27.07.2017

EuGH-Schlussantrag: Luxusartikelhersteller dürfen autorisierten Händlern Vertrieb über Drittplattformen im Internet untersagen

In seinem Schlussantrag vom 26.7.2017 hat der Generalanwalt Wahl am EuGH vorgetragen, das Verbot eines Anbieters von Luxuswaren gegenüber seinen autorisierten Händlern, Produkte erkennbar über Drittplattformen im Internet zu vertreiben, sei nicht grundsätzlich rechtswidrig. Unter bestimmten Voraussetzungen fällt es nicht unter das Kartellverbot des Art. 101 AEUV.

EuGH-Generalanwalt, 26.7.2017, Rs. C-230/16
Der Sachverhalt:
Die Klägerin Coty Germany gehört zu den führenden Luxus-Kosmetik-Herstellern Deutschlands. Einige der von ihr angebotenen Marken vertreibt sie nur über autorisierte, über besondere Umgebung und besonders ausgestattete Ladengeschäfte verfügende Händler, um den Waren eine luxuriöse Ausstrahlung zu verleihen.

Die Vertriebsberechtigung der Händler umfasst auch den Online-Vertrieb der Waren, gemäß den geänderten Vertriebsverträgen aus dem Jahr 2012 unter der Bedingung, dass ein Online-Shop als "elektronisches Schaufenster" des autorisierten Händlers geführt wird, um das luxuriöse Image der Marken zu wahren. Zudem dürfen die Waren nicht nach außen erkennbar über Plattformen von Drittunternehmen angeboten werden.

Als eine der autorisierten Händlerinnen verkaufte die Beklagte, die Parfümerie Akzente, die Produkte der Klägerin im Einzelhandel und im Internet, sowohl in ihrem eigenen Onlineshop als auch auf der Plattform amazon.de. Da die Beklagte den Änderungen des Vertriebsvertrags im Jahr 2012 nicht zugestimmt hatte, erhob die Klägerin in Deutschland Klage gegen die Beklagte, um eine Untersagung des Vertriebs ihrer Produkte über amazon.de zu erwirken.

Das OLG Frankfurt legte in diesem Zusammenhang dem EuGH die Frage vor, ob das von der Klägerin ausgesprochene Verbot der Einschaltung von Drittplattformen gegen europäisches Wettbewerbsrecht verstoße.

Der Ansatz des EuGH-Generalanwalts:
Wie Generalanwalt Wahl in seinem Schlussantrag ausgeführt hat, können nach der Rechtsprechung des EuGH selektive Vertriebssysteme (wie jenes der Klägerin) für Luxus- und Prestigegüter, die auf die Erhaltung eines "Luxusimages" gerichtet sind, unter bestimmten Voraussetzungen vom Kartellverbot des Art. 101 AEUV ausgenommen sein.
Die vom Anbieter der Luxuswaren zu erfüllenden Kriterien sind demnach eine Auswahl der autorisierten Händler nach objektiven Gesichtspunkten qualitativer Art anhand eines einheitlichen Maßstabs, das Erfordernis selektiven Vertriebs aufgrund der Art der Produkte zur Sicherstellung der Qualität derselben und eine verhältnismäßige Anwendung der vorgenannten Kriterien.

Art. 101 AEUV nicht einschlägig
Auch die Vertragsklausel der Klägerin, nach der ihre autorisierten Händler im Online-Handel nicht nach außen erkennbar Drittplattformen (wie amazon.de) einschalten dürfen, lässt sich nach Ansicht des Generalanwalts anhand der genannten Voraussetzungen beurteilen. Sie fällt nicht unter das Kartellverbot, wenn sie durch die Natur der Ware bedingt und einheitlich festgelegt ist und nicht über das notwendige Maß hinausgeht. Dies trifft laut Generalanwalt Wahl auf die fragliche Klausel zu.

Im Einzelnen:
- Kein grundsätzliches Verbot
Zum einen habe die Klägerin den Verkauf ihrer Waren im Internet nicht grundsätzlich verboten, sondern nur die erkennbare Einschaltung von Drittplattformen, die nicht an die von ihr vorgegebenen Qualitätsstandards gebunden seien. Die autorisierten Händler könnten die Produkte in eigenen Online-Shops verkaufen oder über nicht erkennbare Drittanbieter.

- Sicherstellung des luxuriösen Image
Zum anderen könne durch das Verbot die "luxuriöse Ausstrahlung" der Waren gewahrt werden, denn sie werden dadurch nur in einer der Spitze des Vertriebsnetzes angemessenen Umgebung angeboten und es wird gewährleistet, dass alle von Hersteller und Händlern vorgenommenen Investitionen in Etablierung und Ansehen der Produkte nur ihnen selbst zugute kommen.

- Keine wesentliche Einschränkung
Da außerdem die eigenen Internetseiten der autorisierten Händler als primärer und bevorzugter Vertriebsweg im Online-Geschäft anzusehen seien, bedeute das Verbot des Vertriebs über Drittplattformen keine wesentliche Einschränkung des Online-Handels.

- Verhältnismäßigkeit
Die Klausel steht auch in einem angemessenen Verhältnis zum erstrebten Ziel, denn die qualitativen Anforderungen, die die Klägerin in ihrem Vertriebssystem erfüllt wissen möchte, können bestmöglich nur im von den autorisierten Händlern betreuten Online-Handel eingehalten werden.

Sollte die Klausel vom mit der Sache befassten Gericht als unter das Kartellverbot fallend eingeordnet werden, kommt laut dem Generalanwalt auch eine Freistellung (Art. 101 Abs. 3 AEUV) nach der Verordnung Nr. 330/2010 (ABl. 2010 L 102, S.1) in Betracht.

Linkhinweise:
Die Pressemitteilung zu den Schlussanträgen des Generalanwalts ist auf den Webseiten des EuGH veröffentlicht.

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Den Volltext der Schlussanträge finden Sie hier.

EuGH PM Nr. 89/17 vom 26.7.2017
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