27.07.2017

EuGH: PNR-Abkommen mit Kanada wegen GR-Charta-Verstoß nicht ratifizierbar

Am 26.7.2017 hat der EuGH erstmals ein Gutachten über die Vereinbarkeit eines geplanten internationalen Abkommens mit der europäischen Grundrechte-Charta veröffentlicht. Er kommt zu dem Ergebnis, dass das von der EU und Kanada ausgehandelte Abkommen über die Übermittlung von Fluggastdatensätzen (Passenger Name Records- PNR) in seiner jetzigen Form nicht mit den Grundrechten der Union vereinbar ist und daher nicht geschlossen werden darf.

EuGH, Gutachten 1/15 v. 26.7.2017
Der Inhalt des Abkommens:
Das geplante Abkommen betrifft die systematische Übermittlung sämtlicher Fluggastdaten an eine kanadische Behörde zum Zwecke der Speicherung, Verwendung und möglichen Weitergabe an andere Behörden oder Drittländer. Ziel ist die Bekämpfung von Terrorismus und Schwerkriminalität. Es sieht u.a. Anforderungen an Sicherheit und Integrität der Daten, Unkenntlichmachung sensibler Daten, Rechtsbehelfe, Auskunftsrechte und eine fünfjährige Speicherung der PNR-Daten vor.
Die erhobenen Daten können bei systematischer Auswertung, wie sie laut Abkommen nach im Vorfeld festgelegten Methoden durchgeführt werden soll, eine Reihe von Informationen über die Fluggäste liefern. Beispielsweise können daraus Reiseverlauf, Reisegewohnheiten, Beziehungen der Flugpassagiere untereinander oder Aussagen über deren Gesundheit abgeleitet werden.

Die Wertung des EuGH:
Aus diesem Grund verstoßen die Vorschriften des Abkommens über Übermittlung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe von PNR-Daten nach Ansicht des EuGH gegen die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten.
Dieser Eingriff in die Grundrechte ist aber grundsätzlich einer Rechtfertigung zugänglich, denn das Abkommen dient mit dem Zweck der Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität dem Wohl der Allgemeinheit.

Erforderlichkeit?
Allerdings sind nicht sämtliche Regelungen des Abkommens zur Erreichung dieses Ziels erforderlich. Der EuGH ist der Auffassung, dass einige Bestimmungen präziser formuliert werden müssten oder sich nicht auf das notwendige Maß eines Eingriffs beschränken.
Beispielsweise die Übermittlung sensibler Daten (z.B. rassische oder ethische Herkunft, Religionszugehörigkeit) an Kanada bedarf laut EuGH wegen der Gefahr einer nicht diskriminierungsfreien Verarbeitung neben dem Ziel der Terrorismusbekämpfung einer besonders begründeten und fundierten Rechtfertigung. Eine solche liege momentan nicht vor.

Auch für die grundsätzlich vorgesehene Speicherung aller PNR-Daten nach der Ausreise der Fluggäste über einen Zeitraum von fünf Jahren kann nach dem EuGH eine Erforderlichkeit nicht festgestellt werden. In Bezug auf Personen, die weder bei ihrer Einreise noch während ihres Aufenthalts bis zu ihrer Ausreise mit Terrorismus oder grenzüberschreitender Kriminalität in Verbindung gebracht werden konnten, lässt sich die dauerhafte Speicherung nicht rechtfertigen.

Daneben nimmt der EuGH noch zu einer Reihe von Regelungen Stellung, bei denen aus seiner Sicht Nachbesserungsbedarf besteht, um eine Vereinbarkeit mit den europäischen Grundrechten zu gewährleisten.

Reaktion eines Landesdatenschutzbeauftragten
Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in Baden-Württemberg Brink begrüßt das Gutachten und den darin zum Ausdruck kommenden wirksamen Schutz der Freiheitsrechte der EU-Bürger. Er prognostiziert, dass das Gutachten auch Auswirkungen auf bereits bestehende internationale Übereinkünfte zur Fluggastdaten-Übermittlung haben wird.

Linkhinweise:
Die Pressemitteilung zum Gutachten des EuGH finden Sie hier.

Zur Pressemitteilung des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in Baden-Württemberg gelangen Sie hier.

EuGH PM Nr. 84/17 vom 26.7.2017 und PM des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in Baden-Württemberg vom 27.7.2017
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