer Sportwettenanbieter - erhielt am 2.9.2014 einen ablehnenden Bescheid, da sie im Rahmen des Auswahlverfahrens nicht die erforderliche Punktzahl erreicht habe.
Das VG gab dem Eilantrag statt und verpflichtete das Land Hessen, bis zu einer Entscheidung im Klageverfahren die angekündigte Erteilung von Sportwetten, Konzessionen an die 20 ausgewählten Bewerber zurückzustellen. Der Beschluss ist nicht rechtskräftig. Gegen diesen Beschluss können die Beteiligten Beschwerde zum Hessischen VGH erheben.
Die Gründe:
Das bisherige Verwaltungsverfahren zur Auswahl der Bewerber weist verschiedene Rechtsverstöße und Ausführungsmängel auf, die die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) und den Anspruch auf ein diskriminierungsfreies und transparentes Auswahlverfahren (§ 4b GlüStV, Art. 3 Abs. 1 GG) verletzen.
Der mehrstufige Aufbau des Auswahlverfahrens ist grundsätzlich zwar nicht zu beanstanden. Es fehlt jedoch an der hinreichenden Transparenz, weil die Bewerber weder aus der Ausschreibung noch aus dem Gesetzestext des Glücksspielstaatsvertrags voll umfänglich entnehmen konnten, was für eine erfolgreiche Bewerbung letztlich gefordert war. So hätten etwa die Kriterien für das erfolgreiche Absolvieren der zweiten Stufe bereits vor der Ausschreibung feststehen müssen. Dies war jedoch nicht der Fall. Auch die inhaltliche Gestaltung des Auswahlverfahrens verstößt gegen die Anforderungen an eine rechtmäßige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit. So wurden für die Erfüllung der Mindestanforderungen auf der zweiten Stufe fünf Konzepte genannt, die eingereicht werden müssen, ohne dass inhaltliche Anforderungen hieran, Maßstäbe für Ergänzungsverlangen und Vorgaben für die schrittweise Verringerung der Zahl der Antragsteller genannt würden.
Auch die Anzahl von 600 Fragen der Bewerber zur Klärung des Anforderungskatalogs zur zweiten Stufe zeigt, dass die Anforderungen nicht von vornherein verständlich und transparent waren. Die maßgeblichen Kriterien müssen aber auch im Verwaltungsvergabeverfahren sowohl für die Mindestanforderungen als auch für die Auswahlentscheidung so klar, präzise und eindeutig formuliert und im Vorhinein bekannt sein, dass jeder Bewerber sich gebührend informieren und deren Bedeutung verstehen und auslegen kann. Es ist nicht Aufgabe der Bewerber, so lange Fragen an die Behörde zu richten, bis deren Anforderungen und Entscheidungskriterien hinreichend deutlich werden. Darüber hinaus waren der Prüfungsablauf und die Entscheidungsfindung intransparent.
Neben den Durchführungsmängeln bestehen auch konzeptionelle Defizite des Konzessionsverfahrens. Das bislang zur Rechtfertigung des Monopols und nunmehr zur Begründung der nur beschränkten Konzessionierung herangezogene öffentliche Interesse an der Bekämpfung der Spielsucht und der Lenkung des Spieltriebs in geordneten Bahnen ist das überragende Gemeinwohlziel. Entsprechend ist das Sozialkonzept von hervorgehobener Bedeutung, was aber in der konkreten Ausgestaltung nicht zum Ausdruck kommt, da die Einzelanforderungen aller fünf Konzepte zur Erfüllung der Mindestvoraussetzungen gleich gewichtet werden. Auch das eigentliche Auswahlverfahren zwischen den 35 verbliebenen Bewerbern weist zusätzliche Rechtsfehler auf, da an die Bewerber durch die Behörde Anforderungen gestellt wurden, die im Glücksspielstaatsvertrag nicht genannt sind (z.B. Maßnahmen zur Unterstützung der Glücksspielaufsicht bei der Bekämpfung des Schwarzmarktes und zum Vorgehen gegen illegale Mitbewerber).
Die tatsächliche Bewertung der einzelnen Anforderungen im Auswahlverfahren ist nicht nachvollziehbar, da der der Antragstellerin übermittelte Bescheid selbst hierzu keine Ausführungen enthält. Aus den Beurteilungsbögen lässt sich eine individuelle und aus sich heraus verständliche Begründung für die konkrete Punktvergabe nicht feststellen. Die Begriffe "durchschnittlich" oder "unterdurchschnittlich" sind mangels Vergleichbarkeit nicht nachvollziehbar. Soweit der Prüfungsumfang in internen Besprechungen der Prüfteams festgelegt worden ist und sich die Prüfer im Fall divergierender Bewertungen auf eine Punktzahl einigten, kann von einer transparenten und für die Bewerber vorhersehbaren und nachvollziehbaren Auswahlentscheidung nicht gesprochen werden.