EuGH-Vorlage: Stellt YouTube-Kanal mit kurzen Werbevideos für Autos einen audiovisuellen Mediendienst dar?
BGH 12.1.2017, I ZR 117/15Die Beklagte vertreibt in Deutschland Automobile. Sie unterhält bei dem Internetdienst YouTube einen Videokanal, auf dem sie im Februar 2014 ein etwa fünfzehn Sekunden langes Video veröffentlicht hatte. Unter dem Video befand sich folgender Text: "In 5,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h mit dem stärksten Serienmotor der P.-Geschichte. Entdecke die R. bei einem Vertragspartner in Deiner Nähe und lass Dich begeistern." Die Klägerin war der Auffassung, die Beklagte hätte auf ihrem YouTube-Kanal Angaben zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und den offiziellen CO2-Emissionen des P. R. machen müssen.
Das LG gab der Unterlassungsklage statt. Die Beklagte gab im Berufungsverfahren eine Unterwerfungserklärung ab, die die Klägerin angenommen hat. Die Berufung der Beklagten wurde vom OLG zurückgewiesen. Auf die Revision der Beklagten hat der BGH das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob derjenige, der bei dem Internetdienst YouTube einen Videokanal unterhält, von dem Internetnutzer kurze Werbevideos für Modelle neuer Personenkraftwagen abrufen können, einen audiovisuellen Mediendienst i.S.v. Art. 1 Abs. 1a der Richtlinie 2010/13/EU betreibt?
Gründe:
Das Berufungsgericht hatte mit Recht angenommen, dass die beanstandete Werbung der Beklagten geeignet ist, die durch die § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Pkw-EnVKV geschützten Interessen von Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen (§ 3a UWG). Nach § 5 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 Pkw-EnVKV sind Hörfunkdienste und audiovisuelle Mediendienste i.S.v. Art. 1 Abs. 1a der Richtlinie 2010/13/EU aber von der Pflicht ausgenommen, den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen spezifischen CO2-Emissionen der betreffenden Modelle neuer Personenkraftwagen anzugeben.
Im Revisionsverfahren stellte sich damit die entscheidungserhebliche und durch die EuGH-Rechtsprechung bisher nicht geklärte Frage, ob ein Videokanal wie derjenige, der von der Beklagten bei dem Internetdienst "YouTube" betrieben wird, ein audiovisueller Mediendienst i.S.v. Art. 1 Abs. 1a der Richtlinie 2010/13/EU ist. Eine Regelung wie in § 5 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 Pkw-EnVKV ist zwar in der Richtlinie 1999/94/EG nicht ausdrücklich vorgesehen. Sie steht jedoch mit ihr im Einklang, weil sie auf einer in der Richtlinie vorgesehenen Empfehlung der EU-Kommission beruht.
Der Senat geht davon aus, dass das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat, dass das von der Klägerin beanstandete Video und der von der Beklagten betriebene YouTube-Kanal keinen audiovisuellen Mediendienst i.S.v. Art. 1 Abs. 1a Ziffer i der Richtlinie 2010/13/EU darstellt. Der Hauptzweck des YouTube-Kanals der Beklagten besteht nämlich nicht in der Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit über elektronische Kommunikationsnetze. Er genügt aus diesen Gründen nicht den Anforderungen, die Art. 1 Abs. 1a Ziffer i der Richtlinie 2010/13/EU an einen audiovisuellen Mediendienst stellt. Es kommt nach Auffassung des Senats aber in Betracht, dass die Beklagte einen audiovisuellen Mediendienst i.S.v. Art. 1 Abs. 1a Ziffer ii der Richtlinie 2010/13/EU betreibt.
Es stellt sich die Frage, ob das von der Klägerin beanstandete Video der Beklagten Teil einer Sendung i.S.v. Art. 1 Abs. 1b der Richtlinie 2010/13/EU ist, die mit Fernsehprogrammen vergleichbar ist. Nach EuGH-Rechtsprechung verlangt die Norm die Vergleichbarkeit von Videosequenzen mit der Form und dem Inhalt von Fernsehprogrammen, nicht aber die Vergleichbarkeit einer kompletten Kurzvideosammlung mit einem von einem Fernsehveranstalter erstellten kompletten Sendeplan oder Katalog. Aus diesem Grund ist zu erwägen, den YouTube-Kanal der Beklagten als einem ausschließlich der Eigenwerbung dienenden Fernsehkanal ähnlich anzusehen. Dann könnte er als audiovisueller Mediendienst i.S.d. Richtlinie 2010/13/EU aufzufassen sein.
Für eine abweichende Beurteilung könnte allerdings sprechen, dass Art. 1 Abs. 1h der Richtlinie 2010/13/EU als audiovisuelle kommerzielle Kommunikation ausschließlich solche Bilder erfasst, die einer Sendung gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung beigefügt oder darin enthalten sind. Im Streitfall handelt es sich um eine Videosequenz zur Produktwerbung, die auf einem allein der Eigenwerbung dienenden YouTube-Kanal bereitgestellt wird. Die Videosequenz ist damit keiner Sendung als Eigenwerbung beigefügt.
Linkhinweise:
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